"Ein gute Wehr und Waffen"
Der epochale religiöse Nord-Süd-Konflikt und die Folgen für die Musik
Von Frieder Reinighaus
Er bedeutete eine der markanten Zäsuren in der Geschichte Europas: Jener primär durch Glaubensgründe motivierte gesellschaftliche Gärungsprozess, der vor 500 Jahren die deutschsprachigen Lande elektrisierte und dann, auch aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, eskalierte. Die Publikation von Thesen eines Wittenberger Theologen wurde als Zeichen verstanden, einschneidende Veränderungen der römischen Kirche und insbesondere von deren Geldakquisition zu verlangen. Es folgten Forderungen nach grundsätzlichen Korrekturen des sozialen Gefüges und Aufruhr in Gottes Namen. Gelehrte Kritik stellte neue Methoden, Materialien, 'gute Wehr und Waffen' bereit in einem Prozess, der zu einer neuerlichen Spaltung der Christenheit führte: zu einer langen Reihe von Religionskriegen mit nachhaltigen politischen, sozialen und kulturellen Folgen. Nicht zuletzt auch für die Musik. Das religiös grundierte musikalische Schisma, überlagert von nationaler Feindschaft, erscheint als eines der zentralen Probleme der europäischen Musikgeschichte.
Der Reformationstag, der traditionell am 31. Oktober gefeiert, und mit dem heute das Luther- und Reformations-Gedenkjahr eröffnet wird, ist ein geeigneter Zeitpunkt, Genese und Reichweite eines 1517 anbrechenden musikalischen Nord-Süd-Konflikts in Erinnerung zu bringen.