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"Inside Islam"
Moscheen in der Kritik

Der ARD-Journalist Constantin Schreiber war in dreizehn Moscheegemeinden in Deutschland. Er hat Predigten gehört und mit Imamen gesprochen. Sein Befund: Die Predigten unterminieren alle Bemühungen um Integration.

Von Marie Wildermann | 31.03.2017
    Constantin Schreiber bei der Vorstellung seines Buches "Inside Islam"
    Constantin Schreiber bei der Vorstellung seines Buches "Inside Islam" (picture-alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Ungefähr zwanzig Moscheegemeinden hat er im letzten und vorletzten Jahr besucht, sagt Constantin Schreiber, die Auswahl sei eher zufällig gewesen:
    "Ich hab zunächst überlegt, welche Moscheen kenne ich denn. Die, die im Stadtbild erkennbar sind, die haben eine Kuppel, ein Minarett, da fielen mir ein paar ein. Da hört es dann aber auch schon auf. Da musste ich dann Leute fragen, das heißt syrische Flüchtlinge oder muslimische Kollegen, wo geht ihr denn hin zum Gebet? Dann haben die gesagt, naja, hinterm Penny im Wedding in der ersten Etage, da gibt’s n Gebetsraum oder in der Tiefgarage in St. Georg. Also da musste man sich schon ganz schön durchfragen. Ich hatte mir nur grundsätzlich vorgenommen, nicht in bekannte Extremistentreffs zu gehen, weil ich eben nicht das Extreme suchte, sondern ich wollte wissen, was höre ich denn in einer normalen Moschee in Deutschland."
    Was er als normale Moscheegemeinde bezeichnet, präzisiert er nicht. Das, was er hörte, alarmiert ihn: Die Predigten waren nicht nur konservativ, sondern sie untergraben seiner Ansicht nach alle staatlichen Bemühungen um Demokratie, Gleichberechtigung und Integration. Die Gläubigen werden ermahnt, die islamischen Werte zu leben, sie sollen sich von der sündigen Welt da draußen fernhalten. Wer sich nicht an islamische Regeln halte, dem drohten Höllenstrafe im Jenseits.
    "Dann hieß es in einer anderen Moschee, ihr könnt nicht Muslime und Demokraten sein, ihr könnt nicht Muslime und Humanisten sein, es kann nicht etwas geben, was süß und bitter zugleich ist."
    Und auf die Frage, welches Bild von Deutschland vermittelt wurde, sagt Schreiber:
    "Es kam eben ganz häufig gar nicht vor, die Welt vor der Tür fand nicht statt. Und wenn, dann eher in einem negativen Zusammenhang, dann wurde gesagt, Deutschland will euch auslöschen, wie kann man da glaubensfest sein, ihr müsst eure Gottesfurcht bewahren und auch eure Kinder so erziehen."
    Schreiber war in arabischen und türkischen Moscheen unterwegs. Einige türkische DITIB-Imame, die von der türkischen Regierung ausgebildet und bezahlt werden, sprachen abfällig über religiöse Minderheiten.
    "Immer stand das Trennende im Vordergrund"
    "Da wurde gegen Juden, Armenier und Jesiden gehetzt. Und als ich da tatsächlich die Gelegenheit hatte mit dem Imam – es war ein türkischer Imam – zu sprechen, begründete er das auch noch ganz selbstverständlich: Jesiden seien für ihn Symbole der Barbarei, kein Mensch auf der Welt solle sich wie ein Jeside verhalten und es solle auch nirgendwo Jesiden geben."
    Alle türkischen Predigten waren politisch, sagt Constantin Schreiber, es ging fast immer um die ideologische und religiöse Unterstützung der türkischen Regierung - besonders auffällig nach dem Putschversuch in der Türkei. Die Freitagspredigt aus der entsprechenden Woche ist gespickt mit Begriffen wie "unsere Nation", "unser Glaube", unsere Heimat" - gemeint ist die Türkei - während gleichzeitig dafür gebetet wurde, dass Gottes Rache die erklärten Feinde der Nation – die Gülen-Bewegung – treffen möge.
    "Mich hat es enttäuscht und erschrocken zurückgelassen. Ich hatte schon erwartet, dass es auch n bisschen Bezug nehmen würde auf das reelle Leben der Muslime in Deutschland. Wir erinnern uns, im Jahr 2016 hat es da mannigfache Anknüpfungspunkte gegeben, die Flüchtlingskrise, so viele Deutsche, die sich für arabische, islamische Flüchtlinge eingesetzt haben, Terror, der sowohl Muslime als auch Christen oder Deutsche allgemein betroffen hat, also man hätte sehr, sehr Vieles finden können, um das Gemeinsame zu betonen, um auch Gemeinsamkeiten vielleicht mal herauszuarbeiten, aber es war in allen Predigten immer das Trennende, was im Vordergrund stand. Und das fand ich sehr schade und ich glaube, darüber muss man tatsächlich mal drüber diskutieren, ob das für das Zusammenleben so gut ist."
    Dabei hätten die Imame selbst ein ganz anderes Bild von sich und ihrer Arbeit
    "Ich habe, wenn ich mit den Imamen sprechen konnte, auch immer die Frage gestellt, Denken Sie, dass Ihre Moschee ein Ort für Integration ist? Und es haben alle Imame interessanterweise gesagt, ja, unsere Moscheen sind Orte für Integration. Wenn ich dann aber zum Beispiel gefragt habe, wie lange sind Sie denn in Deutschland, dann habe ich zu hören bekommen, neun, elf oder vierzehn Jahre, dann habe ich gefragt, sprechen Sie Deutsch? Nein."
    Integration heißt für konservative Muslime Integration in die muslimische community, nicht in die deutsche Gesellschaft, darauf weisen Soziologen wie Necla Kelek schon seit langem hin. Politische Konsequenzen haben diese Erkenntnisse bislang nicht. Im Gegenteil: Die Bundesregierung betrachtet die Moscheegemeinden als besonders geeignete Integrationslotsen.
    Constantin Schreiber will mit seinen Reportagen auf Missstände hinweisen, betont aber auch, dass seine Untersuchung kein umfassendes Bild biete, sondern Tendenzen aufzeige. Um festzustellen, welche Rolle die Gemeinden für die Integration spielen und ob Schreibers Beobachtungen repräsentativ sind für die mehr als 2000 Moscheegemeinden in Deutschland, wäre eine umfassende Studie notwendig. Zufällig ausgewählte Objekte für Reportagen können das nicht beantworten.
    Constantin Schreiber: Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird. Econ, Berlin 2017. 256 Seiten, 18 Euro.