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PSA-Übernahme
"Tavares muss Opel weiter sanieren"

"Ein langfristig denkender Sanierer" sei der PSA-Chef Carlos Tavares, sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management im DLF. Tavares habe zugesichert, bei einer Übernahme von Opel deutsche Standorte zu erhalten. Doch sei das auch der notwendigen politischen Unterstützung bei diesem Vorhaben geschuldet.

Stefan Bratzel im Gespräch mit Doris Simon | 21.02.2017
    PSA-Chef Carlos Tavares am 25.1.2017 in Paris, Frankreich.
    PSA-Chef Carlos Tavares hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zugesichert, die deutschen Standorte und Mitarbeiter von Opel zu erhalten. (dpa / MAXPPP /Thomas Padilla)
    Doris Simon: Am Telefon ist Professor Stefan Bratzel, Direktor des Zentrums für Automotive Management an der FH in Bergisch Gladbach. Guten Abend!
    Stefan Bratzel: Schönen guten Abend!
    Simon: Herr Bratzel, wenn der PSA-Chef im Telefonat mit der Bundeskanzlerin die Garantien für Standorte, Jobs und Investitionen bei Opel in Deutschland bestätigt, heißt das, dass dort erst mal alles beim Alten bleibt?
    Bratzel: Das heißt zumindest, dass keine großen Veränderungen jetzt geplant werden, kurzfristig, sodass Tavares mit seinem Konzern PSA diese Übernahme überhaupt realisieren kann, ohne große Widerstände.
    Mittelfristig werde es weniger Beschäftigte geben
    Simon: Heißt das denn ganz praktisch gesprochen, dass sich die 19.000 Beschäftigten bei Opel in Deutschland keine Sorgen machen müssen?
    Bratzel: Das heißt es sicherlich nicht. Kurzfristig brauchen sie sich keine Sorgen machen. Mittelfristig muss man schon mit Veränderungen rechnen. Zum einen, weil es natürlich darum geht, Synergien gemeinsam zu heben, und da geht es darum, Doppelstrukturen zu vermeiden im Bereich des Einkaufs, im Bereich der Entwicklung, im Bereich des Marketings und Vertriebs. Da wird man sicherlich Veränderungen erleben. Gleichzeitig natürlich im Bereich der Produktion. Da wird es darum gehen, ein Produktionsnetzwerk mittel- und langfristig aufzubauen, das mit viel weniger Überkapazitäten auskommt. Auch hier muss sicherlich angegriffen werden. Und dann hat man zum dritten noch das Thema Elektromobilität, das nicht nur PSA und Opel künftig treffen wird, sondern auch andere Hersteller, und da braucht es viel weniger Beschäftigte, um diese Motoren, die kleinen Elektromotoren zusammenzuschrauben.
    VW endlich Paroli bieten können
    Simon: Wenn ich das mal zusammenfasse, Herr Bratzel: Doppelstrukturen vermeiden in Zukunft, Produktionsnetzwerk mit weniger Überkapazitäten, E-Mobilität, die eh weniger Arbeitnehmer braucht in den Werken. Das heißt, auf mittelfristige Sicht werden die Beschäftigten bei Opel mit einem deutlichen Abbau von Jobs rechnen müssen?
    Bratzel: Das ist wahrscheinlich so. Die einzige Chance, die aber nicht so wahrscheinlich ist, ist die, dass man so wettbewerbsfähig ist in diesem Verbund zwischen PSA und Opel, dass man seine Marktanteile deutlich erhöhen könnte. Dann ist eine Chance, dass man die Arbeitsplätze hält. Das ist aber relativ unwahrscheinlich, weil auch diese großen Veränderungen nicht nur bei Opel und PSA anstehen, sondern bei allen Herstellern in Richtung Elektromobilität.
    Simon: Bundesarbeitsministerin Nahles hat heute von einem Champion-Unternehmen gesprochen, das da geschaffen werden könnte, und von einer möglichen Win-win-Situation. Das klingt aber anders als bei Ihnen?
    Bratzel: Es ist zunächst mal eine positive Nachricht, dass PSA dann mit Opel zusammen auf eine Marktanteilssteigerung von zusammen auf 16, 17 Prozent kommt, innerhalb Europas, und damit besteht schon die Chance, wenn man alles richtig macht und zu niedrigen Kosten produziert und die richtigen Produkte hat, dass man dem Champion in Europa, dem Volkswagen-Konzern – die haben einen Marktanteil derzeit von 24 Prozent – ein bisschen Paroli bieten kann. Da helfen schon größere Stückzahlen, ein größeres Volumen, und das ist sicherlich die Logik, mit der PSA hier in diese Kooperation beziehungsweise in diese Übernahme geht.
    "Der Unternehmenslenker Tavares hat PSA saniert"
    Simon: Aber beide Unternehmen, PSA (Peugeot, Citroën, DS) und Opel, waren ja zuletzt defizitär. Kann man das einfach so umdrehen?
    Bratzel: Zuletzt hat PSA gute Gewinne geschrieben. Der Unternehmenslenker Tavares hat PSA saniert. Die verdienen im Moment Geld, zwar nicht so viel wie andere, aber sie verdienen gutes Geld. Bei Opel ist das nicht der Fall. Entsprechend muss er Opel weiter sanieren. Das ist eine Notwendigkeit. Ob er nun Arbeitsplätze erst mal sichern will und die Standorte sichern will oder nicht. Wenn er das nicht tut, dann ist die große Gefahr, dass das eintritt, was wir bei GM über viele Jahre gesehen haben. Ich nenne es das Muster der nachlaufenden Untersteuerung. Man saniert immer ein bisschen, aber nicht so viel, dass man an die Ursachen der Probleme herangeht, und dann stößt man immer wieder an die Grenzen und schreibt rote Zahlen. Das muss man sicherlich vermeiden.
    Tavares hat eigentlich gezeigt, und wenn man mit ihm spricht, dann ist er auch ein sehr guter, langfristig denkender Sanierer. Aber bei PSA hat er eigentlich bewiesen, dass das schon möglich ist und dass er da eigentlich nicht nachlässt. Diese Zusicherungen, die er jetzt gemacht hat, sind sicherlich der Politik geschuldet, um überhaupt diese Übernahme realisieren zu können. Man darf ja nicht vergessen: Nicht nur in Frankreich ist Wahljahr, auch in Deutschland ist ja in diesem Jahr ein Wahljahr.
    "Die Unternehmen müssen wettbewerbsfähig sein"
    Simon: Sie sprechen die Politik an, Herr Bratzel. Die deutsche Politik – wie gesagt: Heute Bundeskanzlerin Merkel, die sich mit dem Vorsitzenden von PSA, mit Herrn Tavares über die Zukunft von Opel eine halbe Stunde lang unterhalten hat – hat ein starkes Interesse an Opel. Der französische Staat seinerseits natürlich am Florieren von PSA. Das sieht derzeit wie ein Vorteil aus. Ist das tatsächlich auch einer?
    Bratzel: Ich glaube schon, dass man die Unterstützung bei so einer Übernahme der Politik braucht. Wenn die Politik stark gegen eine solche Übernahme ist in einem Wahljahr, dann hat sie zumindest ein gewisses Blockadepotenzial. Dann wird die Öffentlichkeit stark aufgewühlt und das ist kein gutes Vorzeichen für eine Übernahme eines Unternehmens. Das heißt, man braucht gewisse Unterstützung. Was dann mittel- und langfristig passiert, steht ja auf einem anderen Blatt. Die Unternehmen müssen wettbewerbsfähig sein. Das ist in diesem stark umkämpften europäischen Markt nicht ganz einfach. Insofern: Was dann in zwei, drei Jahren ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Da spielen die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Prämissen eine Hauptrolle.
    Simon: Die Einschätzung von Professor Stefan Bratzel, Direktor des Zentrums für Automotive Management an der FH in Bergisch Gladbach. Herr Bratzel, vielen Dank für das Gespräch.
    Bratzel: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.