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Probe auf fremder Bühne

Es gibt ein gewichtigeres Frühwerk des Opern-Titanen Richard Wagner, das nur selten aufgeführt wird: "Rienzi". Bereits hier war der Komponist sein eigener Librettist, doch das Stück gilt eigentlich wegen der großen Chor-Tableaus als unspielbar. In Bremen wurde das Werk von Urenkelin Katharina Wagner, einer der neuen Herrinnen des Hügels, dennoch inszeniert.

Von Georg-Friedrich Kühn | 12.10.2008
    Ein bisschen von Berlusconi-Operette hat das: Rienzi, der Volkstribun, der mit der Pestizid-Kanone fuchtelt, der den Müll wegräumt und die Bettler; der alle vor seinen Karren spannt - und die bejubeln ihn auch noch. Fast alle.

    Die Nobili freilich, die er von den Fleischtöpfen vertrieben hat, sinnen auf Rache. Der Kardinal beobachtet, dann gibt er den Segen - und später, als die Dinge gegen Rienzi laufen, verhängt er den Kirchenbann.

    Der "letzte der Tribunen", wie Wagner "Rienzi" untertitelt, wird zum Lynchen frei gegeben dort, wo er seiner einzigen Liebe opferte, der Roma-Statue, die er erst köpfte, dann entkleidete und mit immer neuen Fummeln behängte, bis sie mit gegrätschten Beinen aussah wie eine Hure.

    Mutig war das schon, den als unspielbar geltenden "Rienzi" in Bremen heraus zu bringen, aber auch eine Medien-Coup, dafür Katharina Wagner zu gewinnen.

    Das Stück ist eine Chor-Oper mit mörderischen Solopartien. Und es ist früher Wagner. Man spürt die Theaterpranke aber auch die Häutungsfetzen der Grand opéra, die an ihr haften mit den pomphaften Tableaus und ohne die feine Psychologisierung des mittleren und späten Wagner.

    Aus dem Sechs-Stünder hat Katharina Wagner zusammen mit dem Dirigenten Christoph Ulrich Meier eine vierstündige Fassung einschließlich zweier Pausen destilliert, die das Werk strafft aber immer noch reichlich Selbstbeweihräucherungs-Schlacken der Grand opéra übrig lässt.

    Szenisch arbeitet die Wagner-Urenkelin mit wiederkehrenden Versatzstücken, Perücken zumal. Die werden den nadelstreifigen Nobili von den Plebejern entrissen. Rienzi und sein Clan schmücken sich damit. Der Frisiersalon mit Visagisten und Maniküren ist ein hoch frequentierter Ort.

    Der goldene Globus, den Rienzi der Roma-Statue entwindet, geht als Wanderpokal durch viele Hände. Aber doch mit Wehmut denkt man dabei an die kunstvolle Heiterkeit, mit der ein Charlie Chaplin so Hitler & Mussolini parodierte.

    Tilo Steffens hat eine bühnenfüllende marmorweiße Freitreppe gebaut, in deren Mitte die dann mit wechselnden Fotos verhüllte Roma-Statue steht - oder nur noch ihr Gerüst. Für intime Räume wird ein Hänger herunter gelassen, der auch benutzt wird, um dahinter den Chor in wechselnden Formationen aufzubauen.

    Und das ist der gravierendste Einwand: Katharina Wagner versteht zwar, mit ungeheurem Aufwand von Kostümen immer neue Arrangements zu stellen, mit dem Chor zu erzählen gelingt ihr kaum - bis auf eine Szene, wenn die Frauen Roms das von den Männern vergossene und in Strömen über die weißen Stufen stürzende Blut aufwischen mit ihren Schürzen.

    Das Stück insgesamt aus seiner Starre zu lösen, vermag auch die Wagner-Urenkelin nicht. Dabei hat sie zumal mit Patricia Andress als Rienzi-Schwester Irene und Tamara Klivadenko als ihr Liebhaber Adriano exzellente Sänger, während Mark Duffin als Cola Rienzi doch hörbar an seine Grenzen kommt.

    Dank Sponsoren wurde die Aufführung auch nach draußen auf den Vorplatz übertragen. Und einige hundert Zuschauer harrten bis zuletzt. Was sich Katharina Wagner generell von "public viewing" erhofft:

    "Dass Oper Leuten näher gebracht wird, ohne dass sie gezwungen werden, ohne dass sie sich ne Karte kaufen müssen, ohne dass sie sich fein anziehen müssen, ohne dass sie das Gefühl haben, oh ich kann da nicht raus, wenn es einen langweilt ... Da muss man entgegen treten, und "public viewing" ist ein Plädoyer für die Oper."

    Beifall gab's am Ende auch draußen, der im Saal war herzlich wenn auch nicht euphorisch. Einer Wiedergeburt des Cola Rienzi, für Bayreuth immerhin auf einer Nebenspielstätte in Aussicht genommen, wohnte man nicht bei. Aber gewiss war es mit über hundert angereisten Kollegen ein Event.