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Propagandisten Luthers
Lukas Cranach, der Ältere und der Jüngere

Lukas Cranach der Ältere war einer der bedeutendsten deutschen Maler in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Bekannt sind vor allem seine Porträts der Reformatoren. 1550 übernahm sein Sohn Lukas, dessen 500. Geburtsjahr in diesem Jahr gefeiert wird, die Werkstatt seines Vaters.

Von Blanka Weber | 24.03.2015
    Das Bild "Venus und Amor als Honigdieb" von Lucas Cranach dem Älteren untersuchen Expertinnen des Städel-Museums in Frankfurt am Dienstag (20.11.2007).
    Zum 500. Geburtsjaht beschäftigen sich einige Ausstellungen, mit der Frage, wie es den Cranachs gelang, den Siegeszug der Reformation in entscheidender Weise zu beeinflussen. (picture alliance / dpa / Foto: Boris Roessler)
    "Man darf sich nicht denken, dass Cranach alle Bilder eigenhändig gemalt hatte."
    Benjamin Spira ist einer der Kuratoren der Ausstellung, die Ende März auf Schloss Friedenstein in Gotha eröffnet wird.
    "Cranach hatte eine sehr große Werkstatt. Man kann davon ausgehen, dass zeitweise bestimmt 15 Mitarbeiter da waren."
    Genau das erkläre auch die Menge der Bilder, der Porträts und der Altarbilder. Es geht um einen der faszinierendsten Maler der Zeit, der nicht nur das Handwerk beherrschte, sondern auch das Marketing und der Unternehmergeist besaß.
    "Er hatte eigene Gesellen zum Farben an mischen, eigene Gesellen, die die Umrisse, die Cranach vorgezeichnet hat, dann in die Malerei umgesetzt haben. Und man weiß gerade bei diesen kleinen Täfelchen bei Friedrich dem Weisen und Johann dem Beständigen, da hat sich ein Auftrag des Hofes erhalten, das Cranach 60 Tafeln auf einmal machen musste."
    Universität gegründet und Papst angegriffen
    Es sind Porträts mit auffallend schlicht gestaltetem, leuchtend türkisfarbenem Hintergrund. Untypisch für diese Zeit. Allein den filigran, sanft und sinnlich Porträtierten – in dem Fall Luther und seiner Frau Katharina, gehört die Aufmerksamkeit des Betrachters. Es sind kleine Tafeln, die man damals als diplomatische Geschenke an andere Höfe gab. So wie die Porträts des Kurfürsten, die zusätzlich mit Text und damit mit Botschaften kombiniert wurden, sagt Benjamin Spira:
    "Es wird nicht nur versucht das Bild der Fürsten zu vermitteln, sondern es wird auch versucht mit der Inschrift einen Tatenbericht zu zeigen. Man wollte nicht nur zeigen, so sah der Kurfürst aus, sondern das hat er alles Tolles für sein Land gemacht."
    Zum Beispiel: Eine Universität gegründet und den Papst angegriffen hat - wie im Fall von Friedrich dem Weisen. An den Inschriften war Martin Luther nicht ganz unbeteiligt, mehr noch, er diktierte manches Mal den Text. Das geht aus einer handschriftlichen Notiz hervor, erhalten in der Forschungsbibliothek Gotha. Das Zusammenspiel von Maler und Reformator kann damit belegt werden. Doch auch das Bild des Reformators wird von Cranach wie keinem anderen geprägt, gewissermaßen erhält er durch seine Pinselstriche ein Image, sagt Wolfgang Holler von der Klassik Stiftung in Weimar:
    "Also das erste Porträt des Cranach von Luther gemacht hat ist von 1520, dem gehen zwei bekannte Porträts anonymer Herkunft von Luther voraus, die in einem schlichten Sinne entstanden sind, die als Buchillustration gedacht waren. Aber das erste prägnante wirklich an der Person Luthers ausgerichtete Porträt, sicherlich aufgrund einer Vorzeichnung, einer Bildstudie von Cranach entstandene Porträt ist dieses, was Niederschlag gefunden hat in dem Kupferstich von 1520, das Luther als Augustinermönch zeigt."
    Das wohl bekannteste Bild ist jenes als "Junker Jörg" aus dem Jahr 1522. Es entstand nach seinem Thesenanschlag in Wittenberg und dem 10-monatigen Aufenthalt auf der Wartburg. Das Bild manifestiert einen kritischen Punkt im Leben Luthers, so Wolfgang Holler, einerseits höchste Gefahr, andererseits höchste Kreativität.
    "Der Hintergrund ist ja, dass in der Porträttheorie der Zeit immer die Frage besteht, zeige ich das Innere des Menschen wie er wirklich ist, oder kann ich nur das Äußere zeigen. Und hier ist immer diese Balance zu versuchen, auf der einen Seite zu zeigen, so sah von außen aus, aber du musst um ihn wirklich kennen zu lernen natürlich seine Werke lesen und Cranach hat sich auf den Standpunkt gestellt, es geht mir erst mal darum zu zeigen, wie sah Luther aus? Wie ist er wiedererkennbar?"
    Spaltung der Kirche
    Als mit Luthers Thesenanschlag die Spaltung der Kirche einsetzt, war Lucas Cranach bereits 45 Jahre alt. In seinem Schaffen stand bis dahin die katholische Heilslehre im Mittelpunkt. Auf Altären in Kopenhagen, Kassel oder Gotha zeigte er das Streben der Gläubigen nach Erlösung. Erst in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts griff er verstärkt reformatorische Themen auf, zu sehen als markante Darstellung der "Kindersegnung" und als Bild der "Ehebrecherin". Seine Botschaft: Durch Gottes Gnade erlangt der Mensch Erlösung.
    Als Hauptwerk gilt das Bild: "Gesetz und Gnade" - Tafeln aus Prag und von 1529 aus Gotha werden nun in der Ausstellung auf dem Friedenstein zu sehen sein, so Benjamin Spira:
    "Der Besucher hat erstmals die Möglichkeit im direkten Vergleich beide Fassungen des 'Gesetz und Gnade'-Themas sich anzugucken, zu überlegen, welche Aussage Luther damit hatte und dann aber auch über druckgrafische Werke, die wir auch ausstellen, zu erkennen, welche Verbreitung die Fassung in Gotha und die Fassung in Prag gefunden hat."
    Die beiden Tafeln gelten als sogenannte 'Reformatorische Merkbilder' und entstanden in der unmittelbaren Zusammenarbeit zwischen Luther und Cranach. Mit den Tafeln "Gesetz und Gnade" soll der Sündenfall und das Gute darstellt werden. Zu sehen ist Moses am Bildboden mit den hebräisch geschriebenen Gesetzen Tafeln in seiner Hand. Der Mensch, so die Botschaft, soll die Gebote befolgen, Gott gefällig sein, ansonsten folgt die Hölle.
    Bekannteste Künstler der Renaissance
    Das Cranachjahr – es führt in 13 Städte. Ausstellungen in Kronach, der Geburtsstadt des Malers, in Coburg, Nürnberg, vor allem auch in Thüringen und in Sachsen-Anhalt widmen sich dem Thema. Es gilt einen Maler, seine Familie und Werkstatt ins Licht zu rücken, deren Werke auf etwa 5000 geschätzt werden und die maßgeblich die Zeit prägten. "Wege zu Cranach" heißt ein neuer Kultur-Reiseführer, der an authentische Orte in drei Bundesländern führt, so die Kunstwissenschaftlerin Elke Werner:
    "Dabei ist wichtig, Cranach den Älteren kennen ja sicherlich einige, aber es war eben eine ganze Familie, zwei Söhne, die noch dazu gehörten und diese sind eben neben Albrecht Dürer, gehören sie zu den bekanntesten Künstlern der Renaissance."
    Ob 'der Jüngere' Zeit seines Lebens im Schatten des Vaters stand, das lasse sich wissenschaftlich nicht genau sagen, so Elke Werner.
    "Cranach der Jüngere hat auf jeden Fall in einer sehr bewegten Zeit die Werkstatt übernommen und was unsere Forschung jetzt seit der großen Tagung, die wir im letzten Jahr in Wittenberg organisiert haben, an der 30 internationale Forscher aus verschiedenen Disziplinen teilgenommen haben, was wir seitdem an Wissen zusammen tragen zeigt, dass Cranach der Jüngere auch auf sehr hohem Niveau gearbeitet hat und es sind Meisterwerke von internationalem Rang entstanden."
    Dazu zählt unter anderem der große Altar in der Weimarer Herderkirche, ebenso sind Fürstenporträts der damaligen Zeit zu nennen. Es war dennoch eine politisch unruhige Zeit, als er ab 1550, drei Jahre vor dem Tod des Vaters, die Werkstatt in Wittenberg übernahm:
    "Und er hat als Erbe sehen müssen, wie er seine Werkstatt, seine Familie, auch Leib und Leben überhaupt hat sichern können. Er musste zum Teil vor der Pest fliehen, Wittenberg verlassen und kurzfristig in Weimar unterkommen. Er musste sich um seine Schwester kümmern, deren Ehemann hingerichtet wurde, weil er an einem Staatsstreich teilgenommen hat. Also das waren wirklich bewegte Zeiten und es ist ihm gelungen, das alles zu sichern."
    Luther stirbt 1546. Es ist dann bereits die Zeit der zweiten Reformation, 'der Wirren' der Reformation - so formuliert es die Kunstwissenschaftlerin.
    "Wo Politik und die Konfessionen, die sich noch weiter aufspalten auch in militärische Konflikte miteinander geraten. Und es gibt einmal die Luther- Anhänger, das sind die Ernestiner, die ihre Kurwürde verloren haben und aus Wittenberg ausziehen müssen, in Weimar eine neue Residenz aufbauen und es gibt die Anhänger Melanchthons, die in Dresden, die neuen Kurfürsten, die dort residieren."
    Geprägt vom gotischen Denken
    Auch Melanchthon hat Mitte des 16. Jahrhunderts wichtigen Einfluss auf die Kunst und das Schaffen Cranachs genommen und habe eng mit ihm zusammen gearbeitet, betonen Kunstwissenschaftler.
    Kunst ist immer in einem politischen Kontext entstanden, so die Kuratoren der "Wege zu Cranach". Das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Kunst, es wird vermutlich nochmals anders beleuchtet – zumindest für Cranach den Jüngeren.
    Für 'den Älteren' gilt, er ist an einer Wegscheide zwischen später Gotik und früher Renaissance einzuordnen. Seine Formvorstellung komme stark aus dem gotischen Denken, so Wolfgang Holler von der Klassik Stiftung Weimar:
    "Er ist ja nie in Italien gewesen, hat also mit der italienischen Renaissance, wenn man das so sagen darf, nichts am Sinn. Und da hat ihn oft in die Rolle gebracht, zu sagen, ja eigentlich ist Cranach gar kein innovativer Künstler, sondern eher ein retrospektiver. Wenn man aber seine Formerfindungen, seine Einfälle, die Vielfalt seines Schaffens, wo er überall tätig war, was er alles ausprobiert hat, sieht, dann muss man sagen, ist er einer der kreativsten, einfallsreichsten und produktivsten Künstler seiner Zeit. Und zum Beispiel das Verständnis eine Werkstatt aufzumachen, in der es nicht drum geht, das einzig wahre Meisterwerk zu schaffen, sondern einfach auch kommerziell Gesichtspunkten zu genügen, das ist etwas, was in der Zeit ganz neu ist."
    Der Gelehrtendisput nach Luthers Thesenanschlag 1517 kam für das Volk erst mit Cranachs Bildern in die Öffentlichkeit. Mit Holzschnitten und Flugblättern, unterstützt er so die Reformation und liefert: Propaganda. Denn nur die Oberschicht, etwa 10 Prozent der Menschen, konnte damals lesen. Luther erkannte in den letzten Lebensjahren: Es waren wohl neben den Schriften vor allem die Bilder, die dem Papst geschadet hätten.