Freitag, 26. April 2024

Archiv


Quälgeist auf Expansionskurs

Die Asiatische Tigermücke gehört zu den 100 invasivsten Arten auf diesem Planeten. Sie hat sich in ganz Italien ausgebreitet, an der französischen und der spanischen Mittelmeerküste. Die Tigermücke stammt ursprünglich aus Südostasien, aus subtropischen Gefilden, darum kommt sie mit dem Klima im Mittelmeerraum gut zurecht. Wissenschaftler der Universität Liverpool haben jetzt modelliert, welche Gebiete in Europa durch den Klimawandel in Zukunft für die Tigermücke geeignet werden können.

Von Joachim Budde | 25.04.2012
    Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) brütet von Natur aus in Baumhöhlen, in der Kulturlandschaft legt sie ihre Eier aber auch in kleine künstliche Behälter wie Blumenvasen oder weggeworfene Getränkedosen. Sie ist ein richtiggehender Lästling, ihre Stiche sind sehr schmerzhaft, was sie aber gefährlich macht: Die Tigermücke kann mehr als 20 Viren übertragen, darunter so ernste Krankheiten wie Dengue, das Westnil-Virus oder Chikungunya.

    Die Tigermücke stammt aus Südostasien, also aus den Subtropen und Tropen. In den letzten 30 Jahren hat sie sich jedoch rund um den Globus ausgebreitet. In Italien beispielsweise ist sie seit den 90er-Jahren heimisch. Inzwischen hat sie sich nach Südfrankreich und an die spanische Mittelmeerküste, nach Kroatien, Albanien und Griechenland ausgebreitet - weil ihr das Klima liegt, sagt Cyril Caminade von der School of Environmental Sciences an der Universität im britischen Liverpool.

    "Wichtig sind die Temperaturen im Winter, die jährliche Niederschlagsmenge und die Sommertemperaturen - Trockenperioden während des Sommers zum Beispiel schränken die Ausbreitung der Mücke ein. Außerdem dürfen die Tage im Herbst nicht zu früh zu kurz werden. Sonst beginnt das Insekt zu früh mit Überwintern."

    Die Tigermücke bevorzugt Gegenden, in denen die mittlere Temperatur im Januar über zwei Grad Celsius bleibt und jährlich mindestens 900 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter fallen. In Deutschland und dem Rest Mitteleuropas ist es der Tigermücke bisher zu kalt.

    Caminade und seine Kollegen haben modelliert, welche Regionen Europas sich im Zuge des Klimawandels zu günstigen Gebieten für die Tigermücke entwickeln könnten.

    "Das sind im Wesentlichen Nord- und Mitteleuropa, vor allem die Beneluxstaaten und Nordfrankreich, aber auch der Westen Deutschlands, der in Zukunft besonders bedroht ist. Außerdem der Balkan, aber auch der Süden Englands, weil dort das Klima sehr mild ist. Selbst wenn die Temperaturen nur um wenige Grad steigen, kann das wirklich große Auswirkungen haben."

    Die Forscher haben drei verschiedene Klimamodelle ausgewertet, sagt Caminade.

    "Dieser Ansatz wird immer häufiger angewandt in der Wissenschaft. Man vergleicht die Daten mehrerer Modelle und schaut: Worin stimmen sie überein, wo widersprechen sie sich und warum. Auf diese Weise kann man mehr Vertrauen haben in die Ergebnisse seiner Arbeit."

    Die Modelle, die die Wissenschaftler verwendet haben, stimmen darin überein, dass in Nordeuropa vor allem die Winter wärmer werden. Für Südeuropa hingegen erwarten sie heißere und trockenere Sommer. Darum vermuten die Forscher, dass sich die Mücken in den Regionen rund um das Mittelmeer weniger wohlfühlen werden. Eine Sache gibt der Klimaforscher jedoch zu bedenken:

    "Selbst wenn das Klima passt, die Mücke wird nicht wie von Zauberhand in diese Gebiete gelangen, sondern sie muss eingeführt werden, etwa durch den Warenverkehr."

    Nach Italien zum Beispiel ist die Tigermücke in alten Autoreifen gelangt. Gebrauchte Reifen in Sondergrößen - etwa für Militärfahrzeuge - haben einen erheblichen Marktwert und werden weltweit gehandelt. Weil die Reifen unter freiem Himmel gelagert werden, kann die Mücke ihre Eier hineinlegen, und sie werden mit den Reifen verschifft. Am Zielort schlüpfen die Mücken.

    In Deutschland machen sich Mückenjäger Sorgen um den Oberrhein, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen ist es in dieser Region landesweit am wärmsten. Zum anderen haben Monitorings jüngst gezeigt, dass offenbar immer wieder Exemplare der Tigermücke mit Fahrzeugen aus Italien über die Alpen nach Baden-Württemberg gelangen.