Michael Wildenhain liest aus "Das Lächeln der Alligatoren" (2/2)
Für den jungen Matthias ist die ältere Marta alles, seitdem er sie zum ersten Mal sah: seine größte Liebe und später gleichzeitig seine schlimmste Feindin. Michael Wildenhains neuer Roman "Das Lächerln der Alligatoren" über Liebe, Familie und Verra stellt die Frage nach der Macht von politischen Überzeugungen und dem Sinn moralischen Handelns.
Eher unfreiwillig verbringt Matthias seine Sommerferien auf Sylt. Er besucht seinen jüngeren Bruder, der dort in einem Heim lebt und mit niemandem spricht. Doch der Urlaub nimmt eine unerwartete Wendung, als Matthias die Betreuerin seines Bruders kennenlernt und sich in sie verliebt. Marta allerdings nimmt ihn zunächst nicht wahr. Erst als sie sich Jahre später an einer Berliner Universität wiedertreffen, kommt Matthias seiner Jugendliebe nahe. Sie führt ihn in Studentenkreise ein, die einer radikalen Gruppierung angehören. Matthias lässt sich auf Marta und ihre Überzeugungen ein, ignoriert Vorzeichen und widerstreitende Gefühle. Was Martas Absichten sind, wird ihm erst klar, als es zu spät ist.
Michael Wildenhain entwickelt langsam, in intensiven Bildern das Verhältnis des Jugendlichen zu seinem schwerstbehinderten jüngeren Bruder, der in einem AWO-Heim dahindämmert. Dazu erste Liebe, Möwengeschrei und eine schwerkranke Mutter. Dann nimmt der gerne in den Zeiten springende Roman eine Wende ins Berlin der 70er-Jahre, in die Radikalisierungsmilieus an Unis und in WGs. Der Roman wird handlungsstark, baut kurze Spannungsbögen. Jetzt kommt der versierte Romankonstrukteur zum Zug und verbindet überzeugend alle Fäden der frühen Pathologie mit einer Geschichte der Revolte.
Michael Wildenhain ist 1958 in Berlin geboren, wo er auch heute lebt. Nach einem Wirtschaftsingenieur- und Philosophiestudium engagierte er sich in der Hausbesetzerszene - Stoff u.a. für seine ersten literarischen Veröffentlichungen: "Die kalte Haut der Stadt", "Heimlich, still und leise", "Erste Liebe Deutscher Herbst". Wildenhain schrieb mehrere Theaterstücke. Mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Ernst-Willner-Preis, dem Stipendium der Villa Massimo sowie dem London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds. Zuletzt sind von ihm die Romane "Russisch Brot" und "Träumer des Absoluten" erschienen, zudem ein Auswahlband seiner Theaterstücke. Michael Wilddenhain liest nun selbst einen ersten Ausschnitt aus seinem Roman "Das Lächeln der Alligatoren".