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Prüfungsangst
Ablenkung macht den Kopf frei

Bei manchen Studierenden ist die Prüfungsangst sehr stark. Man müsse wirklich sehr individuell nachsehen, was die Gründe dafür seien, sagt Ursel Sickendiek von der zentralen Studienberatung der Uni Bielefeld. Und noch einen Tipp gibt sie: Sich kurz vor der Prüfung noch anderen Aktivitäten zuwenden.

Ursel Sickendiek im Gespräch mit Kate Maleike | 19.07.2017
    Eine Studentin liegt mit Ihrem Kopf auf einem Arbeitsheft.
    Das Studium ist nicht immer einfach - manchmal kommt noch eine starke Prüfungsangst hinzu. (imago)
    Kate Maleike: Schweißausbrüche, Schlafmangel, Magenbeschwerden – jetzt in der Hochzeit von Klausuren und Prüfungen im Studium haben wieder viele Studierende mit ihr zu kämpfen, mit der nervigen Prüfungsangst. Daniela Siebert hat sich auf dem Campus in Berlin mal umgehört.
    [Audio zum Beitrag]
    - "Studentische Beratungen, und da sind dann Therapeuten, die mit den Studierenden arbeiten, verhaltenstherapeutisch, aber auch teilweise tiefenpsychologisch. Das habe ich genutzt, das war auch wirklich nötig."
    Maleike: Sagt diese Studentin und schafft eine wunderbare Überleitung zu Dr. Ursel Sickendiek. Sie ist nämlich eine der Anlaufstellen in den zentralen Studienberatungen, die man aufsuchen kann, wenn man eben Prüfungsangst hat – in diesem Fall an der Uni in Bielefeld. Guten Tag, Frau Sickendiek!
    Ursel Sickendiek: Ja, guten Tag!
    Maleike: Diese Studentin hatte ja offenbar massive Prüfungsängste. Übergeben vor der Klausur, das klingt wirklich heftig – wie häufig sind diese schweren Formen?
    Sickendiek: Diese schweren Formen sind nicht häufig. Es kommt natürlich bei uns in der Beratungsstelle häufig vor, weil sich ja an uns diejenigen wenden, die Probleme haben. Wichtig ist für Studierende immer, zu wissen, dass es anderen auch so geht.
    Maleike: Haben wir jetzt gehört, vielleicht macht das auch ein bisschen Mut, aber die Frage ist natürlich, wovor haben denn die meisten Angst? Versagensängste sind angesprochen worden, ist das die Hauptangst?
    Sickendiek: Das ist die Hauptangst. Man kann ganz grundsätzlich sagen, dass die Gründe einmal im Studium liegen können, aber auch aufseiten der Person. Die Ängste betreffen zum Beispiel die Lernphasen vorher, zum Teil geht es aber auch darum, dass die Anforderungen der Prüfungen nicht klar sind oder nicht klar vermittelt worden sind, also man weiß gar nicht, was in der Prüfung auf einen zukommt, was man da leisten muss. Häufig bezieht sich die Prüfungsangst aber auch auf die Prüfungssituation selbst. Man könnte das vielleicht grob mit Lampenfieber umschreiben bei mündlichen Prüfungen oder Angst, alles vergessen zu haben, beispielsweise bei schriftlichen Prüfungen, bei Klausuren.
    Maleike: Der berühmte Blackout, den dann viele haben.
    Sickendiek: Genau.
    Maleike: Was hilft denn jetzt konkret gegen die Prüfungsangst?
    "Sachlage genau klären"
    Sickendiek: Ja, ich fand das interessant, dass die Studierenden ja schon einige Punkte angesprochen haben. Und ich kann vielleicht mal sagen, was wir anbieten in den Studienberatungsstellen. Und das ist sehr individuell, man muss wirklich sehr individuell nachsehen, zunächst mal die Sachlage genau klären. Häufig wird pauschal Prüfungsangst gesagt, aber was ist es genau, wovor Angst besteht. Dazu gehört auch, welche Vorerfahrungen gibt es. Manche Studierende haben einfach sehr negative Vorerfahrungen aus der Schule mitgebracht, die konnten keine positiven Erfahrungen mit Prüfungen machen. Und da ist es wichtig, für andere Erfahrungen zu sorgen. Wir fragen auch immer nach, wann sind Prüfungen bereits einmal gut gelungen, kann man vielleicht daraus irgendetwas ableiten, was helfen kann. Also was kann ich selbst tun, um in der Situation, in der mündlichen Prüfungssituation beispielsweise, auch handeln zu können. Gerade in mündlichen Prüfungssituationen fühlen Studierende sich häufig ausgeliefert, also so ganz einseitig befragt. Und wir entwickeln in der Beratung beispielsweise gemeinsam alternative Handlungsmöglichkeiten: Was kann ich tun, wenn ich die Frage nicht verstanden habe, also bitte ich dann am besten um Wiederholung. Oder was kann ich machen, wenn ich ein Blackout habe. Wir üben dann ganz konkret eins, zu sagen, dass man jetzt gerade die Antwort nicht parat hat, und zum Beispiel darum bittet, dass zu einer anderen Frage übergegangen wird. Und das alles führt dazu, dass Studierende den Eindruck bekommen, dass sie zumindest einen Teil der Prüfungssituation auch aktiv mit beeinflussen können. Und das sind eigentlich die besten Hilfen, die es gibt.
    Maleike: Also die Hilfe zur Selbsthilfe.
    Sickendiek: Ja.
    Maleike: Aber welchen konkreten Tipp haben Sie, um Prüfungsangst in den Griff zu bekommen, wenn ich zum Beispiel morgen oder übermorgen Klausur habe?
    "Noch mal anderen Aktivitäten zuwenden"
    Sickendiek: Also das heißt so kurz vorher, dass man nicht mehr viel an den Lernstrategien tun kann: Was wichtig ist, ist immer so etwas wie Prüfungssimulation, also bei der Klausur übermorgen ganz konkret die Klausur üben. In der Regel hat man bereits oder haben viele Studierende eine ungefähre Idee, was in der Prüfung abgefragt werden kann. Und dann ist es sehr sinnvoll, mit der konkreten Zeit und auch in einer ähnlichen Situation – allein in einem Zimmer beispielsweise – die Klausur zu üben und das vielleicht auch zu wiederholen. Ein weiterer Tipp ist, sich nicht zu viel Arbeit aufzuladen für diese letzte Zeit vor der Prüfung, sondern ab und zu auch Entspannungsübungen einzulegen. Wichtig ist auch, sich kurz vor der Prüfung noch mal anderen Aktivitäten zuzuwenden und nicht so mit einem Tunnelblick nur noch ausschließlich zu lernen.
    Maleike: Also Entspannung oder eben auch Ablenkung mal zu haben, zum Beispiel auch mit entspannender Musik oder so?
    Sickendiek: Ich glaube, das ist sehr individuell. Die meisten Studierenden wissen, was ihnen gut tun kann. Das können aber einfach auch Aktivitäten mit anderen sein, also sich ruhig noch mit Freunden verabreden am Tag vor der Prüfung, um noch mal auf andere Gedanken zu kommen.
    Maleike: Vielleicht noch mal zurück zu der Umfrage: Da war ja auch eine Studentin dabei, die gesagt hat, also für mich ist Prüfungsangst gar nichts Negatives, eher das Gegenteil. Sie sagt, das ist eine bestimmte Wachheit, die mein Körper da hat. Gibt es da also offenbar unterschiedliche Angsttypen, oder wie muss man das verstehen?
    Sickendiek: Es gibt sicherlich unterschiedliche Angsttypen, beziehungsweise auch unterschiedliche Aspekte, auf die sich die Angst richtet. Es ist ja wichtig, mit einer gewissen Wachheit und einer hohen Aufmerksamkeit in die Prüfung zu gehen. Und diese positive Seite zu reflektieren und zu sagen, so, ich aktiviere jetzt die Kraft und das Wissen und die Denkfähigkeit, die ich habe, für diese Prüfung, kann ja durchaus auch ein positiver Anreiz sein.
    Maleike: Dr. Ursel Sickendiek von der Zentralen Studienberatung der Uni Bielefeld war das zur Frage, was man gegen Prüfungsangst tun kann. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Sickendiek!
    Sickendiek: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.