Thomas Hettche liest aus „Herzfaden. Roman der Augsburger Puppenkiste“ (2/2)
Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im Zweiten Weltkrieg, als Walter Oehmichen, Dramaturg des Augsburger Stadttheaters, in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut. In der Bombennacht 1944 verbrennt es zu Schutt und Asche. Der Roman „Herzfaden“ von Thomas Hettche erzählt von der Kraft der Fantasie in dunkler Zeit und von der Wiedergeburt dieses Theaters. Nach dem Krieg gibt Walters Tochter Hatü in der Augsburger Puppenkiste Waisenkindern wie dem Urmel und kleinen Helden wie Kalle Wirsch ein Gesicht. Die Augsburger Puppenkiste wurde zum Kernbestand der deutschen Nachkriegskultur, seit in der ersten TV-Serie im westdeutschen Fernsehen erstmals Jim Knopf auf den Bildschirmen erschien.
Thomas Hettche, 1964 bei Gießen geboren, gehört seit 1989, seit seinem Debüt „Ludwig muß sterben“, zu den stets überraschenden literarischen Stimmen dieses Landes. Als Essayist, aber vor allem als Romancier. „Der Fall Arbogast“ wurde in 13 Sprachen übersetzt, sein Bestseller „Pfaueninsel“, der die atmosphärische Geschichte einer Kleinwüchsigen im Preußen des 19. Jahrhunderts erzählt, wurde mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis des Deutschlandfunks ausgezeichnet. Sein jüngster Roman „Herzfaden“ stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Aus diesem Buch wird Thomas Hettche einen zweiten und letzten Teil vorlesen.