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Proteste gegen Polizeigewalt
"Eine wiederkehrende Krise"

Auf heftige Krawallen folgte ein ruhiger Tag: In Baltimore sorgen engagierte Bürger dafür, dass Demonstranten und Sicherheitskräfte nicht aneinandergeraten. Das Thema Polizeigewalt bleibt aber auf der Tagesordnung und hat inzwischen auch den Präsidentschaftswahlkampf erreicht.

Von Marcus Pindur | 29.04.2015
    Menschen protestieren in Baltimore gegen Polizeigewalt.
    Menschen protestieren in Baltimore gegen Polizeigewalt. (picture alliance / /RIA Novosti / Caitlin Ochs)
    Vereinzelt kam es im Westen Baltimores noch zu Zusammenstößen mit der Polizei, doch die Bilanz ist weitaus besser als die der Krawallnacht von Montag auf Dienstag. Zehn Festnahmen habe es gegeben, teilte die Polizei mit. Plünderungen seien unterbunden worden, nur vereinzelt sei Pfefferspray zum Einsatz gekommen. Das ist nicht nur auf die Ausgangssperre zurückzuführen, sondern auch darauf, dass sich engagierte Bürger und Pfarrer zwischen die Polizei und die Jugendlichen stellten.
    "Wir stellen uns zwischen die Demonstranten und die Polizeibeamten," sagt ein Mann. "Wir wollen nichts weiter, als das es hier friedlich bleibt. Wir haben das schon den ganzen Tag gut hingekriegt."
    Die Bürger hakten sich unter und forderten die Protestierer auf, nach Hause zu gehen, worauf sich die Menge zerstreute. Insgesamt waren laut dem Gouverneur von Maryland, Larry Hogan, 2.000 Nationalgardisten und 1.000 Polizisten im Einsatz. Die nächtliche Ausgangssperre bleibt weiterhin in Kraft.
    Deutliche Worte von Obama
    Die Debatte über die zugrunde liegenden Ursachen der Proteste geht unterdessen weiter. Dem ersten schwarzen Präsidenten war immer wieder vorgeworfen worden, er halte sich zu sehr zurück. Jetzt ist es auffallend, wie deutlich und wie schnell Obama Stellung bezogen hat. Es handele sich um eine wiederkehrende Krise, so der Präsident. Der Tod des 25-jährigen Schwarzen Freddie Gray im Polizeigewahrsam in Baltimore sei kein Einzelfall. In vielen Gemeinden mit hohem schwarzen Bevölkerungsanteil müsse die Polizei das Vertrauen der Bürger wieder zurückgewinnen, so Obama in einem Radiointerview heute morgen.
    "Wir müssen diese Probleme ernsthaft angehen. So etwas passiert einfach zu oft. Mein Mitgefühl gilt aber auch den verletzten Polizeibeamten. Sie haben angemessene Zurückhaltung walten lassen. Einige von ihnen wurden verletzt durch Steinwürfe, und das zeigt, was für einen harten Job Polizeibeamte haben."
    Thema im Wahlkampf
    Das Thema hat mittlerweile auch den Präsidentschaftswahlkampf erreicht. Der voraussichtliche republikanische Bewerber Jeb Bush erklärte, Ruhe und Ordnung müsse wieder hergestellt, und der Vorfall schnell aufgeklärt werden. Die demokratische Kandidatin Hillary Clinton widmete den Ereignissen in Baltimore einen ganzen Auftritt an der Columbia University. Sie forderte Reformen im amerikanischen Justizsystem.
    "Wir müssen endlich einigen unangenehmen Wahrheiten über das Zusammenspiel von Rasse und Justiz in Amerika ins Auge sehen", so Hillary Clinton. "Es stimmt etwas grundsätzlich nicht mit unserem Justizsystem, wenn Afroamerikaner mit viel höherer Wahrscheinlichkeit von der Polizei kontrolliert werden, angeklagt werden, und zu höheren Strafen verurteilt werden als weiße Männer. Es läuft etwas falsch, wenn ein Drittel aller schwarzen Männer mindestens einmal im Leben im Gefängnis einsitzen."
    Die Debatte insbesondere über absurd hohe Gefängnisstrafen für kleinere Vergehen wie geringe Mengen von Marihuanabesitz wird in den USA schon seit einigen Jahren geführt. Viele Einzelstaaten haben solche Gesetze verabschiedet. Um daran etwas zu ändern, müsste der Kongress eingreifen - das ist jedoch bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen und angesichts des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes unwahrscheinlich.