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Radar für große Brecher

Energie.- Bereits in zehn Jahren sollen Dutzende Windparks in Nord- und Ostsee so viel Strom liefern wie mehrere Kernkraftwerke. Doch heftiger Seegang könnte den Anlagen auf Dauer stark zusetzen. Eine spezielle Radartechnologie soll Riesenwellen analysieren.

Von Frank Grotelüschen | 01.09.2009
    Ein Windrad auf hoher See muss einiges aushalten: Heftige Böen, aggressives Salzwasser, hohen Seegang und kräftige Brecher. An sich sind die Anlagen natürlich so stabil konstruiert, dass sie selbst dem heftigsten Orkan trotzen sollten. Ein bislang unbeachtetes Phänomen aber könnte ungeahnten Ärger machen, meint Friedwart Ziemer vom GKSS-Forschungszentrum Geesthacht bei Hamburg. Er befürchtet, dass:

    "Wenn eine Vielzahl von Mühlen in einer bestimmten Gegend stehen, dass diese Mühlen eine Art Interferenz in dem Wellenfeld erzeugen, die zu einzelnen höheren Wellen führen könnten."

    Etwas übertrieben formuliert könnte es sein, dass ein Windpark als eine Art Brennglas für Meereswellen fungiert: Womöglich nämlich werden die vielen Dutzend Mühlen den Seegang derart beeinflussen, dass sich ab und zu extreme Brecher bilden: Wellen so hoch und so steil, dass sie den Windrädern ernsthaft zusetzen könnten. Nur: Was ist dran an diesem Verdacht? Um das zu beantworten, haben sich Ziemer und seine Leute ein Experiment auf hoher See einfallen lassen: Ein Radargerät, montiert hoch oben auf dem Mast auf "Fino 3". So heißt eine nagelneue Messstation mitten in der Nordsee, rund 80 Kilometer westlich von Sylt.

    "Von außen her sieht das so aus wie ein normales Schiffs-Radargerät."

    Doch das zusammen mit Experten aus St. Petersburg entwickelte Radar hat eine Besonderheit. Es funktioniert auf Basis des Dopplereffekts.

    "Man kennt ja den Dopplereffekt akustisch. Beim Motorrad ist es besonders schön, wenn es mit der gleichen Geschwindigkeit an einem vorbeifährt. Aber man hat den Eindruck, es würde schneller werden, wenn es auf einen zukommt und wird langsamer, wenn es wegfährt, einfach weil sich die akustische Frequenz ändert."

    Das Radar auf dem Mast von "Fino 3" schickt seine Signale mitten in die hohe See. Die Wellen streuen einen kleinen Teil der Radarsignale zurück. Und da sich die Wellen nun mal bewegen, verändert sich dadurch die Frequenz des Signals - ganz ähnlich wie bei dem vorbeifahrenden Motorrad. Genau daraus können die Forscher dann ermitteln, wie schnell sich die Wellen auf die Messstation zu bewegen. Der Clou: Die Technik erlaubt es sogar, einzelne Brecher zu verfolgen.

    "Wir haben unser Gerät Anfang Juli aufbauen können und werden im Herbst mit den Messungen beginnen."

    Denn Herbstzeit ist schließlich Sturmzeit. Zunächst werden Ziemer und seine Leute den ungestörten Ozean vermessen - das Meer ohne Windräder. Dann planen sie, den Mast von "Fino 3" als Störfaktor mit einzubeziehen.

    "Weil dem so ist, werden wir im September mit dem Schiff hinfahren und von außen an die Plattform mit dem Radar herangucken, um zu sehen, wie die Wellen an der Plattform vorbeiziehen."

    Erste Resultate könnten Mitte nächsten Jahres auf dem Tisch liegen, sagt Ziemer.

    "Unsere Untersuchung ist hauptsächlich Grundlagenforschung. Da wird uns im Moment noch kein Ingenieur die Ergebnisse sofort vom Schreibtisch holen. Aber wenn wir sie veröffentlich haben, denke ich schon, dass sie Eingang finden werden in die Berechnungen von Offshore-Bauwerken."

    Fernziel aber ist, eines Tages einen gesamten Windpark per Radar zu vermessen. Erst dann nämlich wird sich verlässlich beurteilen lassen, ob tatsächlich durch das Zusammenspiel vieler Windräder hohe Brecher entstehen können.