Wissenschaft im Brennpunkt
Lea ist Leo
Vom Streit um transidente Kinder
Von Lydia Heller
Beratungsstellen registrieren immer mehr und immer jüngere Kinder, die sich nicht ihrem natürlichen Geschlecht zugehörig fühlen. Doch was sollen sie raten? Wie schnell sollen Eltern reagieren, vor allem mit irreversiblen Eingriffen? Während der Bedarf an belastbaren Studien wächst, ist noch nicht einmal die Grundsatzfrage geklärt: Handelt es sich bei Transidentität um eine Krankheit, eine Störung oder einfach um eine andere, ganz normale Variante geschlechtlicher Entwicklung?
„Es gibt eine Fee“, sagte Karl eines Tages zu seiner Mutter, „die kann mich in ein echtes Mädchen verzaubern. Ich möchte lange Haare und eine Scheide haben.“ Da war sie etwas über vier Jahre alt. So wie Paula, als er begann, Penis-Baupläne für sich zu zeichnen. Nachdem die Eltern erklärt hatten, dass Paula ohne dieses Körperteil geboren wurde und es nicht einfach so wächst, wie Haare wachsen.
Transidentität bei Kindern und Jugendlichen, das berichten Kitas und Schulen, Beratungsstellen und Fachärzte, ist ein Thema, mit dem sie sich seit einigen Jahren verstärkt auseinandersetzen müssen. Die Zahl zum Teil sehr junger Menschen - bzw. deren Eltern - steigt, die bei ihnen Rat suchen, weil die Art und Weise, wie sie selbst oder ihre Kinder sich fühlen und verhalten, nicht im Einklang steht mit dem Geschlecht, das ihnen, den Kindern, bei der Geburt zugewiesen wurde.
Eine Herausforderung, aus klinischer, ethischer und gesellschaftlicher Sicht zugleich - und es wird kontrovers und hitzig darüber gestritten, wie man diese Kinder "richtig" begleitet, wie man ihnen am besten hilft, sich physisch und psychisch gesund zu entwickeln. Ist es zum Beispiel richtig, wie einige Mediziner und Therapeuten empfehlen, mit Medikamenten die urpsrünglich angelegte körperliche Entwicklung während der Pubertät zu unterdrücken und die gewünschte Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale zu induzieren? Oder ist es besser, die Kinder die Pubertät durchleben zu lassen und sie dabei psychotherapeutisch zu begleiten? Weil sich, wie andere meinen, eine geschlechtliche Identität erst in dieser Zeit maßgeblich herausbildet und die Möglichkeit besteht, dass diese dann doch mit dem Körper übereinstimmt? Lässt sich prognostizieren, welche Behandlung für wen die richtige ist und wenn ja, anhand welcher Kriterien?
Nicht zuletzt: Ist es ethisch gerechtfertigt, die körperliche Geschlechtsentwicklung mit Behandlungen irreversibel zu beeinflussen? Welche Rolle spielen Geschlechter-Normen und -Stereotype? Und: Wie verlässlich lässt sich Transidentität bei Kindern überhaupt erkennen?