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Radio Prison Beat
Häftlinge mit eigenem Radioprogramm

Sie sitzen hinter Gittern, aber deswegen lassen sie sich längst nicht den Mund verbieten. Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Heidering südlich von Berlin produzieren bei "Radio Prison Beat" ihr eigens Radioprogramm, aus der JVA für die JVA. Aber es gibt ein paar ein paar Einschränkungen.

Von Cornelius Wüllenkemper | 29.08.2015
    Ein Blick durch ein vergittertes Fenster in der Justizvollzugsanstalt Heidering während des Baus des Gefängnisses.
    Die JVA Heidering. (Imago / Lars Reimann)
    Der Weg ins Studio von Radio Prison Beat führt durch Sicherheitsschleusen, lange Gänge und schwere Türen. Die JVA Heidering, 2013 zehn Kilometer südlich der Berliner Stadtgrenze eröffnet, hat 648 Haftplätze und gilt als das modernste Gefängnis Deutschlands. In einem kleinen Raum gleich neben der Turnhalle sitzt der Gefangene Oliver vor dem Schreibtisch: drei Bildschirme, Mischpult und Kopfhörer. Gerade produziert der 24-Jährige eine neue Folge seiner Sendung "Triple H" - Hip Hop Heidering. Routiniert verschiebt Oliver seine Tracks auf dem Schnittprogramm.
    "Da ziehen wir das hier zu Ende, da läuft’s aus, es fadet sich ab und dann hör ich mir das an, und wenn’s mir gefällt, dann lass ich’s drinne. Und dann sagt man hier... dann kommt der Outfade, und dann kommt gleich das nächste hinterher. Und wenn das nicht stimmig ist, dann hört man sich das an und sagt, "ne, gefällt mir nicht", und schaltet auch gleich wieder ab."
    Seit neun Monaten sitzt Oliver ein, gleich zu Beginn seiner Haft hat er sich zur Freizeitaktivität Radio gemeldet. Früher hat er einmal ein eigenes Internetradio betrieben, er kennt sich aus mit Technik und Software. Neben seiner HipHop-Sendung betreut Oliver auch die so genannte "Wunschkiste", bei der sich die Gefangenen bestimmte Songs und thematische Musiksendungen wünschen.
    Recherchen werden beigesteuert
    "Hallöchen, hier bei Radio Prison Beat zu einer ganz speziellen Wunschkiste. Die Wunschkiste für den ersten Hochzeitstag eines unserer Mitgefangenen. Chris, das RPB-Team und natürlich auch ich wünschen Euch beiden alles Gute, und dann würde ich gleich mal sagen, starten wir auch mit einem deiner ersten Wünsche. Helene Fischer 'Atemlos durch den Knast', und danach wünscht du dir noch DJ Ötzi. Viel Spaß!"
    24 Stunden am Tag ist Radio Prison Beat im JVA-eigenen Kanal auf Sendung und kann über Fernsehgeräte in den Zellen empfangen werden. Bis zu acht Häftlinge entwickeln Konzepte, produzieren Sendungen, schneiden, texten, moderieren. Die Recherchearbeit und Interviews werden zumeist von der Berliner Medien-Hochschule HMKW beigesteuert, denn noch haben die Häftlinge der JVA-Heidering keinen Internetzugang. Auf dem Programm stehen neben Musiksendungen und Hörbüchern auch aktuelle Ankündigungen, Gesprächsrunden zwischen älteren und ganz neuen Insassen über den Tagesablauf in der JVA und auch Diskussionen zwischen Häftlingen und Studiogästen über Drogenmissbrauch oder Gewalt im Knast.
    "Jetzt wollen wir mal die Frage gleich an unsere Mitwirkenden in unserer Runde richten. Silvio, was sind denn Kriterien für Gewalt, wie passiert das hier drinnen, welche Ursachen gibt es, warum hier Gewalt auftreten kann?"
    "Also, hier im Knast, muss man sagen, hier herrscht so eine Art Hierarchie. Und wenn Leute neu kommen, die werden geprüft und getestet, was haben die für einen Charakter, oder welche Charakterstärke haben die?"
    Radio, wie auch jenseits der Mauern
    Sogar der Ex-Fußballprofi Uli Borowka hat in Radio Prison Beat schon aus seinem Buch "Volle Pulle" gelesen und mit Häftlingen über den Alkoholmissbrauch diskutiert. Technisch und organisatorisch wird das Häftlingsradio von Andreas Baier betreut. Eigentlich arbeitet der passionierte Radiomann als Techniker für den öffentlichen Rundfunk, daneben bringt er den Gefangenen bei, wie Radio funktioniert.
    "Eines unserer nächsten Projekte ist, mit den Leuten, die hier Freizeitmaßnahmen anbieten, da halt mal mit einem Aufnahmegerät hinzugehen, die Externen, die das anbieten, die zu interviewen, was man machen kann, und dann halt auch mit den Gefangenen, mit den Teilnehmern, von denen mal zu hören, was das für sie bedeutet, was da für sie rüberkommt, um halt mitzuteilen, was geht da eigentlich."
    Im Grunde arbeitet das Gefängnis-Radio also fast so wie das Radio jenseits der Mauern, mit einem Programmschema, das sich am Tagesablauf der Häftlinge orientiert, mit Gesprächen, Unterhaltung, Information und sogar Live-Kommentar zu JVA-internen Fußballturnieren. Nur das mit der Zielgruppe bleibt bei 650 Gefangenen von denen rund 50 Prozent schlecht oder gar nicht Deutsch verstehen, eine Herausforderung. Andreas Baier lässt sich davon nicht entmutigen: als nächstes plant er Spezialsendungen für Häftlinge aus dem arabischen und osteuropäischen Kulturraum.