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Pussy Riot
Keine Angst vor Putin

In Moskau sprachen die beiden freigelassenen Mitglieder der Performance-Gruppe Pussy Riot vor der Presse über ihre weiteren Pläne. Von Einschüchterung fehlt jede Spur.

Von Gesine Dornblüth | 27.12.2013
    Maria Alyokhina (links) und Nadezhda Tolokonnikova, Mitglieder der russischen Punk-Band Pussy Riot.
    Pussy Riot wollen künftig "Stimme der Gefangenen" sein (dpa / picture alliance / Bobylev Sergei)
    Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina, die vorzeitig aus der Haft entlassenen Performance-Künstlerinnen von Pussy Riot, wollen sich künftig für russische Häftlinge einsetzen. Die Zustände im russischen Strafvollzug sind berüchtigt: Rechtlosigkeit, Gewalt, Willkür. Vergehen an Insassen werden von der Lagerleitung oft vertuscht. Aljochina und Tolokonnikowa wollen dafür sorgen, dass Beschwerdebriefe der Häftlinge ernst genommen werden. Marija Aljochina:
    "Wenn wir die Kriminalität in unserer Gesellschaft senken wollen, wenn wir wollen, dass entlassene Häftlinge nicht rückfällig werden, dann müssen wir die Zustände in den Lagern ändern. Das müssen WIR tun! Die Macht tut das nicht, sie ist nur daran interessiert, dass die Häftlinge möglichst viele Polizeiuniformen nähen."
    Sie hätten bereits viele Mitstreiter gefunden, darunter prominente Oppositionelle und Juristen. Finanzieren wollen sie ihr Projekt über Spenden.
    Tolokonnikowa und Aljochina wirkten nachdenklich und besonnen bei ihrer zweistündigen Pressekonferenz. Die Haft habe sie verändert. Beide machten klar, dass sie sich auch weiterhin politisch einmischen wollen. Und sie kritisierten Präsident Putin persönlich. Die 24-jährige Tolokonnikowa:
    "Putin ist ein Tschekist mit vielen Ängsten. Er umgibt sich mit Wänden und sieht die Realität dahinter nicht. Vieles, was er über Pussy Riot gesagt hat, ist weit von der Wirklichkeit entfernt. Aber er hat es mit so einer Überzeugung gesagt, dass man sah, dass er wirklich daran glaubt."
    Tolokonnikowa: Amnestie nicht überbewerten
    Tolokonnikowa sagte, das Schlimmste an Putins Russland sei, dass Oppositionelle keine Mittel hätten, sich Gehör zu verschaffen. Und sie warnte davor, die Amnestie in Russland überzubewerten.
    "Einige sprechen jetzt von Tauwetter in Russland. Das ist es nicht. Im Gegenteil. Was jetzt in Russland passiert, hat nichts mit Humanismus zu tun. Die Macht ist lediglich unter dem öffentlichen Druck aus Russland und dem Ausland einen Schritt zurückgewichen."
    Beide Frauen bedankten sich bei ihren Unterstützern im In- und Ausland. Die 25-Jährige Aljochina:
    "Das ist ein Beispiel dafür, wie viel Kraft eine Gesellschaft tatsächlich entwickeln kann. Was man erreichen kann, wenn sich viele zusammentun. Dass wir vorzeitig entlassen wurden, haben wir nur der Gesellschaft zu verdanken."
    Staatsnahe Medien ignorieren den Auftritt
    Die Pressekonferenz wurde vom unabhängigen russischen Fernsehsender Doschd TV live ausgestrahlt. Der Kanal ist in vielen Gegenden in Russland nur per Internet zu empfangen. In den staatsnahen Medien hingegen wurde der Auftritt der beiden Frauen weitgehend ignoriert.
    Die russische Gesellschaft ist hinsichtlich der Aktion von Pussy Riot gespalten. Das unabhängige Levada-Zentrum veröffentlichte heute eine Umfrage, der zufolge 40 Prozent der Befragten die vorzeitige Entlassung Tolokonnikowas und Aljochinas befürworten. Ebenso viele lehnen die Amnestie für die beiden ab.