"Wo kommen Sie denn her?"
Über sprachliche Besonderheiten und regionale Sprachklänge
Es diskutieren:
Ralph Dutli, 1954 in der Schweiz geboren, lebt in Heidelberg. Übersetzer aus dem Russischen, Französischen, Altfranzösischen, Provençalischen. Biograf Ossip Mandelstams. Veröffentlichungen von eigenen Gedichten, Essays und dem Roman "Soutines letzte Fahrt" 2013
Gertraud Klemm, 1971 in Wien geboren, lebt in Pfaffstätten, Niederösterreich. Ausgebildete Biologin, arbeitete als Gutachterin von Wasserqualität, seit 2005 Autorin und Schreibpädagogin. 2014 erschien ihr Roman "Herzmilch"
Lutz Seiler, 1963 in Gera geboren, leitet seit 1997 das Peter-Huchel-Haus in Wilhelmshorst, wurde als Lyriker bekannt. In den letzten Jahren als Erzähler und Romancier hervorgetreten, zuletzt mit dem Roman Kruso, für den er den Deutschen Buchpreis erhielt
Am Mikrofon: Hubert Winkels
Lange Zeit galten Regionalismen sprachlicher, folkloristischer, ethnischer Art in der Hochliteratur als eher unfein. Im Gegensatz dazu war der derbe, in Ort und Milieu verwurzelte Jargon aber oft ein Treibmittel der avantgardistischen Moderne, von Gerhart Hauptmann in Deutschland bis Louis-Ferdinand Céline in Frankreich, zwei willkürliche Beispiele.
In den letzten Jahren, so die Voraussetzung der Diskussion, haben sich die regionalen Verankerungen als starker selbstverständlicher Teil der Gegenwartsliteratur etabliert. Nicht nur in der Lyrik, die die sprachlichen, insbesondere phonetischen Besonderheiten genießt, auch in der erzählenden Prosa. Man ist durchaus stolz auf die spezielle Sprachmischung, die sich an bestimmten Orten und Zeiten ergibt.
Politisch gesehen hat dies auch mit der Idee eines "Europa der Regionen" zu tun; kulturell gibt es eine neue Bereitschaft, das Abgelegene, Spezifische und je Besondere wertzuschätzen, ebenso wie die Formen der Hybridisierung und der Kreolisierung, also der Durchdringung unterschiedlicher Sprachschichten in einem Text.
Wie das alles zusammenhängt wird im Gespräch erhellt durch drei Schriftsteller, deren Herkommen und deren Sinn für Orts- und Zeitbezüge befragt werden: Ralf Dutli (Schweiz, Italien, Deutschland), Gertraud Klemm (Niederösterreich) und Lutz Seiler (Thüringen, Hiddensee).
Die Podiumsdiskussion unter der Leitung von Hubert Winkels wurde aufgezeichnet im Rahmen der 'Langen Nacht' im Staatstheater Braunschweig aus Anlass der Verleihung des Wilhelm-Raabe-Literaturpreises am 1. November 2014.