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Problemkeime aus dem Schweinestall

Tiere erhalten in Europa immer noch zu viele Antibiotika. Insbesondere bei der Vorbeugung von Tierkrankheiten könnten erheblich weniger Medikamente als bislang eingesetzt werden, kritisierten Experten gestern auf einem internationalen Kongress am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin. Durch den breiten Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht werde es zunehmend schwierig, Infektionen beim Menschen wirksam zu bekämpfen. Der Grund: viele Bakterien sind unempfindlich geworden - sie sind resistent.

Von Volkart Wildermuth | 11.11.2003
    Wird ein Huhn im Stall krank, dann bekommen vorsorglich alle Tiere Antibiotika ins Trinkwasser. So sieht heute vielerorts die Realität der Tierbehandlung in den Mastbetrieben aus. Antibiotika werden in großen Mengen eingesetzt und niemand kontrolliert, ob die Behandlung auch konsequent genug erfolgt. Das sind ideale Bedingungen für die Entstehung von Resistenzen und die Folgen zeigen sich nicht nur im Stall sondern auch in der Klinik, beklagt Dr. Fred Angulo von der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC.

    Es gibt eindeutige Belege über Nachteile für die menschliche Gesundheit durch diese Quelle der Antibiotika Resistenz. Es gab Fälle von Lebensmittelinfektionen, wo die Patienten behandelt wurden, die Medikamente nicht wirkten und die Menschen starben. Solche Fälle sind inzwischen in drei Ländern dokumentiert. Hier auf der Tagung wurden Studien vorgestellt, die belegen, dass Menschen, die an einer Infektion durch resistente Bakterien leiden, schwerere Krankheitssymptome haben, sie müssen häufiger und länger ins Krankenhaus und auf lange Sicht betrachtet ist ihre Sterberate höher.

    Keine Frage, Antibiotika-Resistenzen sind ein großes Problem, besonders Keime, die nicht nur gegen ein Medikament sondern gegen viele Wirkstoffe gleichzeitig resistent sind. Schuld daran sind aber nicht allein die Bauern. Auch in den Kliniken und den Hausarztpraxen werden Antibiotika zu häufig und dann nicht konsequent genug eingesetzt. Der auf Intensivstationen besonders gefürchtete Staphylococcus aureus schnappt seine Resistenzen meist im Krankenhaus selbst auf. Aber bei Krankheitserregern, die sowohl Tiere als auch Menschen befallen, ist die Verbindung zur Landwirtschaft eindeutig. Zum Beispiel bei Campylobacter, einem Erreger von schweren Durchfällen. In den USA ist er häufig gegen Fluorchinolone resistent, das sind wichtige Antibiotika, die zur Behandlung von schweren Harnwegs- und Ateminfekten aber auch von sexuell übertragenen Krankheiten eingesetzt werden. Sie sind schon seit Mitte der Achtziger zur Behandlung von Menschen zugelassen, doch Probleme mit Resistenten traten erst zehn Jahre später auf, als die gleichen Medikamente auch in der Tierzucht eingesetzt werden durften. Alles deutet darauf hin, dass sich die Resistenz durch den breiten Einsatz des Antibiotikums in der Landwirtschaft entwickeln konnte. In den USA wird inzwischen versucht, die Zulassung der Fluorchinolone wieder auf den Menschen zu beschränken. Auch Deutschland hat ein Problem bei der Flourchinolonresistenz. Zwar nehmen resistente Bakterien in der Tierzucht langsam ab, doch gerade die besonders gefährlichen, mehrfach resistenten Keime, widersetzen sich diesem Trend. Das liegt auch daran, dass die viele gut gemeinten Regelungen nicht immer eingehalten werden. Eine Studie aus Schleswig-Holstein hat ergeben, dass über die Hälfte der Antibiotika in der Schweinezucht vorbeugend verabreicht wird, was im Arzneimittelrecht so nicht vorgesehen ist. Was sich tun lässt, um den Antibiotika-Verbrauch in der Tierzucht wirksam einzudämmen, zeigt das Beispiel Dänemark, wie Dr. Henrik Caspar Wegener vom Dänischen Zoonosen Zentrum in Kopenhagen erläutert.

    In Dänemark haben wir 1995 ein Gesetz verabschiedet, das den Gewinn beschränkte, den Tierärzte mit dem Verkauf von Medikamenten erzielen können. In der Folge wurden 40 Prozent weniger Medikamente verkauft. Wenn man den Gewinn der Tierärzte einschränkt, dann werden die Tiere offenbar gesünder, denn sie brauchen nicht mehr so viele Pillen. Das ist interessant und führt zu der Frage, ob die Medikamente allein für die Gesundheit der Tiere verschreiben werden.

    Gewinnbeschränkungen, das war die Peitsche für die dänischen Tierärzte, es gab aber auch Zuckerbrot. Die Veterinäre können inzwischen mit den Bauern Beraterverträge abschließen. Sie kommen dann nicht erst auf den Hof, wenn eine Krankheit ausgebrochen ist, sondern klären mit den Landwirten kontinuierlich alle Fragen um Tiergesundheit, Hygiene und Futter. So kommt es, dass sich eine dänische Kuh mit nur einem Viertel der Antibiotika wohl fühlt, die ihre Artgenossen in Großbritannien, Spanien oder Griechenland bekommen. Deutschland liegt in dieser Statistik im Mittelfeld, es gibt also noch Spielraum, damit auch hierzulande Tier und Mensch in Zukunft mit weniger Antibiotika gesund bleiben können.