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Radiolexikon: Diäten

Brigitte oder Dr. Atkins, Apfelessig oder Low-Fat - Diäten gibt es wie Sand am Meer. Die hohe Zahl sollte allerdings misstrauisch machen, irgendetwas scheint mit ihnen nicht zu stimmen. Aber was? Sind sie wirklich durch die Bank wirkungslos, wie manche Kritiker erklären? Gibt es nicht doch ein paar gute Diäten? Es gibt sie, aber sind das noch Diäten?

Von Mirko Smiljanic | 28.09.2010
    Germany's next topmodel, es wird ernst:

    "Nele, irgendwie sieht es so aus, als ob Dir auf den letzten Metern die Puste ausgeht."

    Ängstlich steht das Mädchen vor Heidi Klum und wartet auf ihr Urteil. Hapert es am Ausdruck? Ist sie zu klein oder zu groß? Hat sie gar zu viel Speck auf den Hüften? Models müssen schlank sein, besser noch mager. Aus diesem Grund sind Diäten ihre täglichen Begleiter. Aber helfen die wirklich?

    "Die Diäten führen nie in die richtige Richtung," erklärt kategorisch Professor Ingo Froböse von der Deutsche Sporthochschule Köln.

    "Denn was erleben die meisten Leute, sie erleben den Jojo-Effekt."

    Den fast jeder Diäterfahrene leidvoll kennt: Zunächst geht das Gewicht munter runter, um dann, wenn die Diät beendet ist, umso schneller wieder nach oben zu klettern. Und zwar bei fast allen Diäten, sagt Dorle Grünewald-Funk, Mitglied des Arbeitskreises Adipositas des Verbandes der Oecotrophologen, Bonn:

    "Da finden sich zum Beispiel Diäten, die als Geheimwaffe Tee, Ananas oder Kaffee propagieren, da kann man sich schon mit seinem gesunden Menschenverstand vorstellen, dass das wahrscheinlich nicht die Wunderwaffen sein können. Oder andere setzen darauf, dass Nährstoffsubstrate, Mittelchen oder Pülverchen angerührt werden und die trinkt man dann in der einen oder anderen Form, das ist in der Regel, nicht unbedingt Erfolg versprechend, danach ist meistens der Geldbeutel leichter, aber nicht der Körper."

    Warum ist das so? Warum funktionieren Diäten nicht? Um das zu verstehen, muss man Zweierlei wissen: Diäten reduzieren gezielt Fette, Kohlenhydrate oder Eiweiße, damit der Körper schon eingelagerte Fette abbaut und dadurch Gewicht verliert. Das klingt gut, klappt aber – siehe Jojo-Effekt – nur wenige Wochen. Denn man muss zweitens wissen, dass der menschliche Körper nicht tatenlos zuschaut, wie er immer mehr Substanz verliert. Für ihn sind Diäten – Modegewicht hin, nächster Badeurlaub her – nichts weiter als Notzeiten. Und mit denen weiß er umzugehen.

    "Denn egal welche Diät, sie greifen zunächst immer in die Stoffwechselregulation ein, und der Körper ist zum Glück nicht so blöd wie die Diäten, vor allen Dingen nicht so blöd, wie diejenigen, die sie schreiben, denn der Körper merkt natürlich, dass er zu wenig Kalorien, seien es Kohlenhydrate, sei es Fett oder sei es Eiweiß, alles das braucht er nämlich, zugeführt bekommt, und da steuert er dagegen, das heißt, reguliert seinen Bedarf hinunter, und dementsprechend funktionieren die Diäten nicht."

    Mit fatalen Folgen: Abnehmen wird von Diät zu Diät immer schwieriger. Ein Beispiel: Vor zehn Jahren waren Diäten so aufgebaut, dass sie dem oder der Abnehmwilligen pro Tag etwa 1000 kcal anboten. Das reichte damals, um Pfunde zu verlieren. Heute sieht das ganz anders aus. Der Stoffwechsel von Menschen, die regelmäßig Diäten ausprobieren, hat sich den "Hungerperioden" angepasst, "das heißt, die derzeitigen Diäten sind auf 600 bis 700 kcal reduziert worden, damit die Leute überhaupt einen Effekt haben. Das Fatale daran ist aber, dass sie dann noch ein Käsebrötchen essen dürften, dick belegt zwar, aber dann ist schon genug, und das gibt dem Körper einfach zu wenig."

    Und noch etwas sollte wissen, wer sein Gewicht mit einer Diät reduziert: Wer abnimmt, nimmt leider nicht immer das Richtige ab – sprich Fett.

    "Also normalerweise nimmt man in den ersten zwei bis vier Tagen sicherlich kein Fett ab, sondern normalerweise sind das hormonelle Prozesse, die dazu führen, dass ich Wasser vermehrt ausscheide, dass Muskulatur zum Teil auch angeknabbert wird, indem nämlich der Körper Eiweiße angreift, also eine Fettreduktion in kurzer Zeit kann ich in der Regel nicht erwarten. Ich gehe davon aus, wenn man das vernünftig macht, etwa ein bis zwei kg pro Monat, zwei Kilo pro Monat ist sicherlich die oberste Grenze insgesamt, weil sonst der Körper zu stark in eine Notzeit gerät, also, was ich in 30 Jahren mir angefuttert habe, darf ich nicht erwarten, dass das in einem Jahr wirklich verschwunden ist!"

    Dies gilt für Diäten, die gezielt Bestandteile von Nahrungsmitteln reduzieren, dies gilt aber auch für die sogenannte Null-Kalorien-Diät, besser bekannter unter dem Begriff "Fasten". Ingo Froböse von der Deutsche Sporthochschule Köln:

    "Also, ich halte von Fasten, wenn ich das längere Zeit mache, nichts. Man kann sich schon mal vorstellen, dass man Fasten vielleicht mal einen Tag macht pro Woche, aber ein oder zwei Wochen zu fasten, ist in der Regel für den Körper eine absolute Notzeit. Er kann das nicht vertragen, er will das auch nicht haben, und man greift dermaßen massiv in den Stoffwechsel ein, das ist nur mit dem Phänomen zu begründen, da entgiftet man möglicherweise oder entschlackt - was es sowieso nicht gibt - aber man entgiftet, das kann man im Alltag auch dadurch erreichen, in dem man eine Mahlzeit weglässt."

    Und vor allem viel Wasser trinkt. Bleibt die Frage, was denn der- oder diejenige tun kann, um seine Pfunde loszuwerden.

    "Was die Übergewichtigen nicht machen müssen, so paradox sich das anhört, ist weniger essen, sondern viel wichtiger ist, dass sie auf der Ausgabenseite mehr tun, also mehr verbrauchen würden."

    Wer sich bewegt, nimmt ab, wer sich viel bewegt, nimmt viel ab! Ihr Essverhalten sollten Übergewichtige zwar auch kontrollieren, aber bitte nicht im Rahmen einer Diät, rät Dorle Grünewald-Funk vom Verbande der Oecotrophologen, Bonn: Wer auf Sahne verzichtet und auf fettreiches Fleisch, der ist schon auf dem richtigen Weg:

    "Und ansonsten ist es ganz wichtig, dass man reichlich Gemüse und Obst isst, das bringt Ballaststoffe und sättigt in so einer Phase oder während des gesunden Essens, und das ist auch ein Lebensstil, ein Essstil, den man lange durchhalten kann, den die ganze Familie mit essen kann, und das ist etwas, womit man über lange Jahre sein Gewicht kontrollieren kann."

    Womit wir zu den "guten" Diäten kommen. Der Begriff Diät leitet sich aus dem Griechischen Wort "Diaeta" ab und bedeutet gesunde Lebensführung, gesunde Lebensweise:

    "Das bedeutet also gleichzeitig, dass man eine Lebensstilveränderung anstrebt, hin zu einem bewussteren Umgang mit dem Leben, und dazu gehört nun auch das Ernähren, und Ernähren heißt eben nicht nur Nährstoffzufuhr, Ernährung hat auch etwas damit zu tun, dass jede Zelle auch versorgt wird, dass es aber gleichzeitig auch Spaß macht, denn Essen ist eines unserer wichtigsten Genusselemente in unserem täglichen Leben, und genauso sollte eine Diät auch angelegt sein, genussvoll den Lebensstil beeinflussen, das ist eine richtige Diät."

    Und eine gehörige Portion Liebe zum eigenen Körper kann auch nicht schaden. Nicht jeder und jede hat Modelmaße – was soll daran schlecht sein?!

    "Jeder möchte natürlich so schlank sein, wie die Menschen im Fernseher, die täglich bei uns vorbeischauen, oder die uns aus den Zeitschriften und angucken, aber es ist einfach so, dass dieses Figurmodell nicht für jeden passt, und man muss auch ganz klar wissen, dass diese Models dieses Figurmodell nur mit sehr, sehr viel Einsatz erreichen, das ist einerseits Bewegung, aber auch ganz stark Diät, und es ist die Frage, ob man das ein Leben lang durchhalten kann und ob es auch auf Dauer gesund ist. Deswegen muss ich einfach zu meinem Körperbautyp stehen und sagen, gut, ich erreiche das, was ich mit meinem Körper, den ich mag, erreichen kann, und das muss nicht das Model sein, das von der Zeitschrift runterschaut!"