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Promotionen
Schleichende Inflation einer Bestnote

Von der besonderen Auszeichnung zum Standard: Doktoranden erhalten für ihre Promotion immer häufiger die Bestnote "summa cum laude". In manchen Fächern sogar jeder zweite Kandidat. Professoren müssten sich inzwischen rechtfertigen, wenn sie nicht die Bestnote vergäben, so die Hochschulrektorenkonferenz.

05.08.2015
    Studenten sitzen bei der Abschlusszeremonie der HSBA Hamburg School of Business Administration in der Handelskammer in Hamburg.
    Doktoranden dürfen sich immer häufiger über ein "summa cum laude" freuen. (pa/dpa/Reinhardt)
    Der Anteil der Spitzennote bei Promotionen ist innerhalb von gut zehn Jahren in fast allen Fächern gestiegen. Das berichtet die "Süddeutschen Zeitung", die sich auf eine Datenbank des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) beruft. Bekamen etwa in Anglistik und Amerikanistik früher nur 21 Prozent der Promovierenden die Bestnote, seien es zuletzt 27 Prozent gewesen. In Architektur sei der Anteil von 11 auf 19 Prozent gestiegen, in Elektrotechnik von 22 auf 26 und in Verwaltungswissenschaften sogar von 22 auf 48 Prozent.
    Ausnahme bei Jura und Medizin
    Eine Ausnahme stellen dem Bericht zufolge die Fächer Jura und Medizin dar. In Humanmedizin lag der Anteil von "summa cum laude" der Datenbank zufolge zuletzt bei nur sieben Prozent.
    Experten des IFQ sagten der Zeitung, Noten verlören immer mehr an Wert. Dies gelte nicht nur für Promotionen. Schulen und Hochschulen insgesamt verschenkten ihre Definitionsmacht über Qualität. Es gebe aufgeweichte Bewertungsstandards und eine schleichende Noten-Inflation. Der Vize-Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Holger Burckhart, erklärte das im Gespräch mit der Zeitung so: "Professoren müssen sich heute für alles, was nicht summa ist, gleich rechtfertigen. Da gibt es Tendenzen, Konflikte zu vermeiden." Zudem gebe es an den Fakultäten oft ein Wohlwollen, dass man den Karrieren der Nachwuchswissenschaftler nicht im Weg stehen wolle.
    HRK ermahnt Professoren
    Der HRK-Funktionär, der Rektor der Universität Siegen ist, forderte seine Kollegen auf, Spitzennoten wirklich für Spitzenleistungen zu vergeben. "Wir müssen das gesamte Spektrum ausschöpfen und wertschätzen." Allerdings könnten Arbeiten tatsächlich auch besser geworden sein, räumte er ein. Es seien viele professionelle Doktoranden-Kollegs entstanden.
    Nach dem Bericht gibt es auch regional enorme Unterschiede bei den Promotionsnoten. In Braunschweig hatten 15 Prozent der Chemiker die lateinische Lobesformel erhalten, in Chemnitz 32, in Frankfurt am Main 54. Bei den Philosophen freuten sich in Tübingen nicht mal 20 Prozent darüber, in Siegen jeder zweite, in Köln 69 Prozent. Von einem einheitlichen Maßstab bei der Bewertung könne keine Rede sein, kritisierte das IFQ. An den Noten lasse sich die Qualität der Arbeiten kaum noch ablesen.
    (fwa/stfr)