Samstag, 20. April 2024

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Prozess in der Türkei
"Konstruierte Vorwürfe"

Erneut stehen in der Türkei Journalisten vor Gericht. Sie hatten aus geleakten E-Mails zitiert, die wohl vom Energieminister geschrieben worden waren – der ist zugleich Schwiegersohn von Präsident Erdogan. Christian Mihr von "Reporter ohne Grenzen" hält die Terrorvorwürfe für konstruiert.

Christian Mihr im Gespräch mit Isabelle Klein | 24.10.2017
    Der Türkische Staatspräsident Erdogan sitzt zusammen mit seinem Schwiegersohn Berat Albayrak bei einer Veranstaltung.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein Schwiegersohn Berat Albayrak (imago / Depo Photos)
    In der Türkei hat der Prozess gegen sechs Journalisten begonnen. Diese hatten Berichte über ein mögliches Fehlverhalten des Erdogan-Schwiegersohnes und Energieministers Berat Albayrak veröffentlicht. Gegen die Angeklagten sind Terroranschuldigungen erhoben worden, so Christian Mihr, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen", der den Prozess von Deutschland aus verfolgt.
    Die Berichte der nun angeklagten Journalisten basierten auf E-Mails, die von Hackern von Albayraks persönlichem Nutzerkonto gestohlen und anschließend von Wikileaks enthüllt worden sein sollen. Die Hacker sollen einer linken Gruppe von Computerspezialisten angehören. Der türkische Staatschef Erdogan und die türkische Regierung haben die Echtheit der Mails nicht bestätigt.
    "Politische Justiz"
    Mihr hält die Vorwürfe für konstruiert und erklärt, dass es in einem Fall lediglich darum gehe, dass der angeklagte Journalist dem Twitter-Account der Hackergruppe gefolgt sei. Darüber hinaus äußerte er Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei: "Wir erleben hier und in anderen Fällen nur noch eine politische Justiz und nicht mehr eine unabhängige Justiz."
    Mehr als 100 Journalisten festgenommen
    Mehr als 100 Journalisten sind in der Türkei seit dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 wegen Terrorvorwürfen festgenommen worden. Die türkische Regierung besteht darauf, dass all diese Festnahmen wegen mutmaßlicher krimineller Straftaten und nicht wegen der journalistischen Arbeit erfolgt seien. Unter anderem war der deutsch-türkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel im Februar wegen Terror- und Spionagevorwürfen festgenommen worden.