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Protestbrief gegen Amazon
"Klar machen, was für kaltschnäuzige Leute dahinterstecken"

Der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer beteiligt sich an einem Protestbrief, der in den nächsten Tagen von deutschen Schriftstellern an Amazon gesendet werden soll. An eine direkte Wirkung glaubt er aber nicht: "Denen geht es wirklich hinten vorbei, ob da sich vielleicht 1000 Kunden abmelden oder nicht", sagte er im Deutschlandfunk.

Fred Breinersdorfer im Gespräch mit Dina Netz | 14.08.2014
    Ein Mann hält am 28.09.2012 in München (Bayern) ein elektronischen Reader der Marke Kindle in seinen Händen.
    Kindle von Amazon: Der Internetkonzern baut Druck auf gegen die Verlage. (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    Dina Netz: Mehr als 900 amerikanische Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben am vergangenen Wochenende einen offenen Protestbrief unterschrieben und in der "New York Times" als Anzeige veröffentlicht, indem sie die Geschäftspraktiken von Amazon kritisieren und fordern, Bücher nicht als Geiseln zu behandeln. Wir haben darüber berichtet. Jetzt ziehen deutsche Autorinnen und Autoren nach: Das "Handelsblatt" zitiert heute aus einem Protestbrief mit ganz ähnlicher Ausrichtung, den die Schriftsteller an Amazon-Chef Jeff Bezos und an den Chef von Amazon Deutschland, Ralf Kleber, schicken wollen und der Anfang nächster Woche veröffentlicht werden soll.
    - Unterschrieben hat ihn auch der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer, den ich gefragt habe: Warum haben Sie den Protestbrief unterschrieben?
    Fred Breinersdorfer: Ja, weil es jeden von uns betrifft, der in den entsprechenden Verlagen publiziert. Und man kann ja nicht ausschließen, dass die Krake Amazon auch noch mit ihren Tentakeln nach anderen angelt. Und deswegen denken wir, dass kritische Öffentlichkeit diesem Konzern gut tut.
    Netz: Wogegen genau wenden Sie sich mit diesem Protestbrief, Herr Breinersdorfer?
    Breinersdorfer: Es geht darum, dass Amazon die Auslieferung von Büchern bewusst verzögert von Verlagen, mit denen sie um Rabatte streiten. Es betrifft unsere Bücher natürlich, uns Autoren unmittelbar. Außerdem – das ist der zweite Punkt – wird die Verlinkung zurückgefahren, also das Buch wird nicht intern empfohlen. Sie kennen das ja, Sie suchen sich ein Buch raus und dann steht da oben: Außerdem bestellen Leser gerne dies und jenes Buch. Das betrifft uns auch. Also das ist eine richtige Form von Diskriminierung, die unter keinen Umständen durchgeht. So was ist eine ökonomische Diktatur eines Monopolisten. Das ist einfach eine Schweinerei.
    Netz: Amazon hat ja nun eine große Marktmacht. Deswegen gibt es im Moment auch so viel Diskussionen darüber. Wie ist das eigentlich, wenn sie jetzt versuchen, Schriftstellerkolleginnen und -kollegen zu mobilisieren? Gibt es da eine Geschlossenheit bei dem Thema?
    Der Schriftsteller Fred Breinersdorfer
    Über Fred Breinersdorfer
    Geboren 1946 in Mannheim, Baden-Württemberg. Der Drehbuchautor studierte Jura und Soziologie in Mainz und Tübingen und promovierte 1977 über das Verfassungsrecht. Danach arbeitete er als Rechtsanwalt. Seit 1980 ist Breinersdorfer auch als Autor tätig, später als Drehbuchautor, unter anderem für zahlreiche "Tatorte" in der ARD. Einer seiner größten Erfolge war die Oscar-Norminierung von "Sophie Scholl - die letzten Tage"; für diesen Film war er als Drehbuchautor tätig und hat ihn auch produziert.
    Breinersdorfer: Die Unterschriften sind schon sehr zahlreich. Es gibt aber auch Kolleginnen und Kollegen, die befürchten, dass sie dann von Amazon gemobbt werden oder auf schwarze Listen kommen, weil das ja ein Prinzip von schwarzen Listen, wenn ihre Bücher nur mit Verzögerung ausgeliefert werden und die Leserinnen und Leser dann sagen: Was ist denn das jetzt? Dann kaufe ich mir die Bücher von dem Verlag oder von dem Autor nicht mehr, wenn das so lange dauert. Das sind richtige miese Diskriminierungsmethoden, die man nicht durchgehen lassen darf.
    Netz: Nun häufen sich ja die Protestbriefe. Trotzdem erscheint es einem irgendwie fast niedlich, sich vorzustellen, dass Jeff Bazos jetzt von mehr als 100 deutschen Schriftstellern Post bekommt – das wird ihn ja kaum kratzen. Was erhoffen Sie sich denn von diesem Protestbrief?
    Breinersdorfer: Also ich bin da auf Ihrer Seite. Ich glaube, dass der Protestbrief bei Amazon nichts bewirkt. Diese modernen Wirtschaftskonzerne wie Amazon und Google haben es doch gar nicht mehr nötig. Denen geht es wirklich hinten vorbei, ob da sich vielleicht 1000 Kunden abmelden oder nicht. Das kann es also nicht sein, sondern es muss einfach ein anderes Bewusstsein der Öffentlichkeit geschaffen werden. Mir hat jetzt gerade ein Kollege von Ihnen erzählt, der bei Schriftstellern zu Hause zum Grillen eingeladen war, die unmittelbar betroffen sind von diesen Diskriminierungen von Amazon. Und dann haben sie auf Gartenstühlen gesessen, die sie bei Amazon gekauft haben. So absurd ist unser Verhältnis auch zu diesem Giganten. Und das Einzige, worauf die reagieren, ist Veränderungen in ihrer Vermarktbarkeitsstruktur. Da sind sie dann empfindlich. Aber ob man sie kritisch sieht oder nicht, ist denen völlig wurscht. Und da müssen wir deswegen an die Öffentlichkeit und müssen der Öffentlichkeit klar machen, was für kaltschnäuzige Leute dahinterstecken.
    Netz: Der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer über die Kritik deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller an Amazon.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.