Friedrich Christian Delius liest aus seinem neuen Roman "Die Liebesgeschichtenerzählerin" (2/2)
Mit eingreifenden politischen Texten wurde F.C. Delius, wie er sich damals nannte, in den 60er-Jahren der Bundesrepublik bekannt. Seit dieser Zeit hat er sich nach und nach zu einem genuinen Erzähler gewandelt, der durchaus politische und zeitgeschichtliche Stoffe bewegt, aber sie nicht von einer außerliterarischen Absicht prägen lässt. Die Beschäftigung mit der Geschichte der eigenen Familie hat ihm auf diesem Weg sehr geholfen.
Delius´ neues Buch "Die Liebesgeschichtenerzählerin" erzählt von einer Frau, die, für ein paar Tage frei von Pflichten, Mann und Kindern, im Januar 1969 von Den Haag über Amsterdam nach Frankfurt fährt. Drei Liebesgeschichten aus den Zeiten der Kriege und Niederlagen gehen ihr durch den Kopf: ihre eigene, die ihrer Eltern, die einer Vorfahrin während der napoleonischen Kriege. Davon möchte sie erzählen, aber die Geschichten und Leben verflechten sich immer mehr: ein König, der die modernen Niederlande aufbaut; seine uneheliche Tochter, die in eine mecklenburgische Adelsfamilie gezwungen wird; ihr Urenkel, der als kaiserlicher U-Boot-Kapitän die roten Matrosen von Kiel überlistet, seiner schwarzen Seele entkommen möchte und zum Volksprediger wird; seine Tochter - die reisende Erzählerin selbst -, die ein gutes deutsches Mädel und trotzdem gegen die Nazis sein wollte und nun im Schreiben Befreiung sucht neben einem Mann, lächelnder Gutsbesitzerssohn und Spätheimkehrer, der sich allmählich von ihr entfernt. Auch diesem neuen Roman von Friedrich Christian Delius liegt die bewegte Geschichte seiner eigenen Familie zugrunde. Er erzählt die Reise einer Frau zwischen Scheveningen, Heiligendamm und deutschem Rhein, eine Reise von fünf Tagen und durch ein ganzes Jahrhundert.
Friedrich Christian Delius, geboren 1943 in Rom, in Hessen aufgewachsen, lebt seit 1963 in Berlin. Seine Werkausgabe im Rowohlt Taschenbuch Verlag umfasst bislang 18 Bände. Friedrich Christian Delius wurde unter anderem mit dem Fontane-Preis, dem Joseph-Breitbach-Preis und 2011 mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt. Er liest selbst einen zweiten Teil aus seiner "Liebesgeschichtenerzählerin". Zuvor führt Friedrich Christian Delius kurz in seinem Roman ein.