Freitag, 19. April 2024

Archiv


Radiolexikon Gesundheit: Blasenentzündung

Harnwegsinfektion, auch Blasenentzündung genannt, kann viele Ursachen haben. Auslöser sind in der Regel Bakterien. Die Folgen: Krämpfe und Schmerz beim Wasserlassen.

Von Barbara Weber | 01.11.2011
    "Sie macht sich bemerkbar durch Schmerzen, so über dem Schambeinknochen, Schmerzen beim Wasserlassen, Schmerzen aber auch, nachdem das Wasserlassen aber auch schon beendet ist, was dann so krampfartig anhält. Das sind eigentlich so die sicheren Zeichen dafür, dass es eine Blaseninfektion sein kann. Fortgeschrittene Blaseninfektion liegt dann schon vor, wenn der Urin auch sehr übel riecht und oder sogar blutig ist und es auch so ausflockt."

    Sagt Dr.Andrea Hocke, Oberärztin an der Universitätsfrauenklinik Bonn.

    "Ich bekomme das Gefühl, ich müsste auf die Toilette, meistens nachts. Der Druck lässt auch nicht nach, wenn ich auf der Toilette war, der bleibt. Und es kommt dann dazu, dass ich drei bis vier manchmal auch fünf oder auch sechs Mal auf die Toilette muss, ohne dass als die Blase entleert ist, ohne dass etwas kommt."

    So Barbara Erlemann, eine Patientin.

    "Betroffen sind überwiegend Frauen. Das liegt an anatomischen Ursachen, denn die Harnröhre der Frau ist ja sehr kurz, und die Bakterien, die wir alle auf unserer Haut tragen, insbesondere auch in der Nachbarschaft zum Analbereich, können natürlich schnell in die Harnblase der Frau gelangen, während der Mann ja eine sehr lange Harnröhre hat und deswegen eigentlich fast nie Harnwegsinfekte hat. Ein Harnwegsinfekt beim Mann ist deswegen ein besonderes Alarmsignal, denn häufig stecken hier anatomische Veränderungen, beispielsweise eine vergrößerte Prostata oder auch eine Harnröhrenenge dahinter, so dass ein Mann bei Harnwegsinfekten unbedingt den Urologen aufsuchen soll."

    So Dr.Frank Oberpenning, Oberarzt der Urologischen Uniklinik Bonn.

    Die häufigsten bakteriellen Verursacher einer Blasenentzündung kommen aus dem Anal- und Darmtrakt: Escherichia coli heißt der Übeltäter Nr.1. Aber es gibt noch weitere verdächtige Kandidaten mit so abschreckenden Namen wie Klebsiellen, Enterokokken, Staphylokokken oder Streptokokken.

    "Bei uns in den Krankenhäusern haben wir natürlich auch noch andere Problemkeime, mit denen wir zu tun haben, beispielsweise bei Patienten, die Katheter tragen und dann natürlich auch disponiert sind für solche Infekte."

    Disponiert für Infekte der Blase - die die Experten auch Zystitis nennen - sind ganz bestimmte Personengruppen, zum Beispiel junge Frauen, die, etwas altmodisch gesagt, eine so genannte Flitterwochen - Zystitis bekommen können:

    "Das ist eine häufige Situation: Die Aufnahme von Sexualität einer jungen Frau ist häufig der Sachzusammenhang, indem ein solcher Infekt erstmals auftritt, .... Das ist einfach eine ganz mechanische Ursache. Die Keime sind ja in der Scheide und auch im benachbarten Darmbereich und müssen da auch sein, aber durch die mechanische Bewegung, die beim Geschlechtsverkehr passieren, reiben diese Keime sich relativ schnell in die kurze Harnröhre und sind dann auch schnell in der Blase. Und insbesondere wenn jetzt Patientinnen, die dafür disponiert sind, jetzt nicht ihren Urin sofort entleeren, haben diese Keime ein ideales Milieu, um sich zu vermehren."

    "Viel hilft viel" - diese Devise ist im Bereich der Vaginalhygiene nicht besonders hilfreich und kann zur Schaum-Zystitis führen: Seifen, Sprays, Lotionen zerstören die natürliche Vaginalflora. In diesem Milieu vermehren sich unliebsamen Keime besonders gerne.

    Ein weiterer Risikofaktor kann das Schwimmbad sein. Dabei spielen Keime im Schwimmbecken nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr verursacht der nasse Badeanzug Verdunstungskälte. Kälte wiederum schwächt die Wiederstandskräfte, wodurch die Bakterien leichte Angriffsmöglichkeiten haben.
    Barbara Erlemann weiß aus leidvoller Erfahrung:

    "In den Sommermonaten sollte man sich nicht zu luftig anziehen. Also ich kriege das meistens dann, wenn ich mich zu luftig anziehe, kalte Füße bekomme, vor allen Dingen keine Strümpfe anziehe, und dann merke ich das schon, wenn ich dann kalte Füße bekomme, dann fängt das sofort an, dass ich nachts diesen Druck verspüre."

    Viele Frauen wenden sich mit einer Blasenentzündung zunächst an ihre Frauenärztin. Zwar ist eigentlich der Urologe als Facharzt für die Zystitis zuständig, doch manchmal liegen die Ursachen für den Infekt auch im Bereich der Frauenheilkunde. Das ist immer dann der Fall, wenn die Scheidenflora betroffen ist.
    Dr. Andrea Hocke:

    "Die Scheide hat ein primär saures Milieu, und aufgrund dieses sauren Milieus sind bestimmte Bakterien in der Scheide, die auch zum Schutz wichtig sind. Dieses saure Milieu ist auch sehr Östrogen-abhängig, und dadurch kommt es dann, dass mit nachlassender Östrogenaktivität bei der älteren Frau diese Schutzbarriere in der Scheide in sich zusammenbrechen kann. Es ist nicht bei allen Frauen so, und es dann eben häufig zu Infektionen führt, jetzt nicht zwingend sofort zu einer Blasenentzündung aber auch zu einer ausgeprägten Scheideninfektion, wo man dann gerne einfach nur Antibiotika gibt und sich wundert, warum es nicht besser wird und man letztendlich durch Stärkung der Scheide mit lokalen Östrogenen oder mit Vitamin C-Säure-haltigen Zäpfchen einfach die Situation verbessert und dadurch auch eine Prophylaxe macht."

    Nicht nur Östrogene oder falsche Hygienevorstellungen beeinflussen das Milieu in der Scheide. Auch die Verhütungsmethode kann eine Rolle spielen: Die Spirale als künstlich eingeführter Gegenstand reizt die Schleimhaut und verändert so die Scheidenflora. Das Scheidenmilieu wird auch geschwächt durch Clamydien und Trichomonaden-Infektionen. Die Folge kann eine Blasenentzündung sein.

    s gibt aber auch Harnwegsinfektionen, die nicht auf körperliche Ursachen zurückzuführen sind.

    "Ich hab' immer wieder Patientinnen, die letztendlich immer wieder mit Antibiotika behandelt worden sind. Es ist aber nie zu einer Besserung gekommen und im ausführlichen Gespräch ergibt sich dann, dass bei der Patientin eine sehr starke Stresskomponente vorliegt oder sonst irgendeine psychische Belastungssituation, die sich einfach bei der Patientin, wie man sagt, auf die Blase schlägt. Ich denke mir, das ist ganz wichtig, dass man daran immer denkt, und da unter Umständen auch Wege vermittelt, die die Patientin auch in eine psychologische Betreuung unter Umständen bringt, wo sie einfach auch für sich selber erfahren kann, warum sie immer wieder dieses rezidivierende Problem mit der Blase hat und dahinter steckt dann letztendlich gar keine Entzündung, keine bakterielle Entzündung."

    Von einer hohen Dunkelziffer gehen die Experten bei einer seltenen Form der Blasenentzündung aus: der Interstitiellen Zystitis. Auch wenn die Frauen unter dieser Erkrankung sehr leiden, werden viele Fälle nicht bekannt.

    "Das sind oft auch Frauen in aller Regel, die heftigste Beschwerden haben, bis zu 50, 60 Mal am Tag auf die Toilette gehen, auch nachts immer wieder aufstehen müssen, die ständig Drang verspüren, und man findet eigentlich nie Bakterien im Urin."

    Aus Unwissenheit werden auch diese Patientinnen oft fälschlicherweise mit Antibiotika behandelt, obwohl die Interstitielle Zystitis durch keinen Erreger hervorgerufen wird. Die Ursache der Krankheit ist noch weitgehend ungeklärt. Man findet sie häufig bei allergischen Patienten oder bei Patienten, die unter Autoimmunerkrankungen leiden.

    "Letztlich heilen kann man diese Interstitielle Zystitits nicht, aber es gibt eine Reihe von lindernden Medikationen, die man einsetzen kann. Letztlich kann es aber passieren, dass wenn gar nichts hilft bei dieser schlimmen Erkrankung, dass man sogar in die Not versetzt wird, die Blase überwiegend chirurgisch zu entfernen und durch Darm zu ersetzen, damit diese Patientinnen von diesem schlimmen Leiden befreit werden."

    Bei einer Harnwegsinfektion sind meistens Bakterien im Spiel. Erste Hinweise darauf, dass sie die Ursache einer Zystitis sind, gibt in der Arztpraxis schon ein Schnelltest. Damit lassen sich zwar nicht die Bakterien selbst nachweisen, aber die Stoffe, die von einigen Bakterien gebildet werden. Eine genaue Bestimmung der Bakterien erfolgt dann mit aufwendigeren Methoden.

    "Hauptstandbein der Behandlung ist natürlich immer die Antibiotika-Gabe, wobei eben wichtig ist, dass man vor der Antibiotika-Gabe den Urin in eine Kultur gibt, um zu schauen, welche Keime sind hier überhaupt im Urin vorhanden. Sobald das Antibiotikum gegeben ist, kann man diese Keime nicht mehr nachweisen, selbst wenn sie noch vorhanden sind, sie wachsen dann nicht mehr in Kultur. Das heißt, das blinde Behandeln mit einem Antibiotikum ohne vorherige Kultur, hat Risiken. Wenn also ein Patient sich selbst behandelt mit einem Antibiotikum und hat das falsche Antibiotikum gewählt, ist fortan der Keim nicht mehr eruierbar, aber es gibt vielleicht Keime, die sich gegen dieses Antibiotikum wehren, sich dann vermehren, und dann hat man einen Harnwegsinfekt nur noch mit Problemkeimen."

    Doch bevor eine Antibiotika-Therapie begonnen wird, rät Dr.Andrea Hocke ihren Patientinnen zunächst zu einer Eigenbehandlung.

    "Ich denke mir, sie sollten nicht sofort zum Arzt rennen und ein Antibiotikum haben wollen, sondern sie sollten erst mal versuchen, durch Erhöhung der Trinkmenge, auch einfach im Reformhaus sich einen harntreibenden Tee holen, reichlich Trinken, und dann einfach sehen, ob die Beschwerden dadurch besser werden. Wärme/ Kälte - das ist ganz unterschiedlich, manchen Frauen tut die Wärmflasche auf der Blase gut, manche Frauen sagen, das halte ich überhaupt nicht aus, das muss man dann einfach individuell sehen. Diese Schmerzen kann man auch oft lindernd durch entkrampfende Medikamente, die viele Frauen auch zuhause haben, aufgrund unserer Periodenprobleme, wo man dann einfach auch mal so ein Schmerzzäpfchen einnehmen kann, einfach auch eine Linderung erfährt."

    Hilft das alles nicht, ist auf jeden Fall der Arztbesuch ratsam, um der Ursache auf die Spur zu kommen. Dies gilt umso mehr, wenn die Nieren schmerzen und der Urin blutig wird. Eine verschleppte Harnwegsinfektion kann dramatische Folgen haben und letztendlich sogar lebensbedrohlich werden.

    "Eine Komplikation ist immer das, was man am Fieber erkennt, nämlich das Ausstreuen der Bakterien in die Blutbahn. Der banale Harnwegsinfekt ist auf die Blase begrenzt, wenn aber die Bakterien sich auf den Weg machen, sich im Körper zu verteilen, dann kommt es zum systemischen Harnwegsinfekt, der auch zum Beispiel immer entsteht, wenn der Blaseninfekt aufsteigt in die Nieren. Die Nierenbeckenentzündung, ..., hat eine hohe Rate von fieberhaften Erkrankungen. Wenn das falsch behandelt wird oder eskaliert, kann das bis hin zur Urosepsis gehen, und das ist eine lebensgefährliche Erkrankung, die auf eine intensivmedizinischen Station behandelt werden muss. "

    Diese lebensgefährliche Komplikation tritt allerdings nur selten auf. Dem bakteriellen Infekt lässt sich übrigens mit einfachen Hausmitteln vorbeugen: Manche Nahrungsmittel haben eine desinfizierende Wirkung, Experten empfehlen bei ersten Anzeichen Preiselbeersaft oder Beerentraubenblättertee. Auch harntreibende Blasentees sind hilfreich.

    Ein Ratschlag ist immer und einfach zu befolgen: Trinken, Trinken, Trinken, auch wenn es einfaches Leitungswasser ist.