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Projekt "Floating Piers" in Italien
Mit Christo und Setex übers Wasser wandeln

Nach drei Jahren Pause meldet sich Christo mit "Floating Piers" zurück. Ein gelbes Band schwimmt auf dem Lago D'Iseo und lässt Besucher übers Wasser gehen. Für das Großprojekt, das am Samstag eröffnet wird, setzte der Künstler auf textiles Know-how aus dem Münsterland.

Von Claudia Ullrich-Schiwon | 17.06.2016
    Menschen gehen am 17.06.2016 über orangefarbene, schwimmenden Stege im Rahmen des Projekts "The Floating Piers" von Christo auf dem Lago d'Iseo in Italien.
    Das Textilunternehmen Setex produzierte die Stoffbahnen für das Projekt "Floating Piers". (picture-alliance/dpa/Michael Kappeler)
    Stressige Monate liegen hinter der Belegschaft. Die 100.000 Quadratmeter Polyamidstoff wurden fristgerecht fertig und nach Italien verschickt. Der Christo-Auftrag für "The floating Piers" ist abgearbeitet. Jetzt herrscht wieder business as usual. Der Künstler ist ein treuer Kunde des Unternehmens. Denn schon der Stoff für die Verhüllung des Reichstags wurde 1995 im Münsterland produziert. Damals schon dabei war Theo Büscher, verantwortlich für den Bereich technische Textilien. Für Christos Installationen zu fertigen, sei immer ein Highlight, sagt er: "Ich bin froh, dass wir auch das vierte Projekt machen, und das zeigt ja auch, dass wir nicht schlecht waren, sondern wir waren doch ganz gut."
    Christo ist ein treuer Kunde
    Das Firmengelände der Setex-Textil GmbH liegt am Rande der Stadt Greven. Nach der Einfahrt auf das Werksgelände steuert man auf ein modernes, schlichtes, einstöckiges Verwaltungsgebäude zu. Das Unternehmen ist ein textiles Multitalent, das drei völlig verschiedene Produktgruppen bedient, erklärt Geschäftsführer Heiko Wehner. Die Aufträge von Christo gehörten hier dem Bereich technische Textilien an, erklärt Wehner: "Das gesamte Produktionsvolumen dieses Bereichs technische Textilien liegt bei 700 Tonnen im Jahr. Im Vergleich dazu für Christo: 20 Tonnen."
    Ein Polyamidgewebe in der Produktionshalle der Firma Setex.
    Christo ist seit Jahren Kunde der Firma Setex in Greven. (Sputnik-Agentur/Setex Textil)
    Von der Verbindung Kunst und Technik kann das Unternehmen also natürlich nicht leben. Neben der technischen Sparte produziert Setex auch hochwertige Stoffe für Herrenmode sowie Heimtextilien, listet der Geschäftsführer auf: "Was im Besonderen Inlett-Stoffe und Matratzenbezüge sind, und die dritte Gruppe der technischen Textilien stellt Textilien für die Heizfiltration, Gasfiltration für Automobile her. Dieser ist ein Wachstumsmarkt, sodass wir im letzten Jahr 12 Prozent Umsatzsteigerung generieren konnten. Das wird in Zukunft das größte Geschäftsfeld der Setex.Textil Greven darstellen."
    In der Halle reiht sich Webstuhl an Webstuhl
    Das bedeutet mehr Umsatz, und das Unternehmen rechnet in diesem Geschäftsjahr mit einer Steigerung auf 42 Millionen. Diese, fast möchte man sagen, bunte Mischung ist Setex-Textil 2013 durch die Übernahme von zwei Traditionsunternehmen gelungen - Anton Cramer, Greven und der Firma Schilgen, Emsdetten. Hier in Greven noch in den alten Hallen von Cramer steht Webstuhl an Webstuhl. Hier wird auf einer Breite von 5,40 Metern zum Beispiel beschichtetes Polyestergewebe produziert. Inmitten der lärmenden Maschinen erklärt Theo Büscher: "Da können Lkw-Planen von hergestellt werden, oder es wird anschließend bedruckt für Werbetafeln usw."
    Ein sehr festes, fast weißes richtig schönes Gewebe. Eine Halle weiter liegen neben- und aufeinander geschichtet Stoffrollen auf Stoffrollen. Theo Büscher betont: "Das ist alles produziert, das ist alles verkaufte Ware. Wir fertigen hier nur nach Auftrag."
    Die synthetischen Garne kommen zum Teil aus Deutschland, werden aber auch in Asien, zum Beispiel in China oder Korea eingekauft. In den Hallen sind nur wenige Mitarbeiter zu sehen. Wenige? Theo Büscher sieht das anders: "Hier bei uns sind noch viele, wenn sie heutzutage hochmoderne Webereien sehen, da finden sie keine Leute."
    Für Christo kam nur Dahliengelb in Frage
    Der Künstler Christo in seinem Atelier in New York
    Der Künstler Christo in seinem Atelier in New York ( picture alliance / dpa / Chris Melzer)
    In einer weiteren staubfreien Halle werden besondere technisch hochanspruchsvolle Gewebe, unter anderem das für Christo, gefertigt. "Das ist die Maschine, wo Christo läuft, " stellt Büscher klar, der seit über 40 Jahren im Geschäft ist und sich erinnert: "
    Der Reichstag war ein Polypropylen-Gewebe mit Alu bedampft, also silberfarben und jetzt ist es ein Polyamid-Gewebe in Dahliengelb gefärbt."
    Für Christo kam diesmal nur Dahliengelb infrage. Textilexperte Büscher weiß, womit er beim Künstler zu rechnen hat: "Das ist auch so ein Faible von dem Herrn Christo. Wir haben ihm vorgeschlagen, spinndüsengefärbte Garne zu nehmen, weil das günstiger ist als garngefärbte. Aber nein, es muss garngefärbt sein, wegen der Brillanz und wegen des Glanzes, auch wenn es ein paar Euro teurer ist, spielt keine Rolle. Er hat eine genaue Vorstellung, so muss es aussehen und nicht anders, zack."
    Ein eingespieltes Team
    Die Zusammenarbeit sei eingespielt, und es bedürfe keiner langen Absprachen mit Christo, sagt Büscher. In Greven kenne man sein Geschmack und seine Ansprüche.
    Die Anfänge der Zusammenarbeit liegen bei der Mutterfirma Schilgen, die sich auf technische Gewebe spezialisiert hatte. Theo Büscher erzählt, dass der damalige Firmeninhaber Stefan Schilgen auf der Documenta in den 90er-Jahren Zeichnungen von Christo gesehen habe, begeistert war und unbedingt Stoffe für ihn produzieren wollte. In einem Brief nach New York – "Sehr geehrter Herr Christo…" – beschrieb er seine Produkte und bekam Antwort. Er flog hin, und so fing alles mit der Reichstagsverhüllung an, erinnert sich Theo Büscher.
    Das zweite gemeinsame Projekt waren die verhüllten Bäume in Riehen bei Basel. Aber zunächst gab es einen Probelauf, erzählt Theo Büscher: "Da haben wir bei Stefan Schilgen im Garten mit Christo und Jeanne Claude zwei Kirschbäume verhüllt. Da haben wir getestet, ob das klappt ja oder nein. Das war ganz familiär, das war richtig locker."
    Die exklusive Zusammenarbeit mit Christo ist für die Firma Setex eine gute PR, sagt Geschäftsführer Heiko Wehner: "Was sich in der Branche herumgesprochen hat, ist, dass wir hier in der Lage sind, Stoffe bis 5 Meter 40 Breite zu weben. Basierend basierend auf dieser Information sind einige Kunden auf uns zu gekommen."
    Ist Theo Büscher vorbereitet für den Fall, dass der Stoff reißt oder etwas anderes bei der Montage passiert vor Ort, morgen am Iseo See? Die Frage stellt sich nicht für den Textilexperten: "Nein, das hält. Da sind wir sicher!"