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Proteste gegen Kopftuchzwang im Iran
Mit der Hoffnung auf Freiheit

Seit einigen Wochen breitet sich im Iran eine Protestbewegung aus: Mehr und mehr Frauen zeigen sich öffentlich ohne Kopftuch und verstoßen damit bewusst gegen die strengen Kleidervorschriften des Regimes. Doch um das Kopftuch geht es nur vordergründig.

Von Christian Buttkereit | 08.03.2018
    Das Bild zeigt einen Laden für Kopftücher in Teheran im Februar 2016.
    Laden für Kopftücher in Teheran: Immer mehr Frauen im Iran wehren sich gegen die Kleidervorschriften. (AFP / Behrouz Mehri)
    Das Bild ging um die Welt und – noch wichtiger – es verbreitete sich rasend schnell im Iran. Eine junge Frau steht auf einem Stromverteilerkasten an der Straße der Revolution mitten in Teheran. Ihr Haar trägt sie offen, das weiße Kopftuch schwenkt sie wie eine Fahne an einem Stock. Zwar stand sie dort nicht lange und kam vorübergehend ins Gefängnis, doch der kurze Moment hatte ausgereicht, eine landesweite Protestbewegung zu schaffen. Sie nennt sich "Die Mädchen der Straße der Revolution". Das Mullah-Regime zeigt sich irritiert. Zwar werden die Frauen festgenommen aber bisher nicht sonderlich hart bestraft.
    Die junge Frau kommt etwas abgehetzt auf der Straße der Revolution im Zentrum Teherans an. Als erstes zückt sie ihr Handy und nimmt eine Sprachnachricht auf:
    "Salam Liebe Massih, die ganze Strecke bin ich heute ohne Kopftuch gelaufen. Das tue ich fast jeden Tag. Die Leute schauen mich mit großen Augen an. Das macht mir aber nichts aus. Ich gehöre zu der Kampagne gegen Kopftuchzwang und zu den Mädchen aus der Straße der Revolution. Mit der Hoffnung auf Freiheit."
    Generationenübergreifender Protest
    Empfängerin der Nachricht ist Massih Alinejad. Die Journalistin lebt in den USA, wird aber von vielen Iranerinnen als Vorkämpferin der Anti-Kopftuchbewegung respektiert. Der religiösen Führung des Landes ist sie ein Dorn im Auge. Ziviler Ungehorsam ist aber längst nicht mehr nur eine Sache junger Frauen im Iran. Auch eine ältere Frau hat den Mut zum Widerstand in sich entdeckt:
    "Ich laufe jetzt zum zweiten Mal ohne Kopftuch um diesen Platz. Ich demonstriere dadurch Allen mein Recht auf zivilen Ungehorsam."
    Ein Recht, dass der Staat nicht anerkennt. Schließlich müsste aus der Sicht von Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei das Tragen des Hijab genannten Kopftuchs sogar ganz im Sinne der Frauen sein:
    "Der Hijab steht für Würde und Anstand und eine höhere Wertstellung den Frauen gegenüber. Er verleiht ihnen Frauen mehr Respekt und wir müssen Islam dankbar sein für den Hijab. Er ist ein Gottesgeschenk."
    Wer diese Meinung nicht teilt und dagegen verstößt kann mit zwei Monaten Gefängnis, Geldstrafe oder Peitschenhieben betraft werden. Etwa 35 Frauen wurden seit Jahresbeginn festgenommen, weil sie kein Kopftuch trugen. Die meisten sind wieder frei, zumindest bis zu ihrem Prozess.
    Es geht nicht nur um Kleidervorschriften
    Den iranischen Frauen geht es aber nicht nur um die strengen Kleidervorschriften, sondern um mehr. Etwa auch um die Frage, warum sie keine Sportveranstaltungen der Männer besuchen dürfen. Eine junge Frau erklärt in einem Videoclip, der im Internet kursiert, wie sie es dennoch geschafft hat, sich das Hauptstadt-Derby Esteghlal gegen Persepolis Teheran vor zwei Wochen live anzuschauen.
    "Schon Tage vor dem Spiel habe ich mich vorbereitet, habe Männerkleidung besorgt, einen künstlichen Bart und Klebstoff gekauft. Dann habe ich meine Haare so kurz schneiden lassen, wie möglich. Ich habe die Mütze tief über meinen Kopf gezogen."
    Beim Kauf der Eintrittskarte sei sie nervös geworden. Die Frage, für welchen Platz auf welcher Seite, habe sie überfordert. Als sie den Rasen erblickte, seien ihr die Tränen gekommen. Als das erste Tor für ihre Mannschaft Persepolis fiel, musste sich zurückhalten:
    "Ich konnte nicht sehr laut Zujubeln. Einmal, wegen meiner Stimme und zum zweiten, weil die Zurufe nicht grade sehr anständig waren."
    Karim Bagheri, Ex-Profi bei Arminia Bielefeld und Persepolis lobte sie im Internet für ihre Leidenschaft für FC-Persepolis, bat sie aber, den heimlichen Stadionbesuch nicht zu wiederholen. Da sei einfach zu gefährlich. Jetzt, sagt die junge Frau, bekomme sie jedes Mal, wenn FC-Persepolis spiele, einen Anruf, um sicherzustellen, dass sie Zuhause sei und nicht wieder heimlich im Stadion.
    Frauen in Sportstadien – wie heiß dieses Eisen ist, zeigte sich, als die Regierung unter dem Reformer Hassan Ruhani Frauen kürzlich erlaubte, ein Basketballspiel der Männer anzusehen, die Polizei die Zuschauerinnen jedoch nichts in Stadion ließ.