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Prozess gegen Reker-Attentäter
Angeklagter: "Ich war kein Nazi"

Im Prozess um das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat der Angeklagte Frank S. zu Beginn Verbindungen zur rechtsextremen Szene eingeräumt. Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gab er zu, an Gedenkmärschen für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess teilgenommen und der rechten Gruppierung "Berserker Bonn" angehört zu haben. Nazi sei er nach eigenen Angaben jedoch nicht gewesen.

Von Vivien Leue | 15.04.2016
    Der Angeklagte Frank S. sitzt am 15.04.2016 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) im Verhandlungssaal hinter einer Scheibe und hält sich einen Aktendeckel vor das Gesicht.
    Der Angeklagte Frank S. machte zu Beginn des Prozesses eine Aussage. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    Ruhig und aufmerksam wirkt Frank S., als die Anklage gegen ihn verlesen wird. Er trägt Jeans und Karo-Hemd, der Kopf ist fast kahlrasiert, am Kinn ein Ziegenbart. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 44-Jährigen versuchten Mord vor. Er soll Henriette Reker Mitte Oktober letzten Jahres an einem Wahlkampfstand auf einem Kölner Wochenmarkt ohne Vorwarnung niedergestochen und mehrere Wahlkampfhelfer verletzt haben. Bundesanwalt Lars Otte: "Nach unseren Ermittlungen, hat der Angeklagte Henriette Reker heimtückisch angegriffen, er hat bewusst verborgen, was er tun wollte, er hat sich unschuldig gebend nach einer Rose gefragt und dann für Frau Reker völlig überraschend angegriffen. Juristisch werten wir das als Heimtücke."
    Reker selbst beschrieb einige Wochen nach der Tat diesen Moment so: "Er hat mit dem Messerstich die Luftröhre komplett durchtrennt und ist in den zweiten Trachialwirbel eingedrungen und hat den komplett gespalten. Und dann bin ich eben auch zu Boden gegangen."
    30 Zentimeter lange Messerklinge
    Das Messer, mit dem Frank S. die damals 58-Jährige angriff, hatte laut Anklage eine 30 Zentimeter lange Klinge, zehn Zentimeter tief stach er zu. Eine Notoperation rettete Reker das Leben, während ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin lag die parteilose Kandidatin im künstlichen Koma, erst Wochen später konnte sie ihr Amt antreten.
    Laut Bundesanwaltschaft handelte der Täter aus niederen Beweggründen. In mehreren Vernehmungen habe der 44-Jährige zugegeben, "dass er Frau Reker töten wollte, um zu verhindern, dass sie einerseits Oberbürgermeisterin wird. Und er wollte ein Zeichen setzen gegen die von ihm falsch erachtete Flüchtlingspolitik in Deutschland."
    Frank S. "Ich war kein Nazi"
    Er selbst schilderte heute vor Gericht, wie er in Jugendtagen Kontakt zur rechtsextremen Szene in Bonn bekam. Ein Nazi sei er aber nicht gewesen, sagte er, eher ein wertkonservativer Rebell. Ob diese Einstellungen ihn auch zur Tat verleiteten, dazu will sich der Angeklagte erst bei einem der nächsten Verhandlungstage äußern.
    Seine Verteidigung ist aber schon jetzt der Meinung, dass der Vorwurf des versuchten Mordes nicht zu halten sein wird. Anwalt Christof Miseré sieht die Tat als gefährliche Körperverletzung. Zum einen habe der Angeklagte Reker gar nicht töten, sondern nur ein Zeichen setzen wollen. Zum anderen gibt es juristisch auch noch den Rücktritt vom Mordversuch, auch der könne hier geltend gemacht werden: "Hier hat er ein Riesenmesser dabei gehabt. Er hat das nach einem einzigen Stich fallen gelassen, er hätte also ohne weiteres weiter handeln können. Das spricht dafür, dass es ein Rücktritt vom Versuch ist."
    Reker sagt im Prozess aus
    Allerdings griffen mehrere Wahlkampfhelfer ein, nachdem Henriette Reker zu Boden ging. Sie wurden daraufhin ebenfalls von dem Angeklagten mit dem Messer verletzt, einer sogar schwer.
    Reker selbst wird in zwei Wochen als Zeugin vor Gericht aussagen - und ihrem Angreifer dann das erste Mal wiederbegegnen. Sollte er letztlich des versuchten Mordes schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.