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Radiolexikon Blasensteine

Blasensteine tun meist fürchterlich weh, man kann kaum Wasserlassen, der wenige Urin ist blutig. Harnsteinerkrankung bekommen überwiegend Männer jenseits der 50, die übergewichtig sind. Urologen unterscheiden zwischen primären und sekundären Blasensteinen.

Von Mirko Smiljanic | 16.06.2009
    Der Schmerz kam langsam, dann allerdings mit voller Wucht. Die Blase des Patienten tat fürchterlich weh, er konnte kaum Wasserlassen, der wenige Urin war blutig. Solche Beschwerden, erzählte er dem eilig konsultierten Urologen in einer Klinik, habe er noch nie gehabt. Verständlich, er hatte ja auch noch nie Blasensteine. Rund 1,2 Millionen Bundesbürger litten im Jahre 2000 an einer Harnsteinerkrankung, fast alle waren männlich, jenseits der 50 und übergewichtig. Und fast alle waren nach der Behandlung ihren Ärzten ausgesprochen dankbar.

    "Das bereitet furchtbare Schmerzen, das Wasserlassen ist behindert und zusätzlich kommt noch der Schmerz in der Harnröhre hinzu,"

    ... sagt der Kölner Facharzt für Urologie und Andrologie Michael Scherberich. Blasensteine setzen sich aus den Bestandteilen des Urins zusammen: aus Calciumcarbonat etwa, Calciumphosphat und Calciumoxalat. Unentdeckt erreichen sie die Größe eines Hühnereis. Im Jahre 2006 entfernten israelische Ärzte einer Frau sogar einen Stein mit dem Durchmesser von 13 Zentimetern. Den Rekord hält aber ein Ungar, dessen Blasenstein 17 Zentimeter maß und mehr als ein Kilogramm wog. So lange wartet natürlich niemand mit dem Besuch beim Arzt.

    "Sie kommen dann zum Urologen und wir sehen dann im Urin Erythrozyturie, häufig verbundenen auch mit einer Harnwegsinfektion, dann erfolgt eine körperliche Untersuchung, in der Regel auch in Verbindung mit einer Ultraschalluntersuchung, und da kann man den Stein in der Regel auch eindeutig erkennen."

    Sind die Steine noch sehr klein, wird der Harn unter einem Mikroskop untersucht, winzige Partikel lassen sich so schon in einem sehr frühen Stadium nachweisen. Und wenn die Urologen gar keine Steine finden, der Harn des Patienten aber eine hohe Calcium- und Harnsäurekonzentration hat, wissen die Mediziner immerhin, dass sich in absehbarer Zeit wahrscheinlich ein Stein bilden wird.

    Urologen unterscheiden zwischen primären und sekundären Blasensteinen. Primäre Steine entstehen durch sogenannte Auskristallisierungen im Urin direkt in der Blase.

    "Der Blasenstein entsteht an einem Kristallisationspunkt, er vergrößert sich immer weiter und verursacht dann beim Patienten auch Beschwerden wie Schmerzen, stotternde Miktion, Makrohämaturie, also blutenden Harn."

    Übersteigt der Säuregrad des Urins einen bestimmten Wert, bilden sich zunächst kleine Kristalle, die sich allmählich vergrößern - vergleichbar mit einem kleinen Schneeball, den Kinder durch Rollen im Schnee zu einem großen Ball formen.

    Die Ursachen für primäre Blasensteine sind vielfältig: Stoffwechselstörungen wie Gicht zum Beispiel können Auslöser sein, Entzündungen der ableitenden Harnwege, falsches Trinkverhalten oder eine lange Bettlägerigkeit zählen ebenfalls zu den Ursachen primärer Steine. So vielfältig die Ursachen sind, allzu häufig kommen sie in den westlichen Industrienationen nicht mehr vor. Anders sieht die Situation in ärmeren Ländern aus, ...

    "Indien zum Beispiel, die auch zum Teil bei Kindern auftreten können, das ist ernährungsbedingt, und auch durch eine Exsikkose, einer zu geringen Trinkmengen bedingt."

    In unseren Breiten überwiegen sekundäre Harnsteine. Sie entstehen unter anderem, wenn ...

    " ... ein Stein in der Niere, der über den Harnleiter zur Blase gelangt und dort nicht abgehen kann. In der Regel geht er zwar ab, aber durch die vergrößerte Prostata beim Mann, bleibt er in der Blase und vergrößert sich."

    Ein kleiner Nierenstein wandert durch den Harnleiter in die Blase, wird von dort aber nicht nach draußen gespült, weil der ableitende Harnweg durch eine Prostatavergrößerung oder einen Tumor verengt ist. Der Stein bleibt in der Blase und vergrößert sich dort allmählich. Sekundäre Blasensteine sind also die Folge einer anderen Erkrankung, in den meisten Fällen einer Prostatavergrößerung oder eines Tumors.

    Die Behandlung von Blasensteinen hat ein Ziel: Der Stein muss raus aus der Blase. Je nach Größe des Steins stehen dafür zwei Methoden zur Verfügung: eine blutige und eine unblutige.

    "Bei der unblutigen Methode der Blasensteinentfernung unterscheidet man zwischen der extrakorporalen Methode, das heißt, da werden Stoßwellen außerhalb des Körpers erzeugt, auf den Stein gerichtet, der Stein wird dann durch die extrakorporalen Wellen zerstört und zertrümmert, das wird bei den Blasensteinen aber eher selten angewendet, weil man die Trümmer ja teilweise entfernen muss und die nicht immer über den natürlichen Weg abgehen. Sehr viel üblicher ist die sogenannte intrakorporale Methode, da wird ein Instrument über den Körper eingeführt, sprich: Über die Harnröhre in die Blase, und der Stein wird dann unter Sicht und vor Ort mit Stoßwellen mechanisch zertrümmert, es gibt da verschieden Methoden, die da angewandt werden, von der Elektrohydraulischen bis hin zur Laserlithotripsie, ... "

    ... bei denen - fährt Oberarzt Michael Ullmann vom Malteserkrankenhaus St. Hildegardis in Köln fort - die Steine zertrümmert und über die Harnröhre nach außen geholt werden. Sind die Steine zu groß, müssen Urologen aber auch schon mal zum Skalpell greifen.

    "Die Schnittführung wird dann oberhalb der Symphyse dann gemacht, da wird die Blase von oben her eröffnet und der Stein dann von dieser Schnittöffnung aus dann entfernt mit Zangen."

    Die Behandlung sekundärer Blasensteine koppeln Mediziner häufig - aber nicht immer - an die Behandlung des Ausgangsleidens.

    "Das macht man aber nur bei gutartigen Vergrößerungen. Dann kann man die Prostata von dem Wege aus mit entfernen, man nennt das eine Prostataenukleation, der vergrößerte Anteil der Prostata wird dabei mit entfernt über den gleichen Weg und über die gleiche Schnittführung."

    Damit Blasensteine erst gar nicht entstehen, empfehlen Urologen zweierlei: Erstens sollen die Patienten pro Tag mindestens zwei Liter Flüssigkeit trinken; zweitens sollen sie bei calciumhaltigen Steinen auf Milchprodukte verzichten, bei Oxalatsteinen unter anderem auf Rhabarber und bei Harnsäuresteinen auf purinreiche Nahrungsmittel wie Leber- und Blutwurst.

    Eine wiederholte Bildung von Harnsteinen hemmen aber auch Medikamente. Thiazid-Diuretika etwa, eine Gruppe harntreibender Substanzen, setzen Ärzte gegen die Bildung von Kalziumsteinen ein. Und - last but not least - gibt es die allgemeine Krebsvorsorge.

    "Das ist natürlich auch sehr wichtig, wobei der Urologe dann die Prostata untersucht, und auch weitere Untersuchungen veranlasst, Größenbestimmung der Prostata, die Restharnbestimmung. Wenn dann diese Beschwerden beziehungsweise die vergrößerte Prostata behandelt wird, dann beugte man so auch Blasensteinen vor."

    Bleibt noch die Frage zu klären, ob die Meldung über den 48-jährigen Ungarn Realität ist oder Mediziner-Latein: Ein Blasenstein mit einem Gewicht von 1,125 Kilogramm und einem Durchmesser von 17 Zentimetern - geht das überhaupt?

    "Das ist natürlich eine relativ große Steinmasse, aber in Einzelfällen kann es so etwas schon mal geben. Ich selber habe schon mal Patienten erlebt, die die gesamte Blase ausfüllenden Steine hatten, aber so etwas ist heute ganz, ganz selten. Kommt fast gar nicht mehr vor."