Donnerstag, 25. April 2024

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Putin-Besuch in Österreich
Russland-Experte: Kreml will populistische Parteien fördern

Eine freundschaftliche Beziehung zu Russlands Präsident Waldimir Putin habe in Österreich vor allem die rechtspopulistische FPÖ, sagte der Russland-Experte Klaus Segbers im Dlf. Aus Putins Sicht sei es sinnvoll, gerade die Parteien zu stärken, die zu einer Schwächung der EU beitragen könnten.

Klaus Segbers im Gespräch mit Stefan Heinlein | 05.06.2018
    Der österreichische Bundespräsident Van der Bellen und Russlands Präsident Putin schreiten in Wien gemeinsam die Reihen der österreichischen Soldaten ab.
    Der österreichische Bundespräsident Van der Bellen empfing den russischen Präsidenten Putin in Wien mit militärischen Ehren (AP / Ronald Zak)
    Stefan Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt Professor Klaus Segbers, Russland-Experte von der FU Berlin. Guten Abend, Herr Professor.
    Klaus Segbers: Guten Abend.
    Heinlein: Ist das für Putin in Wien tatsächlich ein Besuch bei Freunden?
    Segbers: Ich glaube, da muss man ein bisschen differenzieren. Es gibt sicher bessere Freunde und entfernte Freunde und vielleicht auch gar keine Freunde bei denen, die er sieht.
    Er hat ja auch heute seine politischen Begegnungen mit Personen abgehalten, die sehr unterschiedlichen Parteien angehört haben. Dreien nämlich: der Bundespräsident, der Bundeskanzler und der Vizekanzler. Und während man bei dem Vizekanzler und seiner politischen Gruppierung vielleicht schon zumindest aus Sicht der FPÖ von Freundschaft sprechen kann, ist das bei Herrn Kurz ein bisschen weniger der Fall und beim Bundespräsidenten wahrscheinlich noch weniger. Insofern muss man da auch etwas differenzieren.
    Segbers: Russland an Schwächung der EU interessiert
    Heinlein: Wie eng sind denn die Kontakte des Kreml zu rechtskonservativen europakritischen Parteien wie der FPÖ in Österreich oder in Deutschland der AfD?
    Segbers: Sie sind schon ziemlich eng. Das ist eine Strategie, die die russische Regierung will ich mal nicht sagen, aber die russische Führungsgruppe, vor allen Dingen auch die Partei Einheitliches Russland vor ein paar Jahren entwickelt und auch umgesetzt hat, vor allen Dingen die Parteien in Europa, in der EU zu fördern, entweder rechtspopulistisch, gelegentlich auch linkspolitisch wie Syriza in Griechenland, von denen sie erwarteten und die Hoffnung haben konnten, dass sie entweder eigene russische Positionen vielleicht unterstützen würden, oder aber - noch wahrscheinlicher - von denen sie erwarten konnten, dass sie im Falle ihres Erfolges, denn all diese Partner waren populistisch orientiert, zu einer Schwächung der EU beitragen würden.
    Und da kann man schon sagen, dass das auch ein russisches Interesse mit bedient, obwohl Putin das heute abgestritten hat. Insofern macht das eine gewisse Logik. Wenn eine Schwächung der EU eventuell ein russischer Vorteil sein könnte aus Putins Sicht, zum Beispiel in dem Punkt der Sanktionen, dass dann mehr gegen die Sanktionen antreten würden in der EU, dann macht das Sinn, gerade die Parteien zu stärken, die den Konsens der EU eher schwächen.
    Siege populistischer Parteien "mit Freude gesehen"
    Heinlein: Sie haben es kurz erwähnt: In einem Interview vor seinem Besuch hat Putin erklärt, je mehr Probleme die EU habe, desto mehr Probleme habe auch Russland. Sie nehmen Putin diese Behauptung keinesfalls ab?
    Segbers: Nein. Ich gehöre zu den Menschen, die sich die Freiheit nehmen, da auch anderer Auffassung zu sein, und das ist einer der Punkte, wo ich das dann auch bin. Ob das objektiv im russischen Interesse ist oder nicht, das ist noch eine andere Frage. Aber was im Interesse derjenigen ist, die gerade die russische Führung ausmachen, mit Putin an der Spitze, das sieht, glaube ich, diese Gruppe schon so, dass wenn die EU nicht mit einer Stimme sprechen kann, sondern gespalten ist in manchen Fragen, zum Beispiel auch in der Pipeline Northstream II oder auch der Sanktionsfrage oder auch der Syrien-Frage oder Ukraine-Frage, dass das dann für Russland angenehmer ist, als wenn die EU sich da einig ist.
    Heinlein: Um es auf den Punkt zu bringen, Herr Professor: Putin versucht, die EU zu spalten?
    Segbers: Das ist ein großes Wort, weil ich glaube nicht, dass es ihm gelingen wird, die EU wirklich gültig und auf Dauer zu spalten, aber dass russische Medien und auch russische Politiker es nicht mit Trauer sehen, wenn wir Wahlergebnisse haben wie zum Beispiel jetzt vor wenigen Tagen in Italien, in Rom, wo ja die Russland-Problematik auch im Wahlkampf eine große Rolle gespielt hat bei beiden populistischen Parteien, vor allen Dingen bei der Lega. Wenn die dann zu den Wahlgewinnern zählen, das wird in Moskau bei dieser Gruppe sicherlich mit Freude gesehen.
    Segbers: In Brüssel könnten Probleme entstehen
    Heinlein: Sie haben das Thema Sanktionen schon kurz angesprochen. Die neue rechtskonservative Regierung in Österreich ist in dieser Frage, in der Sanktionsfrage ja deutlich lockerer, deutlich kompromissbereiter als die Bundesregierung und als auch Brüssel. Hofft Putin mit seinem Besuch in Österreich, dass im kommenden halben Jahr, wenn Wien die EU-Ratspräsidentschaft hat, tatsächlich es gelingt, vielleicht eine Lockerung der EU-Sanktionen zu erreichen?
    Segbers: Wie sehr er das hofft, fällt mir schwer zu beurteilen. Aber das wäre sicher im Interesse dieser Gruppierung, über die wir hier sprechen, wenn das der Fall wäre. Ich glaube allerdings, dass die österreichische Präsidentschaft da vielleicht weniger eine Rolle spielt als die eben schon erwähnte neue Situation der politischen Konstellation in Italien, wo die beiden Parteien, die Fünf Sterne und die Lega, sich ja doch sehr russlandfreundlich äußern.
    Und ich denke, dass dies einer der Punkte sein wird, der in den kommenden Wochen und Monaten wahrscheinlich auch zu vielen Diskussionen, eventuell auch zu Problemen in Brüssel führen könnte. Italien ist eines der Gründungsmitglieder der EU und ein Staat von anderem Gewicht bei der Sympathie für Russland immer noch als Österreich, und auf der Seite könnten eher Probleme entstehen, denke ich, als auf der österreichischen.
    Gründe für Sanktionen "immer wieder ins Gedächtnis rufen"
    Heinlein: Wir müssen gar nicht über die Alpen gehen. Auch in Deutschland gibt es ja nicht nur bei der SPD durchaus Forderungen nach einem Ende der Sanktionen. Wird diese Debatte aus Ihrer Sicht deutlich zunehmen, je stärker die transatlantische Partnerschaft mit Donald Trump oder durch Donald Trump in Frage gestellt wird?
    Segbers: Ich würde vermuten, dass sie noch ein Stück weiter zunehmen wird, aber eher aus Gründen der veränderten innenpolitischen Konstellationen in einigen Ländern, die wir schon diskutiert haben, wo dieses Thema mit eine Rolle spielt. Ich glaube nicht, dass das so viel mit Trump zu tun hat, der ja selber sehr unentschieden und widersprüchlich agiert. Auf der einen Seite gibt er sich sehr russlandfreundlich oder Putin-freundlich; auf der anderen Seite hat er aber teilweise schärfere Sanktionen verhängt, als die EU sie bisher verhängt hat.
    Ich denke, dass das eher EU-interne Gründe sind, und wir tun gut daran, denke ich, innerhalb der EU uns immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, warum diese Sanktionen denn eigentlich verhängt wurden und ob die Ursachen, die zu ihnen beigetragen haben, eigentlich behoben sind oder nicht.
    Sanktionen als " Preisschild für Fehlverhalten"
    Heinlein: Aus der Sicht eines Russland-Kenners, eines Kenners des Kremls - wie sinnvoll sind denn aus Ihrer Sicht überhaupt noch diese Sanktionen? Viele bezweifeln ja deren strategische Wirkung.
    Segbers: Das kommt darauf an, welche Erwartungen man an diese Sanktionen hat. Es gibt ja eine lange Geschichte international über viele Jahrzehnte. Das können wir jetzt nicht alles aufarbeiten, wie Sanktionen wirken. Da haben wir Südafrika zum Beispiel; am Ende der Apartheid haben Sanktionen mit dazu beigetragen. In anderen Fällen sind sie eher gescheitert. Es gibt aber unterschiedliche Gründe für Sanktionen. Sanktionen können den Grund haben oder die Absicht verfolgen, einen Tatbestand zu verändern. Wenn das der einzige Grund wäre müsste man sagen, die Krim ist immer noch im Machtbereich Russlands, hat bisher nichts geholfen, dann haben sie vielleicht keine große Wirkung.
    Sanktionen haben aber außerdem auch die Funktion, ein Preisschild an Fehlverhalten, an Regelverletzungen zu setzen, und das war eine klare Regelverletzung, die Annexion der Krim und die Einmischung in der Ostukraine. Insofern würde man sagen, Sanktionen beibehalten, weil der Preis gilt immer noch, der Sachverhalt ist immer noch da. Und drittens und letztens gibt es auch eine Funktion von Sanktionen, möglichen künftigen Regelverletzungen anzuzeigen, wie man damit umgehen würde, nämlich nicht einfach durchwinken und sagen, weiter machen. Insofern würde ich sagen überwiegt immer noch die Argumentation, die Sanktionen beizubehalten.
    "Brückenbau" im Augenblick nicht nötig
    Heinlein: Zum Ende unseres Gespräches, Herr Professor, vielleicht zum Ausgangspunkt unseres Gespräches: Österreich. Kann die Alpenrepublik tatsächlich auch in dieser Sanktionsfrage eine Mittlerfunktion zwischen Moskau und Brüssel einnehmen?
    Segbers: Wenn das so wäre, dass auf beiden Seiten vorherrschen würden politische Kräfte, die Interesse an einer Vermittlung hätten und an einer Beilegung oder Rücknahme oder Aufhebung der Sanktionen, dann könnte das der Fall sein. Aber im Augenblick scheint es mir immer noch, dass vor allen Dingen die Dynamik zwischen großen Akteuren in der EU, Frankreich und Deutschland zum Beispiel in dieser Frage, auch Polen und einige andere, vor allen Dingen Nordeuropa, auch die baltischen Länder, dass da unverändert die Situation ist, die Interessenlage ist, weil der Sachverhalt unverändert gegeben ist, die Sanktionen jetzt nicht anzufassen. Von daher glaube ich, dass es von daher auch im Augenblick eines Brückenbaus in dieser Weise nicht wirklich bedarf.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk der Berliner Russland-Experte Klaus Segbers. Wir haben das Gespräch vor dieser Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.