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Pulverfass Elfenbeinküste

Anfang November unternahmen die Regierungstruppen des ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo einen Angriff auf den von den Rebellen besetzten Norden der Elfenbeinküste und bombardierten dabei ein französisches Militärcamp. Neun französische Soldaten starben. Präsident Chirac ließ daraufhin die Luftwaffe der ivorischen Armee zerstören.

Von Martina Zimmermann | 19.11.2004
    Normalerweise bilden 5.200 französische Soldaten gemeinsam mit UNO-Blauhelmen eine Pufferzone zwischen dem von den Rebellen besetzten Norden und dem Süden, der unter der Kontrolle von Präsident Gbagbo ist. Doch nun marschierten die Franzosen in Abidjan ein, um die dort lebenden Ausländer zu schützen, darunter 15.000 Landsleute. Denn die Anhänger des ivorischen Präsidenten, die sog. "jungen Patrioten", - seine Partei heißt FPI, "front patriotique ivoirien" - machten Jagd auf Weiße, es kam zu Plünderungen und zu Vergewaltigungen.

    Es klopfte an der Tür. Ich fragte, was ist los? Ich hatte keine Zeit auszureden, da war die Tür auch schon aufgebrochen. Sie kamen herein, haben meine Schubladen ausgeräumt, haben gestohlen, was sie fanden. Einer war in meinem Zimmer, nahm meinen Diplomatenpass, meinen französischen Pass, Geld, meinen Schmuck. Er schaute mich plötzlich böse an, - ich glaube, er stand unter Drogeneinfluß, - und sagte, ich werde dich vergewaltigen und töten. Er hatte eine Machete in der Hand. Im Flugzeug saß neben mir eine Dame, die erzählte, dass ihre junge Nachbarin von vier jungen Männern vergewaltigt wurde. Sie hatte ihr sechs Monate altes Baby im Arm und wollte es nicht loslassen. Ich kenne diese Frau nicht, aber es gab andere Vergewaltigungen, das ist klar.

    Rose Morvan gehört zu den 7.000 Menschen, die in der letzten Woche aus Abidjan evakuiert wurden. Sie lebte 21 Jahre in der Elfenbeinküste. In Paris erstattete die Frau Anzeige, weitere Verfahren wurden eingeleitet wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Eigentumsdelikten.

    Die Elfenbeinküste ist in allen Bereichen Frankreichs wichtigster Partner in Afrika: in Wirtschaft, Handel, Wissenschaft, Kultur. Frankreich leistete lange Zeit mehr als die Hälfte der Entwicklungshilfe; über ein Viertel des Kapitals der Unternehmen in Cote d´Ivoire ist in französischer Hand.

    Die satirische Wochenzeitung "Le Canard Enchainé" verfolgt französische Afrikapolitik seit jeher kritisch. Die Zeitung hatte zum Beispiel in den 70er Jahren den Diamantenskandal von Präsident Valery Giscard d´Estaing aufgedeckt. Afrikaspezialist Jean-Francois Juillard zur Situation in der Elfenbeinküste:

    Selbst wenn es legitim ist, das Leben der Franzosen zu retten: Man sieht französische Soldaten in Waffen in einem Teil der ivorischen Metropole, und man denkt da automatisch an die Bilder der amerikanischen Soldaten in Bagdad. Frankreich kritisiert die amerikanische Politik, und das ist meiner Meinung nach berechtigt, aber es gibt selbst ein Bild ab, das dem der Amerikaner ähnelt, selbst wenn die Aktion anders gerechtfertigt wird. Das ist das Ergebnis vieler Irrtümer und einer recht verantwortungslosen Politik seitens Frankreichs.

    Frankreich schritt 2002 in der Elfenbeinküste ein, um ein Blutbad zu verhindern. Die Rebellen, heute in "Forces Nouvelles" umgetauft, hatten im September vor zwei Jahren den gesamten Norden besetzt und wollten auf die Wirtschaftsmetropole Abidjan marschieren. Frankreich schickte nach einigem Zögern seine Soldaten, die in der sog. "Vertrauenszone" zwischen den verfeindeten Parteien Frieden schaffen sollten.

    Im Januar 2003 kamen alle am Konflikt Beteiligten in einem Rugby-Heim im Pariser Vorort Marcoussis zusammen. Frankreich erwirkte die Unterzeichnung eines Friedensvertrages, der jedoch nie in die Praxis umgesetzt wurde. Präsident Gbagbo wollte den Rebellen nicht so wichtige Posten wie das Verteidigungs- und das Innenministerium geben; die Aufständischen weigerten sich, die Waffen niederzulegen. Die Verhandlungen blieben in einer Sackgasse stecken. Und Präsident Gbabgo nutzte die Zeit, um seine Armee aufzurüsten.

    Die ehemalige Kolonialmacht sitzt zwischen zwei Stühlen: Die Regierung in Abidjan wirft Frankreich vor, die Rebellen zu unterstützen. Die Rebellen behaupten, die Franzosen legitimierten Präsident Gbagbo, den sie schon lange gestürzt hätten, würde Frankreich nicht eingreifen. Heute ist das Verhältnis zwischen den Präsidenten Chirac und Gbagbo wie es scheint endgültig am Nullpunkt. Jacques Chirac stellte die französische Position klar:

    Frankreich ist in der Elfenbeinküste mit dem Mandat der UNO und aller Afrikaner. Das muss ich betonen, denn es handelt sich selbstverständlich nicht um einen Kolonialkrieg. Wir wollen nicht, dass sich ein System entwickelt, das nur zu Anarchie oder zu einem faschistischen Regime führen kann.

    Die Franzosen haben es schwer, mit Präsident Gbagbo zu verhandeln. Er treibt ein doppeltes Spiel. So weist er zum Beispiel die Verantwortung für den Angriff auf das französische Lager zurück.
    Ich kann doch nicht die Order geben, auf die Franzosen zu schießen. Ich bin kein Idiot, und ein Minimum an Intelligenz verlangt, weder Franzosen noch UNO-Soldaten anzugreifen.

    Gbagbo setzte den bisherigen Chef seiner Streitkräfte ab und legte damit die Verantwortung auf dessen Schultern. Doch gleichzeitig machte er einen Hardliner zum Armeechef, der gegen Verhandlungen mit den Rebellen ist. In Abidjan wird Gbagbo wegen seiner Pirouetten "Juninho genannt, wie der brasilianische Fußballspieler, der für seine Dribbelkunst bekannt ist. Der Präsident machte nie ein Hehl daraus, dass er den Friedensvertrag nur notgedrungen unterschrieben hatte.

    Laurent Gbagbo wurde im Jahr 2000 zum Präsidenten gewählt, und er pocht darauf, der legitime Repräsentant der Elfenbeinküste zu sein. Doch, an der Wahl konnte sein größter Rivale, Alassane Ouattara, Führer der wichtigsten Oppositionspartei RDR, "rassemblement des républicains", nicht teilnehmen. Ouattara stammt aus dem muslimischen Norden. Auch die Partei PDCI, "parti democratique de Cote d´Ivoire", die das Land nach der Unabhängigkeit fast vierzig Jahre lang regierte und ihre Hochburg im Zentrum des Landes hat, war von der Wahl ausgeschlossen.

    Als Präsident Gbagbo die Macht erlangt hatte, trieben sog. Todesschwadronen in Abidjan ihr Unwesen, machten Jagd auf Oppositionelle und auf Menschen aus dem Norden. Gbagbos Wortbruch erscheint offensichtlich. Aber Gbagbo ist in Afrika kein Einzelfall. Jean-Francois Juillard vom Canard Enchainé:

    Auf dem französisch-afrikanischen Gipfel im letzten Jahr in Paris sagte Chirac: Die Zeit der Straffreiheit für Politiker ist vorbei. Alle Blicke richteten sich auf Laurent Gbagbo, dessen fremdenfeindliche Politik zu Recht verurteilt wurde. Was man aber vergessen hat, ist, dass rund um den Tisch mit Chirac 14 Staatschefs oder Regierungsvertreter saßen, die ihre Macht einem Staatsstreich verdankten. Von 52 vertretenen Ländern waren 14 Regierungen aus einem Staatsstreich hervorgegangen!

    "Abidjan est grand", Abidjan ist groß, heißt der Laden in der Rue Marcadet im 18. Pariser Arrondissement, in dem Gemüsebananen, Maniok und andere exotische Produkte neben CDs und Kassetten von Stars aus der Elfenbeinküste verkauft werden. Die ivorischen Kunden in diesem Laden sind alle gegen Frankreich aufgebracht:

    Jacques Chirac lässt die armen Ivorer umbringen, ich finde das eklig. Man könnte meinen, wir lebten noch in Kolonialzeiten. Sehen Sie, dass derzeit die zwei Brücken der Elfenbeinküste von den Franzosen kontrolliert werden? Die Franzosen kontrollieren die Ausweise der Ivorer, finden Sie das normal? Warum? Weil wir Gas und Erdöl haben in der Elfenbeinküste? Diamanten haben wir auch. Das ist unser Land. Seit 1960 sind wir unabhängig. Lasst uns die Freiheit, unsere Güter so zu verwalten, wie es uns passt.... Wir wollen keine Blauhelme, wir wollen keine Franzosen. Sie sollen uns unsere Probleme selbst regeln lassen.

    "Jedem seinen Franzosen!" sagt ein Mann. Das ist ein Spruch, mit dem die sog. "jungen Patrioten" in Abidjan Jagd auf Weiße machten.

    Diese Einwanderer aus der Elfenbeinküste gehören ausnahmslos zu den Anhängern von Präsident Gbagbo. Sie waren es auch, die in Paris lautstark demonstrierten.

    Chirac ist der letzte lebende Gallier. Wir wollen seine kolonialistische Politik nicht mehr. .... Kann die Zukunft Deutschlands von Frankreich abhängen?

    Der wütende Demonstrant weiß nicht, dass Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Aliierten gehörte, die sehr wohl über das Schicksal Deutschlands bestimmten. In der Elfenbeinküste droht laut Präsident Chirac ein neuer Faschismus.

    Das Land wurde über 40 Jahre lang von Felix Houphouet-Boigny regiert. Nach der Unabhängigkeit 1962 galt die Elfenbeinküste als die Schweiz Westafrikas, und Houphouet nahm Leute aus den benachbarten ärmeren Staaten mit offenen Armen auf. Sie durften brachliegendes Land bearbeiten und wurden schnell eingebürgert. Als Houphouet 1993 starb, war Alasane Ouattara sein Premierminister. Er hatte der Elfenbeinküste mit einer strengen Sparpolitik zu wirtschaftlichem Aufschwung verholfen. Nach dem Tod des Gründervaters Houphouet übernahm Präsident Konan-Bédié das Ruder.

    Um seinen Widersacher Ouattara auszuschalten, prägte Bédié das Konzept der "ivoirité": Fortan hängt es von der Herkunft des Kandidaten ab, ob er sich für die Präsidentschaftswahl aufstellen lassen kann. Beide Elternteile müssen Ivorer sein.

    Bédié mußte 1999 nach einem Putsch gehen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2000 wurde dann der langjährige Oppositionsführer Laurent Gbagbo gewählt. Ouattara war wiederum nicht Kandidat. Vor der Präsidentenwahl wurde eine neue Verfassung verabschiedet, deren Artikel 35 das Konzept der "ivoirité" besiegelte. Die Stimmung gegen Ausländer oder vermeintliche "Nicht-Ivorer" wird von den Medien angeheizt.

    Der Reggae-Sänger Tiken Jah Fakoly lebt seit zwei Jahren in Mali im Exil. Der Ivorer gehört zu den muslimischen Dioula. Ein Titel seines neuen Albums richtet sich direkt an Präsident Gbagbo, er heißt: Gib die Macht ab!

    Alles fing vor dem Krieg im September 2002 an. Eine Zeitung hatte die nächsten Angriffsziele der Machthaber veröffentlicht. .... Meine Mama kann nicht lesen, aber als sie mein Foto auf der ersten Seite sah, kaufte sie die Zeitung. Sie ließ sie sich vorlesen und rief mich sofort an und sagte, mein Sohn, hau sofort ab. So ging ich weg. Ich denke, wäre ich dort geblieben, wäre ich heute nicht mehr da. Die Leute wissen, dass viele jungen Menschen auf mich hören und die Machthaber hätten es nicht geschätzt, dass ich meine Meinung über ihr Verhalten kundtue, über die Gründe dieses Krieges.

    Das Land zählt mindestens 26 Prozent Ausländer und über 60 verschiedene Ethnien. Zahlenmäßig dominieren die Bewohner aus dem Norden. Doch mit der Unabhängigkeit kamen die "Baoulé", die Ethnie des ersten Präsidenten Houphouet-Boigny, an die Macht. Houphouet machte sein Geburtsdorf Yamoussoukro zum politischen Zentrum. Houphouets Nachfolger Bédié wurde 1999 gestürzt. Der Putsch des General Guei setzte einer langen Phase der Stabilität ein Ende. (Guei wurde übrigens beim Umsturzversuch am 19. September 2002 getötet.)

    Mit Laurent Gbagbo sind seit dem Jahr 2000 die Völker aus dem Süden und dem Westen am Ruder. Und die finden das Konzept der "ivoirité" zumeist völlig in Ordnung. In Paris demonstrierten aber auch die Gegner von Laurent Gbagbo.


    "Er wird die Elfenbeinküste und ganz Westafrika in Flammen setzen. Frankreich darf das nicht zulassen. Gbago muß gehen!" So die Forderung dieser Demonstranten.

    Er lässt Unschuldige umbringen in der Elfenbeinküste. Ich heiße Mohamed Traore, und mit diesem Namen habe ich kein Recht, meinen Ausweis zu verlängern, weil ich aus dem Norden komme. Ich bin Ivorer, ich habe meinen Paß. Aber wenn ich in die Elfenbeinküste zurückgehe und die Polizei mich kontrolliert, werde ich geschlagen.

    In westlichen Medien wird der Konflikt nicht selten als Krieg zwischen dem armen muslimischen Norden und dem reichen christlichen Süden dargestellt, als eine Art Stammes- oder Glaubenskrieg. Doch diese Interpretation weisen Anhänger wie Gegner von Laurent Gbagbo zurück. Auch der Franzose Jean-Luc, der in Abidjan lebte, betrachtet die Situation differenzierter:

    Das ist nicht so einfach. Leute aus dem Norden wohnen im Süden. In Abidjan lebt eine Mehrheit von Muslimen. Man kann bei 60 Ethnien auch nicht von einem ethnischen Konflikt reden. Es gibt Katholiken im RDR, der Partei, die eher den Norden repräsentiert, und es gibt Muslime in Gbagbos Partei FPI. Dann gibt es die traditionelle Partei von Houphouet, den PDCI, das ist nicht so einfach. Das ist sehr kompliziert. ... Wer ist Ivorer und wer nicht? In Frankreich ist das Staatsangehörigkeitsrecht mehrere Jahrhunderte alt, das ivorische geht auf die Unabhängigkeit der Elfenbeinküste zurück, das Land hat Grenzen, die zur Kolonialzeit willkürlich gezogen wurden und Ethnien wie die Senoufo und die Dioula im Norden, die in zwei Ländern leben. Wer ist Ivorer, wer nicht?
    Wollen sie ein demokratisches Land, muss es Wahlen geben. Aber wenn man eine Wahl abhält, benötigt man Wählerkarten. Um die zu bekommen, ist die ivorische Staatsangehörigkeit Voraussetzung. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.


    Der Friedensvertrag von Marcoussis sieht vor, das Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren. Für weiteren Konfliktstoff sorgt das Bodenrecht. "Das Land gehört dem, der es bearbeitet." lautete die Devise von Staatsgründer Houphouet-Boigny. Doch mittlerweile mangelt es an Boden. Ein neues Gesetz sieht vor, dass allein Ivorer Land besitzen dürfen, keine Ausländer und keine aus dem Ausland stammenden Bürger. Sie sollen weiterhin das Land bewirtschaften, aber nicht mehr vererben können. Auch diese Frage soll laut Friedensvertrag von Marcoussis neu diskutiert werden.

    Auf diesen Friedensvertrag pochen die Rebellen der Forces Nouvelles und die anderen Oppositionsparteien. Ihr gemeinsamer Feind ist Laurent Gbagbo. Ein Sprecher des RDR, Gnizako Gogua, erklärt:

    Wir wollten mit Laurent Gbagbo zusammenarbeiten, um den Frieden in der Elfenbeinküste wiederherzustellen. Er hat sich immer mit Händen und Füßen gewehrt, die Friedensverträge umzusetzen. Die Bevölkerung der Côte d´Ivoire, zumindest die im Norden, lebt nach den Angriffen ohne Strom und Wasser und befindet sich in Lebensgefahr. Es besteht das Risiko von Epidemien. ... Ist Gbagbo qualifiziert, um Präsident der Elfenbeinküste zu sein? Nein, er ist es nicht.

    Keine Seite will Zugeständnisse machen. Die Fronten verhärten sich, beide Lager sind bereit, zu kämpfen und zu sterben. Doch offiziell halten die Diplomaten in Paris immer noch am Friedensvertrag von Marcoussis als einziger Lösung fest. Dieser Vertrag wurde übrigens auch von der UNO und mehrmals von den afrikanischen Staatschefs bekräftigt, zum letzten Mal im Juli in Ghanas Hauptstadt Accra.

    Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängte am Montag ein sofortiges Waffenembargo über die Elfenbeinküste, als Sanktion für die Verletzung des 18 Monate anhaltenden Waffenstillstandes Anfang November durch die Regierungstruppen. Die UNO gibt den verfeindeten Parteien einen Monat, um die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen, sonst werden weitere Sanktionen angedroht.

    Frankreich handelt heute nur noch in Absprache mit den afrikanischen Ländern und der UNO. Es ist nicht mehr so wie direkt nach der Unabhängigkeit, als Paris die einstigen Kolonien als seinen Vorhof, als "précarré", betrachtete und etwa 20 Mal einschritt, um die Ordnung wiederherzustellen, oder um die jeweiligen Machthaber auf dem Posten zu halten.

    Frankreich ohne Afrika ist wie ein Auto ohne Benzin. Afrika ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Fahrer.

    So beschrieb Gabuns Präsident Omar Bongo einmal die Beziehungen. Doch seit den 90er Jahren wollen weder konservative noch sozialistische Regierungen Gendarm in Afrika spielen. Nichteinmischung heißt die neue Doktrin. Mit der Operation Licorne der französischen Armee in der Elfenbeinküste hingegen begann eine Afrikapolitik, die als "ni ni" bezeichnet wird, zu deutsch: "Weder noch": weder Einmischung noch Neutralität. Jean-Francois Juillard:

    Ich glaube, keiner hat die Lösung. Jeder weiß, es wird sehr lange dauern, aus dieser sehr komplexen Vergangenheit herauszukommen, die uns gleichzeitig an die Afrikaner bindet und die uns trennt. Es braucht eine Wiederversöhnung, es gilt, Rachsucht, Neid und Ressentiments zu bekämpfen. Zum Beispiel müßte sich Frankreich für Übergriffe entschuldigen, die es in manchen afrikanischen Ländern begangen hat, für die Ausbeutung des Bodens, für seine Kolonialpolitik. Eine Wiederversöhnung wäre wichtig. Das soll nicht heißen, dass Afrika es dann allein schaffen wird und dass es keine Partnerschaft mehr bräuchte, aber vielleicht auf einer neuen Basis.

    In Abidjan scheint sich die Lage vorerst beruhigt zu haben. In Folge der politischen Unruhen hat sich die wirtschaftliche Situation der Elfenbeinküste in den letzten Jahren jedoch dramatisch verschlechtert.

    Jetzt gehen die Leute immerhin wieder zur Arbeit. Die Häfen wurden geöffnet, Kakao und Kaffee können wieder exportiert werden. Manche der evakuierten Franzosen werden wohl zurückkehren. Doch das Land bleibt ein Pulverfaß. Und die Leidtragenden sind zuallererst die Menschen, die in der Elfenbeinküste leben.