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Folsäure

Sie gehört zu den B-Vitaminen, unser Körper braucht sie für Wachstumsprozesse und Blutbildung, selbst herstellen kann er sie aber nicht: Folsäure. Schwangere sollten sie in Pillenform zu sich nehmen, denn für die Entwicklung des Embryos brauchen sie eine besonders hohe Dosis.

Justin Westhoff | 12.06.2018
    Eine schwangere Frau mit ihrem Handy in der Hand in der Küche
    Schwangere brauchen eine besonders hohe Dosis Folsäure, die sie über die Nahrung in der Regel nicht zu sich nehmen (Imago)
    Die Regale von Supermärkten und Drogerien sind voll von Nahrungsergänzungsmitteln und Vitamin-Tabletten. Manches davon braucht man kaum, Vieles ist völlig überflüssig. Für bestimmte Menschen gibt es manchmal eine Ausnahme: Folat beziehungsweise Folsäure.
    "Folat ist der Überbegriff für ein wasserlösliches B-Vitamin, es ist unverzichtbar für den Menschen, und der Name leitet sich ab von Folium, das Blatt, es wurde auch zuerst im grünen Blattgemüse gefunden. Und die synthetisch hergestellte Form ist die Folsäure." Die Erklärung von Dr. Anke Ehlers, die im Bundesinstitut für Risikobewertung in der Lebensmittelsicherheit arbeitet. Folsäure ist für den menschlichen Organismus unerlässlich. Der Körper kann sie nicht selbst herstellen, muss sie von außen zu sich nehmen. Das in Nahrung enthaltene natürliche Folat unterscheidet sich auch chemisch von der "künstlich" hergestellten Folsäure.
    "Die Folsäure ist zum Beispiel sehr viel stabiler als die Nahrungsfolate gegenüber Hitze, Sauerstoff etc., und sie hat auch eine größere Bioverfügbarkeit, das heißt, sie wird sehr viel schneller vom Körper aufgenommen, Folat kommt vorrangig im grünen Gemüse vor, in Spinat, in einigen Obstsorten, oder auch in Hülsenfrüchten, und wenn man all diese Nahrungsmittel nicht zu sich nimmt, kann es durchaus zu einer Folat-Unterversorgung kommen, und das kann im schlimmsten Fall zu einer Anämiform führen, bei der die DNA-Synthese gestört ist. Das ist aber der Extremfall."
    Schwangere brauchen Folsäure
    Die Synthese des Erbguts ist für das Zellwachstum unabdingbar, und das gilt verständlicherweise vor allem bei der Entwicklung des Embryos. Dr. Babette Ramsauer ist Leitende Oberärztin für Geburtsmedizin am Vivantes-Klinikum Berlin. "In der Schwangerschaft entstehen alle möglichen Strukturen und dafür braucht man die Folsäure. Und gerade bei den Schwangeren braucht man einen hohen Anteil, den wir gewöhnlich mit der Nahrung nicht aufgenommen kriegen; in der Stillzeit ist es auch so, die Frauen sollen weiterhin Folsäure in einem höheren Anteil zu sich nehmen, als man das eigentlich mit der Nahrung kriegen würde."
    Allen Schwangeren wird empfohlen, etwa 500 Mikrogramm Folsäure zusätzlich in Pillenform zu schlucken. Denn bei einem Mangel an diesem Vitamin kann es oft dazu kommen, dass sich das Nervenrohr in der Wirbelsäule nicht richtig schließt – es entstehen Neuralrohrdefekte. "In den ganz, ganz frühen Wochen, wo die meisten Frauen eigentlich noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind, da bildet sich das Neuralrohr, und wenn da ein Mangel da ist, dann schließt sich das Neuralrohr nicht und es entsteht das, was man so allgemein als offenen Rücken bezeichnet."
    Zu den Neuralrohrdefekten gehört neben dem offenen Rücken – lateinisch spina bifida – auch die Anenzephalie, bei denen wesentliche Teile des Gehirns beim Embryo nicht entwickelt sind. Man sollte glauben, dass so etwas in unseren aufgeklärten Gesellschaften so gut wie nie mehr vorkommt. Aber in Mitteleuropa tritt die spina bifida immer noch viel, nämlich bei einem von tausend Neugeborenen, auf.
    Alle Frauen im gebärfähigen Alter sollten Folsäuretabletten nehmen
    Babette Ramsauer arbeitet an einer von Europas größten Geburtskliniken. "Wir sehen das doch relativ häufig leider noch, dass Kinder tatsächlich mit einer spina bifida in dem Ultraschall meistens entdeckt werden; Kinder werden damit nicht mehr so häufig unerwartet geboren – auch das gibt es immer noch mal – weil es eben dann doch vorher entdeckt wird und dann manchmal dazu führt, dass die Schwangerschaft nicht fortgeführt wird, weil dieser Defekt so groß ist und auch nachher im weiteren Leben nicht zu korrigieren. "
    Nur ein Teil der Schwangerschaften ist ja geplant. Deshalb empfehlen die Fachleute allen Frauen im gebärfähigen Alter, Folsäuretabletten zusätzlich zur gesunden Ernährung zu nehmen. Vor allem dann, wenn eine Schwangerschaft ohnehin in Frage kommt. "Wenn eine Frau tendenziell überlegt, ich hätte nichts dagegen, ein Kind zu kriegen, dann sollte man die eigentlich mit Folsäure bereits substituieren, bevor sie schwanger ist. Man braucht eine gewisse Zeit, um so einen Spiegel auch im Körper zu erreichen, das heißt also: nicht mit Absetzen der Pille und dem nächsten Geschlechtsverkehr mal eben schnell Folsäure nehmen, sondern mindestens vier Wochen, es schadet auch nicht, länger es sozusagen zu nehmen, im Ganzen muss man sowieso sagen: Auch der nicht-schwangeren Bevölkerung schadet Folsäure nicht."
    Synthetische Folsäure in zu hohen Mengen schadet der Gesundheit
    Für Folate aus der Nahrung stimmt das ohnehin. Dr. Anke Ehlers aus der Abteilung Lebensmittelsicherheit im Bundesinstitut für Risikobewertung bestätigt die Unschädlichkeit aber nicht ganz im Hinblick auf synthetische Folsäure. "Es kann aber durchaus zu gesundheitlichen Risiken kommen, wenn man die synthetischen Folsäure in hohen Mengen zu sich nimmt, da hat auch der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der EU-Kommission für synthetische Folsäure festgelegt, also diese zusätzliche Folsäure, die maximale Aufnahmemenge, die man täglich langfristig zu sich nehmen kann, ohne dass das gesundheitlich bedenklich wäre, liegt bei synthetischer Folsäure bei einem Milligramm, und den sollte man möglichst nicht überschreiten."
    Wie gesagt, dass gilt nicht für schwangere und stillende Frauen. Im Prinzip wissen das alle Gynäkologen und Geburtshelfer, sagt Dr. Babette Ramsauer. "Was vielleicht nicht so gut bekannt ist, dass man eigentlich nicht mit Feststellen der Schwangerschaft dann sagt, so, jetzt nehmen sie noch ein bisschen Eisen und Jod und auch Folsäure, dass es dann eigentlich zu spät ist."
    Es gibt Länder, die Lebensmittel mit Folsäure versetzen, um grundsätzlich Gefahren für ungeborene Babys auszuschließen. Was hält Expertin Anke Ehlers davon? "Ja diese Mehl-Anreicherung mit Folsäure hat in einigen Ländern zu einer Reduktion des Risikos für Neuralrohrdefekte geführt, aber das BfR ist der Meinung, dass es momentan keine Empfehlung für eine flächendeckende Mehl-Anreicherung mit Folsäure geben sollte, es sollte eine gezielte Aufklärung für Frauen im gebärfähigen Alter geben; für eine allgemeine Anreicherung, da gibt es erste Hinweise, dass dies das Krebsrisiko bei bestimmten Personen, eventuell älteren Personen mit Krebsvorstufen sogar erhöhen könnte. Aber diesbezüglich wären noch weiter Untersuchungen erforderlich."
    Dabei geht es um Darmkrebs, aber die bisherigen Forschungs-ergebnisse sind total widersprüchlich. Für Panik besteht somit kein Anlass. Die Frage, ob die deutsche Bevölkerung generell unterversorgt ist, scheint umstritten. Auch ein Anstieg von Herz-Kreislauf-Krankheiten durch zu wenig von diesem Vitamin wurde behauptet, scheint sich jedoch nicht zu bestätigen. Es gibt jedoch Verhaltensweisen wie Rauchen oder Medikamente wie bestimmte Mittel gegen Rheuma, die einen Folsäuremangel hervorrufen können. Besonders für sie gilt: Ausreichend Lebensmittel zu sich nehmen, die viel Folat enthalten.