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Alkohol

1,3 Millionen Deutsche gelten als alkoholabhängig, jährlich sterben vermutlich 70.000 Menschen an den Folgen von Alkoholmissbrauch. Diese Zahlen belegen: Alkohol ist schädlich. Aber warum eigentlich? Was genau ist der Stoff, von dem jeder Deutsche im Jahr zehn Liter trinkt?

Von Mirko Smiljanic | 06.12.2016
    Schnaps wird von einer Flasche in mehrere Gläser gegossen.
    Alkohol - ein weiterhin höchst beliebtes Nervengift (picture-alliance / dpa / Dominique Gutekunst)
    "Drink doch ene mit!" Bei so viel freundlicher Aufforderung der Kölner Urgesteinband "Black Fööss" sagt natürlich niemand "Nein". Ein Bierchen, zwei Bierchen oder auch drei, wer zählt da schon mit. Das Jugendschutzgesetz verbietet zwar die Abgabe von Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren, tatsächlich trinken viele ihr erstes Glas Wein, Sekt oder Bier aber viel früher.
    "Mit 14, da dann auch so auf Festlichkeiten, wo man da dann quasi in einem Initiationsritus von den Älteren abgefüllt wird, die sich dann einen Spaß daraus machen, einen dann da rumtorkeln und in die Ecke kotzen zu sehen."
    Eine heftige Erfahrung, die glücklicherweise nicht jeder machen muss. Trotzdem zählen Probleme rund um den Alkoholkonsum von Jugendlichen und Erwachsenen aber zu den gesundheitspolitischen Dauerbrennern. Was ist das für ein Stoff, der für kleines Geld an jeder Ecke zu haben ist?
    Oberbegriff für verschiedene Stoffe
    "Wenn man es chemisch genau nimmt, ist Alkohol zunächst einmal der Oberbegriff für verschiedene Stoffe. Wenn wir Menschen von Alkohol reden, reden wir von dem Alkohol, den wir als Genussmittel einnehmen, also das sogenannte Äthanol. Äthanol entsteht aus der Vergärung zuckerhaltiger Stoffe, und wir gehen davon aus, dass durch das natürliche Gären von Obst, von Früchten etc., Alkohol wahrscheinlich schon seit der Steinzeit vom Menschen konsumiert wurde", so Dr. Hubert Buschmann, Facharzt für Neurologie und Chefarzt der AHG-Klinik Tönisstein in Bad Neuenahr-Ahrweiler:
    "Man hat es bewusst eingenommen, natürlich zuerst mal die Erfahrung gesammelt, ein vergorener Saft macht irgendetwas mit mir im Sinne einer Bewusstseinsveränderung, ein Rauschzustand. Aber es war nicht in dieser Form damals verbreitet, wie man das heute kennt, sondern wie viele Einnahmen von Drogen in der Antike oder auch in der Frühzeit des Menschen doch eher in religiöse Rituale, meist auch schamanische Rituale, eingebunden. Man kann nicht davon ausgehen, dass es einen regelmäßigen, gewohnheitsmäßigen Konsum gab."
    "Spätestens im Studium setzt dann der tägliche Konsum ein, da war Alkohol dann bei jeder Gelegenheit der Verstärker für positive Gefühle, die Belohnung, wenn man was gut gemacht hat, der Seelentröster, wenn was nicht so gut gelaufen ist, war das Mittel zum Stressabbau, aus welchen Gründen auch immer, es wurde Alkohol konsumiert."
    "Wir nehmen den Alkohol in der Regel über den Magen-Darm-Trakt auf, er wird auch sehr schnell aus der Magenschleimhaut ins Blut überführt und wirkt dann natürlich hauptsächlich aufs Gehirn. Wir wissen, dass es im Gehirn Botenstoffe gibt, die normalerweise die Gehirnchemie steuern, im Sinne von gesteigertem, vermindertem Antrieb, Wachheit, Müdigkeit, Wohlbefinden, und auf diese Botenstoffe wirkt Alkohol."
    "Im Endeffekt habe ich herausgefunden, dass es auch der Stress bei mir war, weil ich im Verkauf tätig bis bei einer großen deutschen Textilfirma, die auch ganz Deutschland kennt, da habe ich viel mit Kunden zu tun gehabt und musste mir vieles, vieles anhören, konnte einfach nicht mal sagen, Mensch, Meister, das hast Du mir gestern schon erzählt, ich musste immer freundlich und lieb sein und antworten, und abends, wenn ich dann meine Ruhe hatte, dann hat man so langsam was getrunken, damit man wieder runter kommt, um sich wieder ein bisschen zu beruhigen und Ruhe zu genießen."
    "Die Art, mit Alkohol im Körper umzugehen, sprich also den chemischen Umbau, da gibt es einmal Unterschiede zwischen Männern und Frauen, deswegen haben Frauen auch eine geringere Alkoholverträglichkeit als Männer, und es gibt einen Unterschied in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Japaner vertragen zum Beispiel kaum Alkohol, aber auch zum Beispiel die Indianer nicht, sie können Alkohol nicht gut abbauen, das war ja der Grund, warum die Indianer mit dem Feuerwasser des weißen Mannes nicht umgehen konnten."
    "Ich bin Ende letzten Jahres in eine absolute Krise geraten, wo mein Alkoholkonsum exponentiell in die Höhe gegangen ist und ich massive psychische Probleme bekommen hab, wo ich gesagt habe, Du musst jetzt aufhören oder Du landest in der Psychiatrie und zwar nicht nur zur Entgiftung."
    Eine "schmutzige Droge"
    "Alkohol ist, wie wir Fachleute sagen, eine "schmutzige Droge", weil Sie die Nebenwirkungen in allen Bereichen des Körpers haben können. Das ist im Gehirn zum Beispiel ein vorzeitiger organischer Abbau, das kann im Nervensystem Lähmungen hervorrufen, das kann Herz-Kreislaufschäden hervorrufen, Schäden im Magen-Darm-Trakt, ganz bekannt sind natürlich die Leberschäden unter Alkohol, aber was vielleicht weniger bekannt ist, Alkohol steigert auch das Krebsrisiko."
    "Ich war sehr depressiv, ich hab mich immer mehr zurückgezogen, hab also keine Freunde mehr besucht, bin kaum noch vor die Tür gegangen, Probleme auf dem Arbeitsplatz, Konzentrationsschwierigkeiten Ich hab mich zum Schluss tatsächlich von meinen Kollegen verfolgt gefühlt, ein leichter Verfolgungswahn verbunden mit irrationalen Angstzuständen, also, das war kein Vergnügen mehr."
    "Es ist so, dass man grundsätzlich sagen muss, Alkohol zerstört Zellen, sonst würde man ihn nicht zum Desinfizieren benutzen. Man sagt aber heute übereinstimmend in der Weltgesundheitsorganisation, dass etwa bei dem Genuss von 15 Gramm reinen Alkohol pro Tag bei der Frau und etwa 30 Gramm reinen Alkohol beim Mann die kritische Schwelle ist, wo mit Gesundheitsschäden zu rechnen ist, um das zu veranschaulichen, ein Liter Bier hat 40 Gramm reinen Alkohol, eine Flasche Bier 20 Gramm."
    "Wenn Sie anfangen, sich mit der Sucht zu beschäftigen, man geht in Selbsthilfegruppen, man guckt sich das alles an und trifft Leute, die Leberzirrhose im Stadium 2 haben und trotzdem nicht aufhören können, zu trinken, auch hier laufen viele rum, die ihre 2. Oder 3. Therapie hier machen, also in der wilden Welt draußen könnte es durchaus schwierig werden und davor habe ich Respekt."
    "Wir können davon ausgehen, dass wir pro Jahr etwa 70.000 Alkoholtote und etwa 140.000 Nikotintote haben, wo der Zusammenhang eindeutig mit dem Suchtmittel zu sehen ist. Andererseits wissen wir, dass in Gesellschaften, in denen Alkohol zum Beispiel sehr teuer ist oder auch bewusst negativ besetzt ist, wie in den skandinavischen Ländern, der Pro-Kopf-Verbrach geringer ist, aber unter Umständen der Prozentsatz der Abhängigen nicht wirklich geringer ist."
    "Ich denke, den nächsten Rückfall, wenn ich noch mal einen bauen würde, würde ich wahrscheinlich nicht überleben, und das ich für mich auch endgültig der Schlussstrich!"
    Was soll man bei so viel freundlicher Aufforderung der "Black Fööss" sagen? Warum nicht mal "Nein"?