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Vor der IAA
Deutsche Autobranche befürchtet Rückläufe bei Pkw-Absatz

Ein offener Dialog mit Kritikern und Kunden, mehr Transparenz: Vier Jahre nach Auffliegen des Dieselskandals scheint die Autobranche gemerkt zu haben, dass sie auf die veränderten Bedingungen reagieren muss. Dennoch lässt die anstehende Internationale Automobilausstellung (IAA) nichts Gutes erwarten.

Von Brigitte Scholtes | 02.09.2019
Man sieht Scheuers Gesicht klein durch das Seitenfenster des Transporters.
Die Zahl der Aussteller auf der IAA sinkt. Im Bild: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der IAA 2018 (Hauke-Christian Dittrich / dpa)
"Die deutsche Automobilindustrie ist entschlossen, zum Erreichen des Pariser Klimaschutzziels beizutragen."
Der Klimaschutz scheint Bernhard Mattes, dem Präsidenten des deutschen Branchenverbands VDA, noch nicht so leicht über die Lippen zu gehen. Doch vor der IAA bemüht sich die Autoindustrie um Dialog mit ihren Kritikern. Er verstehe, dass die Menschen wegen des Dieselskandals sauer seien auf die Autoindustrie, sagt Mattes:
"Deswegen gehen wir auf die Gesellschaft, auf die Menschen zu. Wir wollen offene Diskussion, transparente Diskussion. Deswegen sind die Veranstaltungen, die wir haben, öffentlich. Sie sind für alle zugänglich. Sie werden auch medial begleitet werden können.
Wir haben nichts zu verstecken, wir wollen die Zukunft gestalten, und das individuell und für alle Menschen."
Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, äußert sich nach dem Spitzentreffen zur Zukunft der Autoindustrie im Bundeskanzleramt am 24.06.2019 gegenüber Journalisten. 
VDA-Präsident Bernhard Mattes sagte im Dlf, die Automobilbranche habe nichts zu verbergen, daher suche man den Dialog mit den Menschen (dpa / Paul Zinken, Kay Nietfeld)
Militante Proteste befürchtet
So sollen am 5. und am 13. September Diskussionen stattfinden mit NGOs, also den Verbänden, die zu Protesten gegen die IAA aufgerufen haben,– unter Beteiligung auch von Vertretern der Politik und der Branche. Er werde auch zu der geplanten Fahrradsternfahrt gehen und sich der Diskussion stellen, wenn die Organisatoren das wünschten, sagt Mattes, denn er wolle die individuelle Mobilität verteidigen. Das geht bei der IAA selbst nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen, denn die Veranstalter fürchten offenbar auch militante Proteste.
Wie groß die Sorge ist, zeigte sich schon heute: Da wurde auch die Pressekonferenz in einem Konferenzzentrum schon aufwändig polizeilich gesichert.
Sinkende Absatzzahlen bei Pkw-Verkäufen erwaret
Nicht nur von Umweltaktivisten ist die Autobranche in Bedrängnis, sie leidet auch wirtschaftlich: so rechnet der VDA in diesem Jahr mit einem Einbruch der Pkw-Absatzzahlen weltweit um vier Prozent auf 81 Millionen, das wären zwar immer noch 50 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Doch der Boom ist vorbei – auch wegen der politischen Verwerfungen:
"Berücksichtigen wir die Handelskonflikte USA-China sowie USA-EU und den Brexit, dann wird für alle deutlich: Der Automobilstandort Deutschland mit seiner hohen Exportquote steht vor erheblichen Herausforderungen. Es ist dringend an der Zeit, dass die Politik ernsthafte Anstrengungen unternimmt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes insbesondere im internationalen Vergleich zu stärken. Schnelle und konsequente Umsetzung ist gefragt", mahnt Mattes. Das sei etwa auch nötig, um den gesellschaftlich gewollten Systemwechsel zur die Elektromobilität durchzusetzen.
"Aber um jetzt schnell auch Kunden Akzeptanz und damit Hochlauf im Markt zu haben, brauchen wir eine Lade-Infrastruktur, die deutlich besser ist als das, was wir heute haben."
Weniger Zuspruch
Die IAA erfährt in diesem Jahr zudem weniger Zuspruch: So werden nur 800 Aussteller erwartet nach 964 vor zwei Jahren. Große Hersteller wie Chrysler, Citroen, Fiat, Kia, Peugeot, Tesla, Toyota oder Volvo werden ihre Autos nicht präsentieren. Die Firmen hätten zum Teil ganz individuelle Gründe dafür, verteidigt der VDA dies. Und immerhin seien sie zum Teil auch bei den Probefahrten oder den Diskussionen präsent. Doch vier Jahre nach Auffliegen des Dieselskandals scheint die Autobranche gemerkt zu haben, dass sie auf die veränderten Bedingungen reagieren muss.