Donnerstag, 28. März 2024

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Projekt "Rent a teacherman"
Mehr Männer für Bremens Grundschulen

Nach all den Debatten um die Frauenförderung, hier ein Vorstoß in eine andere Richtung: Der Bremer Pädagoge Christoph Fantini will mehr Männer fürs Lehramt. Dort liegt der Männeranteil am Lehrpersonal bislang bei weniger als 15 Prozent. Noch immer stehen einige Vorurteile im Weg.

Von Franziska Rattei | 09.01.2015
    André El-Seoud mit Kindern der Grundschule am Osterhop in Bremen-Hemelingen.
    André El-Seoud mit Kindern der Grundschule am Osterhop in Bremen-Hemelingen. (Deutschlandradio / Franziska Rattei)
    Die allermeisten Grundschulkinder in Deutschland werden von weiblichen Lehrkräften unterrichtet. Der Männer-Anteil des Lehrpersonals liegt bei weniger als 15 Prozent. Deshalb hat der Bremer Pädagoge Christoph Fantini das Projekt „rent a teacherman" ins Leben gerufen. Seit drei Jahren vermittelt er angehende LehrER an männerlose Grundschulen. Unsere Landeskorrespondentin Franziska Rattei hat mit dem Initiator des Projektes gesprochen und sich auch angesehen, wie es in der Praxis funktioniert.
    André El-Seoud hat sein Lehramtsstudium noch nicht ganz abgeschlossen, aber er übt seinen zukünftigen Beruf trotzdem schon aus. In der Bremer Grundschule am Osterhop hilft er regelmäßig als Vertretungslehrer aus.
    Die 3a kommt gerade aus der Pause zurück ins Klassenzimmer. Bald sind die 20 Acht- und Neunjährigen wieder konzentriert bei der Arbeit. Mathematik-Übungsblätter. André El-Seoud mittendrin.
    "Wie viel sind sechs mal drei?" – "19." – "Nee." – "Oh." – "Das weißt du! sechs plus sechs?" – "12." – "Plus nochmal sechs".
    An jeder vierten Grundschule unterrichtet kein Mann
    Männliche Lehrkräfte in Grundschulen sind Mangelware. Allein in Bremen gibt es 17 (von 74), an denen kein einziger Mann unterrichtet. In der Grundschule am Osterhop war das auch so. Bis André El-Seoud vor drei Jahren hier ankam. Der erste Mann. Die Drittklässlerin Dilara Swiatek kann sich noch gut daran erinnern. Damals fand sie es ein bisschen komisch, aber inzwischen meint sie:
    "Also ich würde es schön finden, wenn mehr Männer hier wären. Männer haben einen anderen Charakter als Frauen. Auf jeden Fall: Jungs und Mädchen hier in der Klasse haben einen ganz anderen Charakter."
    Für die Achtjährige eine Selbstverständlichkeit, für das Bildungssystem eine Herausforderung. Schließlich ist nur jede zehnte Lehrkraft ein Mann. Sabine Henrich, die Schulleiterin der Grundschule am Osterhop, bemüht sich trotzdem, auch männliche Lehrkräfte zu beschäftigen.
    "Männer und Frauen gehen im Alltag teilweise unterschiedlich mit Situationen um oder finden andere Lösungen für bestimmte Probleme. Und Kinder müssen verschiedene Rollenmodelle und Rollenvorbilder haben oder auch verschiedene Lösungsansätze kennenlernen, und insofern finde ich das wichtig, dass die Kinder da auch ein vollständiges Bild bekommen."
    Jungs hören Männern oft anders zu als Frauen, sagt die Schulleiterin. Und manche Fragen mögen sie Frauen auch einfach nicht stellen; im Sexualkunde-Unterricht in der dritten und vierten Klasse etwa. Von diesem Problem hat Christoph Fantini schon oft gehört, und die Unter-Repräsentanz der männlichen Lehrkräfte hat weitere Folgen, sagt der Erziehungswissenschaftler der Bremer Uni.
    "Der entscheidende Punkt ist, dass ihnen fehlt zu sehen, dass Männer sich auch um jüngere Kinder gut kümmern können. Die Kinder entwickeln Fantasien, dass es einfach nicht männlich ist."
    Männliche Lehrer werden mit "Frau Soundso" angeredet
    Die wenigen männlichen Lehrkräfte, die Fantini mit ausbildet, sprechen die Grundschulkinder oft mit "Frau Soundso" an - obwohl sie Männer sind. So ein Versehen lässt tief blicken, meint Fantini. Deshalb setzt er sich seit Jahren für mehr Männer in Grundschulen ein. "Rent a teacherman" ist das Motto – "leih dir einen Lehrer aus". Zehn Stunden pro Monat helfen Fantinis "teachermen" dann mit; im Unterricht, in Arbeitsgruppen am Nachmittag oder bei der Hausaufgabenbetreuung. Die Honorare der "teachermen" zahlt die Bildungsbehörde, und seit Kurzem gibt auch der Verein "Stadtteilschule" Geld für Vertretungslehrer aus. André El-Seoud ist einer von ihnen - ein überzeugter Lehrer.
    "Ich hab großes Interesse mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Und ich finde es sehr, sehr wichtig."
    Aber der 30-Jährige kennt die Vorurteile seiner Kommilitonen. Manche schreckt das niedrige Grundschullehrer-Gehalt ab: im Monat rund 3.000 Euro brutto. Gymnasiallehrer bekommen schon beim Einstiegsgehalt rund 500 Euro mehr. Und haben Aufstiegschancen. Außerdem:
    "Grundschule – da denken viele: Man sitzt den ganzen Tag in einem bunten Klassenzimmer und bastelt. Das ist nicht so. Viele haben auch einfach kein Interesse an der Altersgruppe zwischen sieben und zehn bis elf Jahre. Die schreien zu viel, die sind zu laut – das wird dann oft gesagt."
    Manche Lehramtsstudenten denken auch, dass sie das niedrige fachliche Niveau in der Grundschule unterfordern könnte. Die sollen einfach mal gucken kommen, meint der 30-Jährige. Denn aus eigener Erfahrung weiß er: Die Arbeit in der Grundschule kann auch Männern viel Spaß machen.