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Proteste in Kiew
Klitschko will Demonstranten besänftigen

Nach der Gewalteskalation bleibt die Lage in Kiew angespannt. In der Nacht gab es erneut mehrere Zwischenfälle. Ein Ultimatum an den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch läuft am Abend aus. Regierungsgegner Klitschko rief zu Zurückhaltung auf.

23.01.2014
    Vitali Klitschko spricht in ein Mikrofon
    Der Protestanführer Klitschko will weiteres Blutvergießen in Kiew verhindern. (dpa / picture-alliance / Anatoly Maltsev)
    Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko hat an die Demonstranten in Kiew appelliert, bis zum Ende der Gespräche der Opposition mit Präsident Viktor Janukowitsch Ruhe zu bewahren. "Um 20.00 Uhr (Ortszeit, 19.00 Uhr MEZ) werde ich zu euch zurückkehren und euch über die Ergebnisse der Gespräche informieren", wurde Klitschko von der Agentur Interfax zitiert. "Haltet die Barrikaden, aber verhaltet euch ruhig, bis die Gespräche beendet sind."
    In der Nacht waren die gewaltsamen Proteste ungeachtet der ersten Todesfälle weitergegangen. Im Stadtzentrum von Kiew brannten am Morgen Gegner des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch erneut Autoreifen ab. Brandsätze wurden geworfen. Die Polizei reagierte mit Gummigeschossen. Tausende Regierungsgegner harrten in der Nacht im Zentrum Kiews aus. "Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass Spezialeinheiten den Unabhängigkeitsplatz räumen wollten", berichtete Korrespondentin Christina Nagel im Deutschlandfunk. Die Regierungsgegner erhöhten Barrikaden durch mit Schnee gefüllte Säcke. Zudem wurden die Zugänge des Protestlagers verengt. Für heute Mittag rief Klitschko die Ukrainer zu einem Generalstreik auf.
    Schulz: Wenig Einfluss
    Nach der Eskalation der Proteste reagierte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) ernüchtert. Was die Vermittlung in dem Konflikt angehe, sei er "ziemlich ohnmächtig", sagte Schulz im Deutschlandfunk. Sanktionen der EU gegen die Ukraine schloss er grundsätzlich nicht aus. Wenn die Regierung in Kiew weiter auf Gewalt setze, werde dies Auswirkungen bis zu Kontensperrungen oder Visa-Restriktionen haben. Der SPD-Politiker betonte aber zugleich, er rate nicht dazu, die Türe zuzuschlagen, was etwa die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine angehe. Auch EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso hat Sanktionen ins Spiel gebracht.
    Die Opposition hat Präsident Viktor Janukowitsch gestern Abend ein Ultimatum gestellt. Der Staatschef müsse binnen 24 Stunden zurücktreten, forderten die Anführer der Protestbewegung und riefen zum Widerstand gegen Janukowitsch auf. Wenn Janukowitsch keine Zugeständnisse mache, gehe man in die Offensive, sagte Klitschko. Der frühere Außenminister Arseni Jazenjuk warnte vor einem Blutbad.
    Gespräche gescheitert
    Mehrere Oppositionspolitiker, darunter auch Klitschko und Jazenjuk, hatten sich zuvor über drei Stunden mit Janukowitsch getroffen, um ein Ende der Gewalt zu erreichen. Die Gespräche seien ergebnislos verlaufen, hieß es im Anschluss.
    Der seit Wochen friedliche Machtkampf in dem Land war gestern in brutale Gewalt umgeschlagen. Eine Gruppe radikaler Demonstranten griff die Polizei immer wieder mit Molotow-Cocktails, Baseballschlägern und Steinen an. Die Sicherheitskräfte gingen mit großer Härte unter Einsatz von Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen vor. Hunderte Demonstranten wurden bei den Auseinandersetzungen verletzt. Die Opposition sprach von drei bis sieben toten Regierungsgegnern. Zwei Menschen starben nach Behördenangaben, sie wurden erschossen. Einen offiziellen Schießbefehl gab es offenbar nicht. Wer die tödlichen Schüsse abfeuerte, blieb zunächst unklar. Korrespondentin Christina Nagel sagte: "Die Stimmung auf dem Platz, der bisher als Symbol friedlicher Proteste galt, hat sich spürbar verändert."