Donnerstag, 28. März 2024

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Psychische Erkrankungen
Angehörige von Depressiven brauchen Hilfe

Über fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer Depression. Die Krankheit kann einen Menschen vollkommen verändern. Sie wirkt sich auf die Stimmung aus, auf den Schlaf und die Fähigkeit, Freude zu empfinden. Eine schwierige Situation sowohl für Betroffene als auch für deren Angehörige.

Von Renate Rutta | 20.02.2018
     Ein Mann sitzt traurig auf einem Sofa und hält die Hand vor sein Gesicht.
    "Da ist ein junger Mann mit einem intelligenten Kopf und der hat auf einmal so ein brüchiges Selbstwertgefühl" (Nik Shuliahin / Unsplash)
    Jan P. und Stefan K. kennen sich aus einer Selbsthilfegruppe. Bei beiden sind Angehörige an einer Depression erkrankt.
    "Ich heiße Jan P. und bin 71 Jahre alt und habe einen Sohn, der an Depressionen erkrankt ist. Da gab es suizidale Gedanken. Mein Sohn, der ein sehr gutes Zeugnis von seinem Gymnasium gekriegt hat und wo dann väterliche Hoffnungen darauf lagen, er wird mal seinen guten Weg gehen.
    Und dann brach er das Studium nach vier Semestern ab, weil er an einer Depression erkrankte. Er saß vor einer Zwölf-Seiten-Hausarbeit, kriegte die einfach nicht geregelt und ich konnte es nicht verstehen, dass er mit seinem schlauen Kopf doch nicht auf seine Ressourcen zugreifen konnte, dass er das nicht hingebracht hat.
    Und dann haben wir Hilfe geholt. Er fing immer mehr an zu grübeln und immer mehr sich in sein Zimmer zurückzuziehen und eines Tages hat er bei seinem Therapeuten, dem hat er ein Testament gezeigt, das er geschrieben hat und da haben wir uns sehr erschrocken und der Therapeut hat ihn in eine Klinik eingewiesen, wo ich im Nachhinein sage, man ist sehr erschrocken, wenn man das als Elternteil erlebt am Anfang und im Nachhinein war das genau die richtige Maßnahme, das hat ihn gerettet.
    "Und ich sage, ich bin froh, dass er lebt, und freu mich, dass er da ist"
    Ja, da war so viel Selbstzweifel, was hast du falsch gemacht? Da ist ein junger Mann mit einem intelligenten Kopf und der hat auf einmal so ein brüchiges Selbstwertgefühl, dass er sich nicht mehr aus seinem Zimmer traut. Das war sehr leidvoll mit anzusehen.
    Was mir geholfen hat in den dunklen Phasen, sich zurückzuerinnern, was hast du für schöne Zeiten auch mit deinem Jungen erlebt."
    Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Es gibt inzwischen gute Möglichkeiten, Depressionen zu behandeln. Entweder mit Psychopharmaka oder in einer Psychotherapie – ambulant oder in einer Fachklinik. Aber es gibt Behandlungsengpässe, besonders auf dem Land. Drei von vier Patienten, die an einer schweren Depression erkrankt sind, erhalten keine angemessene Therapie.
    Wenn die Ehefrau depressiv wird
    "Mein Name ist Stefan K., ich bin 53 Jahre alt und bei mir ist es die Partnerin, die betroffen ist. Meine Frau ist Diabetikerin seit 40 Jahren und sie hat jetzt seit circa zehn Jahren auch eine Depression bekommen. Heute geht es mir sehr gut. Ich bin hier, kann etwas über die Erkrankung und über mich erzählen, was die Depression auch mit mir macht.
    Die Erkrankung bringt es mit sich, dass ich als Angehöriger, wenn es meiner Frau nicht gut geht, dann Dinge übernehmen muss, um den Alltag aufrecht zu erhalten.
    Und dann kommt es hin und wieder vor, dass ich versuche, meine Frau zu motivieren, sie aber nicht in der Lage ist, auf dieses Angebot einzugehen, und mir einen Korb gibt."
    "Da wächst hin und wieder Unmut"
    Stefan K.: "Man muss darauf achten, dass man nicht anfängt, selbst zum Therapeuten werden zu wollen. Wenn man als Angehöriger gerade am Anfang steht, mit der Situation umgehen muss, dann passiert es sehr oft, dass man sich selbst überfordert, sich selbst über die Rolle neu definiert und wenn man da keine Kontrolle von außen bekommt, da kann man schon seltsam unterwegs sein.
    Ich wünsche mir, dass die Mediziner und Therapeuten das Umfeld, die Angehörigen etwas mehr in die Therapie mit einbinden. Ich finde, da gibt es ganz viel Potenzial im Umfeld des Betroffenen, das man abrufen kann."