Reinhard Jirgl liest aus seinem Roman "Oben das Feuer, unten der Berg" (1/3)
(2. Lesung am 23.12.15)
Über 15 Jahre hat er in der DDR für die Schublade schreiben müssen: Reinhard Jirgl, geboren 1953 in Ostberlin, dessen erstes Buch erst 1990 erscheinen. Das Romanwerk Reinhard Jirgls zählt stilistisch zu den beeindruckendsten, thematisch zu den vielschichtigsten und intellektuell zu den anregendsten der deutschen Gegenwartsliteratur. Das neue Werk des Büchnerpreisträgers 2010 trägt einen vom altchinesischen Orakelbuch I Ging inspirierten Titel: "Oben das Feuer, unten der Berg". Der Roman geht von einem faszinierenden Gedankenspiel aus: Die vielfach plakatierte politische Wende in Deutschland fand in dieser Weise niemals statt, auch keine 'friedliche Revolution' auf dem Gebiet der DDR. Vielmehr geschah ein 'Großer bürokratischer Umbau';eine Verwaltungsmaßnahme, kein Grund zum Pathos. Vom Staatsgebiet der DDR aus operierte im Geheimen über Jahrzehnte hinweg eine Organisation, die KOZERO GmbH (Kommerzielle Zersetzung der Opposition), die für Devisen von Auftraggebern aus aller Welt Mordaufträge entgegennahm und ausführte. Im Vollzug des Großen bürokratischen Umbaus wurde diese Organisation zwar aufgelöst, doch die Besten dieser Agenten arbeiten seither auf eigene Faust … An einem Oktobertag des Jahres 2012 meldet ein alter Mann seine Adoptivtochter als vermisst. Wie hängt das mit der Raumstation 'Neue Arche' zusammen, die für den Fall des atomaren Konflikts auf Erden als Zufluchtsort für die jeweiligen Staats- und Militärführungen gedacht war?