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Radio Bagdad

Irak. - Das Bundesaußenministerium hat viel Erfahrung mit Projekten zum Aufbau unabhängiger Medienstrukturen in Krisenregionen. So bilden deutschen Journalisten in Afghanistan junge afghanische Kollegen mit Mitteln des Außenamtes aus. Jetzt finanziert Fischers Behörde ein Radioprogramm für Bagdad. Medienwissenschaftler sprechen von einem Präzedenzfall, da die staatlich finanzierte Sendung auch von einem gebührenfinanzierten Sender in Berlin ausgestrahlt werden wird.

Von Philip Banse | 22.05.2004
    Normalerweise verdient Klaas Glenewinkel sein Geld damit, Pressekonferenzen und Vorträge im Internet zu übertragen. Bei einem Bagdad-Besuch vor einem Jahr stellte er jedoch fest, dass sich dort viele über ein informatives Jugendradio freuen würden. Er lernte auch Journalisten kennen, die so ein Radio auf die Beine stellen könnten. Doch in der jetzigen Situation könnten die dort keinen klaren Gedanken fassen, sagt Glenewinkel. Und ihm sei die Lage zu riskant, um in Bagdad ein Lokalradio zu aufzubauen. Weil auch der Geldgeber, das Auswärtige Amt, sagte, es sei besser, die Reisewarnungen zu beachten, kam es zu einem Kompromiss: Die Redaktion sitzt in Berlin und das Außenministerium fördert zunächst ein Pilotprojekt. 84.000 Euro zahlt der Bund nun für eine tägliche Radiosendung für Bagdad, 90 Minuten, jeden Tag, sechs Wochen lang. In guten einem Monat geht’s los. Organisator Klaas Glenewinkel, will kein politisches Bildungsprogramm machen:

    Es geht inhaltlich in erster Linie um die Lebensentwürfe einer jungen Generation in Bagdad. Es geht also weniger darum direkt politische oder religiöse Themen anzusprechen. Wir haben das Gefühl, dass die Leute, mit denen wir zu tun haben, dass die eher an Fragen Interessiert sind: Wie komme ich in meiner Karriere weiter? Wo kann ich mal ins Ausland? Wo kann ich dieses und jenes studieren? Wo kriege ich einen Job oder wo kriege ich ein Auto her? Wie werde ich das, was ich werden will?

    Drei irakische Moderatoren wurden aus Bagdad eingeflogen, so könnten sie das Leben in Bagdad mal in Ruhe von Außen betrachten, sagt Glenewinkel. Sechs deutsche Journalisten unterstützen sie, aber gesprochen wird Arabisch. Vor islamistischer Propaganda habe man keine Angst, sagt ein Sprecherin des Außenministeriums, man vertraue auf die guten Erfahrungen mit anderen Medien-Projekten dieser Art. Da viele Jugendliche in Bagdad ein Handy besitzen, sollen sie live in der Sendung anrufen, aus ihrem Alltag berichten und mit Studiogästen diskutieren. Daher der Name: Telephone FM. Die Anrufe sollen - für die Iraker kostengünstig - über das Internet in die Berliner Redaktion geschaltet werden. Das Radio-Signal leitet Glenewinkels Firma dann ebenfalls übers Internet zurück nach Bagdad. Dort soll die Radioshow von einem Bagdader Radiosender per UKW ausgestrahlt werden. Stationen, die die tägliche Sendung in ihr Programm integrieren wollen, gibt es genug, sagt Glenewinkel. Gut einen Monat vor Sendebeginn hätten sie sich jedoch noch nicht entschieden.

    Die meisten Sender in Bagdad sind politisch motiviert oder religiös motiviert, fast keiner ist rein kommerziell, was ja noch das kleinste Übel wäre. Das heißt, wir werden nicht drum rum kommen, mit Interessen orientierten Sendern zusammen zu arbeiten.

    Glenewinckels Favorit ist bisher FM Bagdad, das Radio der Kommunistischen Partei und damit des kommunistischen Kulturministers, Mufid al-Jazairi. Der sagt zum Radioprojekt:

    Es ist ein interessantes Experiment und wird vielleicht erfolgreich sein. Ich persönlich werde ihnen dabei helfen.

    Ein Lokalradio für Jugendliche in Bagdad, produziert in Berlin. Macht das Sinn?

    Warum nicht? Andere senden aus London oder Paris, warum nicht aus Berlin?

    Das Programm wird jedoch auch in Berlin zu hören sein. Die RBB-Welle Mulitikulti will die anderthalbstündige Sendung täglich über UKW ausstrahlen. Eine staatlich finanzierte Sendung in einem gebührenfinanzierten und zur strikten Staatsferne verpflichteten Sender – Jan Krone, Medienwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, sieht darin kein Problem. Denn nicht die Finanzierung der Sendung sei entscheidend, sondern, dass die Redakteure frei entscheiden können.

    Das heißt also, es darf kein Druck von Außen ausgeübt werden. Sie können sich aussuchen: Nehmen wir das? Egal, wie es finanziert wurde. Sie wissen das im RBB, und sie sagen, es ist trotzdem ne gute Sache und wir bieten hier die Bühne.

    Dass Telephone FM ein Erfolg wird, bezweifelt Klaas Glenewinkel nicht. Die 240.000 Euro für ein dauerhaftes Lokalradio in Bagdad hat er beim Außenministerium bereits beantragt.