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Prostituierten-Schutz-Gesetz
In die Illegalität gedrängt?

Schätzungen zufolge verdienen zwischen 60.000 und 200.000 Menschen in Deutschland ihr Geld mit Sexarbeit. Ende März soll das Bundeskabinett das sogenannte Prostituierten-Schutz-Gesetz verabschieden. Die schon bekannt gewordenen Entwürfe sorgen für Unruhe und Protest unter den betroffenen Frauen und Männern.

Von Axel Schröder | 03.03.2016
    Drei Männer gehen in Hamburg in ein Bordell auf der Reeperbahn. (06.01.2016)
    Drei Männer gehen in Hamburg in ein Bordell auf der Reeperbahn. (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
    Undine DeRiviere hat keine Probleme damit, über ihren Beruf zu reden. Anders als viele andere ihrer Kolleginnen geht sie sehr selbstbewusst damit um: "Ich bin selbstständige Sexarbeiterin seit jetzt etwas über zwanzig Jahren. Ich arbeite sehr viel im kreativen Erotikbereich, also Fetisch-, Rollenspiele. Mache aber beispielsweise auch Gangbang-Partys, von denen ja gerne behauptet wird, dass das kein Mensch freiwillig machen kann."
    Aber, so Undine DeRiviere, die Wünsche und Fantasie beim Sex sind nun mal sehr verschieden. Neben ihrem Beruf ist sie auch Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen. Das geplante Prostituierten-Schutz-Gesetz hält sie eher für ein Prostituierten-Kontroll-Gesetz. Noch hat das Bundeskabinett das Gesetz nicht beschlossen, noch stehen die Bundestagsdebatten darüber aus. Aus den bisher bekannten Entwürfen geht aber hervor, dass sich alle Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter registrieren lassen sollen.
    "Dieses Gesetz geht in die völlig falsche Richtung. Die Meldepflicht wird einen Großteil der Branche in die Illegalität treiben. Damit sind wir außerhalb des Rechtssystems. Das heißt, Kolleginnen, die sich nicht anmelden, aus gutem Grund nicht anmelden, weil sie ein Outing fürchten, werden dann auch weniger gewillt sein, Übergriffe anzuzeigen beispielsweise. Die Bordell-Konzessionierung - so, wie sie angedacht ist - wird uns in die Isolation treiben, weil es für kleine Zusammenschlüsse von Sexarbeitenden nicht möglich ist, solche Auflagen zu erfüllen."
    Das Aus für viele kleine Bordellbetriebe
    Auch wenn diese Auflagen auf den ersten Blick betrachtet durchaus Vorteile bringen würden. Nur in der Praxis, so Undine DeRiviere, ist es eben kaum möglich, in eine Zweizimmerwohnung auch noch ein dann vorgeschriebenes zweites Bad, eines für die Freier, eins für Prostituierte einzubauen. Zudem ist geplant, Bordellbetriebe nur noch in klar umgrenzten Gebieten zuzulassen. Diese Regelung würde für die vielen kleinen Bordellbetriebe, untergebracht in Wohnvierteln oder Innenstadtlagen das Aus bedeuten. - Gefahren berge aber die geplante Melde- und Beratungspflicht, so Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund. "Das heißt, dass es große Angst vor einem Outing gibt unter den Sexarbeiterinnen. Und viele, gerade die Frauen, haben Angst, dass ihre Kinder das wissen, was sie da machen. Und unter diesen Bedingungen eine Anmeldepflicht zu machen, das ist sehr gefährlich."
    Dann würden viele Prostituierte ihren Beruf unangemeldet ausüben, befürchtet auch Sibylle Homt, Sozialarbeiterin bei der Beratungsstelle für AIDS und sexuell übertragbare Infektionen im Dresdener Gesundheitsamt. "Da es in Dresden keine Fachberatungsstelle gibt, machen wir auch diese ganzen anderen Themen noch mit, wenn's darum geht: Suchtproblematiken oder Schuldenproblematik oder solche Sachen zumindest mitzubesprechen."
    "Das ganze Gesetz ist eine Katastrophe"
    Auch diese Angebote würden die betroffenen Frauen und Männer dann nicht mehr erreichen. - Neben dieser Kritik am Prostituierten-Schutz-Gesetz fand auf der Tagung nur ein Aspekt Zustimmung: Endlich würde eine bundeseinheitliche Regelung in Angriff. Bisher gelten in den Bundesländern ganz unterschiedliche Vorgaben im Umgang mit käuflichem Sex. Undine DeRiviere, Sexarbeiterin und Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, warnt allerdings davor, mit dem neuen Gesetz die derzeit in Bayern praktizierten Polizeikontrollen von Bordellbetrieben auf ganz Deutschland auszuweiten:
    "Die platzen in die Aktionen rein. Trennen die Leute voneinander und überprüfen die Personalien - was sie dürfen - und leuchten denn mal eben mit der Taschenlampe, ob auch der Bayerischen Kondom-Verordnung Genüge getan wird. Diese Verhältnisse jetzt bundesweit auf eine Rechtsgrundlage zu stellen, ist menschenverachtend. Und dieses ganze Gesetz ist eine Katastrophe."