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Legionellen

Legionellen sind dafür berüchtigt, die Legionärskrankheit auszulösen. Was allerdings weniger bekannt ist: Nahezu überall dort, wo Wasser ist, sind die stäbchenförmigen Bakterien zu finden. Gefährlich werden sie aber erst, wenn sie in die Lunge gelangen - folglich nicht durch Wasserschlucken.

Von Justin Westhoff | 31.07.2018
    Legionellen werden im Landesamt für Verbraucherschutz in Magdeburg in einer Petrischale gezeigt
    Legionellen sind eine Gattung von stäbchenförmigen Bakterien mit zahlreichen Unterarten (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    Die morgendliche Dusche, die sommerliche Erfrischung im Schwimmbad, eine Ruhepause am städtischen Springbrunnen: Wasser ist wohltuend, ein Lebenselixier – aber auch ein Ort, wo sich gefährliche Keime tummeln können.
    "Es waren offenbar Bakterien aus der Klimaanlage, die in Warstein reihenweise Menschen schwer krank gemacht haben."
    Eine alarmierende Nachricht von Mitte August 2013 aus einer kleinen Stadt im Sauerland. Ähnliche Meldungen gab und gibt es immer wieder, etwa von Krankenhäusern, Wohnanlagen oder Schwimmhallen. Stets sind in derlei Fällen Legionellen die Ursache, eine Gattung von stäbchenförmigen Bakterien mit zahlreichen Unterarten. Sie sind im Prinzip schon lange bekannt, aber erst 1976 wurden sie als Ursache einer Epidemie nachgewiesen, als bei einem Treffen in einem Hotel in den USA fast 200 Legionäre erkrankten – daher der Name.
    "Legionellen sind generell immer da"
    "Legionellen kommen im Prinzip überall vor, wo es Wasser gibt, und vermehren sich unter lauwarmen Bedingungen besonders gut, unter einer Temperatur, die unserer Körpertemperatur entspricht", erklärt Doktor Udo Buchholz, Arzt und Infektionsepidemiologe beim staatlichen Robert-Koch-Institut. Legionellen sind generell immer da, aber gefährlich werden sie erst in einer hohen Konzentration und auch nur, wenn sie in die Lunge gelangen. Folglich nicht durch Wasserschlucken, sondern wenn man sie über Aerosole, also Sprühnebel, einatmet. Infektionsquellen sind zum Beispiel Badeanstalten, Whirlpools, Klimaanlagen oder Leitungssysteme von Gebäuden. Nur so entdeckt man meist auch den Ausbruch von Infektionen:
    "Man weiß, es gibt da mehrere Personen, die erkrankt sind, und die kommen aus einer Stadt oder aus einer Gegend, aber es dauert dann eine Weile, bis man die eigentliche Quelle gefunden hat."
    Mit den Erregern infizierte Menschen hingegen sind nicht ansteckend. Legionellen können zum einen das relativ harmlose "Pontiac-Fieber" auslösen. Dabei verschwinden die grippeähnlichen Symptome wie Abgeschlagenheit, Glieder- und Kopfschmerzen, Husten und Fieber in der Regel nach wenigen Tagen ohne Behandlung und ohne Folgeerscheinungen. Die Erreger können aber eben auch die berüchtigte Legionärskrankheit verursachen. Professor Norbert Suttorp, Leiter der Infektiologie und Pneumologie an der Berliner Charité:
    "Da geht es um eine Lungenentzündung, mit Fieber, mit Husten, mit Auswurf, mit Schlappsein, und Patienten können unterschiedlich stark betroffen sein; neuere Erkenntnisse unterstützen die Annahme, dass es auch milde Verlaufsformen der Legionellen-Pneumonie gibt. Der Patient kann aber auch intensivpflichtig werden – Notwendigkeit der Beatmung und der ganzen Intensivtherapie."
    Ältere Menschen sowie solche mit geschwächter Abwehr sind stärker gefährdet, eine schwere Legionellose zu bekommen, ferner zum Beispiel Diabetiker oder Raucher. Manchmal trifft es jedoch ganz Gesunde aus heiterem Himmel. Wie groß die Gefahr generell ist, lässt sich allerdings schwer sagen, obwohl es seit 2001 eine Meldepflicht für diese Erkrankungen gibt. Dr. Udo Buchholz vom RKI, dem Robert-Koch-Institut:
    "Wir haben pro Jahr etwa 500 bis 600 Fälle, die Tendenz ist in den letzten zehn Jahren eher leicht ansteigend gewesen, aber die Dunkelziffer ist sicherlich deutlich höher, als das, was wir in der Tat übermittelt bekommen am RKI."
    Wenn überhaupt werden nur die schwereren Legionellose-Fälle erfasst, weil viele Menschen mit harmlosen Atemwegserkrankungen gar nicht erst zum Arzt gehen. Wenn aber doch, so der Charité-Experte, sollte in der "normalen" Praxis die Schwere der Erkrankung geklärt werden.
    Wichtig, den genauen Typ des Erregers zu identifizieren
    "Wenn jemand eine Lungenentzündung hat und er geht zum Hausarzt oder zum Internisten und er hat die Symptome, dann muss ja der Hausarzt als erstes überlegen: Wie krank ist der Patient, kann ich das ambulant machen oder muss der Patient ins Krankenhaus."
    Dazu gibt es Vergleichslisten, die der nicht spezialisierte Mediziner heranziehen kann. Aber leider denkt auch nicht jeder Arzt sogar bei Patienten mit Lungenentzündungen gleich an Legionellen als Ursache. Dabei ist gerade hier eine besondere Aufmerksamkeit nötig, schon allein, um die Infektionsquelle zu finden und die Gefahr einer Epidemie möglichst rasch zu bannen. "Wir unterscheiden einmal zwischen sogenannten Reiseassoziierten Legionärskrankheiten, denen, die im privaten oder beruflichen Umfeld erworben werden, und denen, die im Krankenhaus oder Altenpflegebereich erworben werden."
    Neben der Quelle ist es äußerst wichtig, den genauen Typ des Erregers zu identifizieren, um die Krankheit adäquat behandeln zu können, sagt der Lungenspezialist Professor Suttorp. Legionellen werden mit Antibiotika bekämpft, aber weil sich die Bakterien im menschlichen Körper regelrecht verschanzen, helfen nur bestimmte Substanzen, nämlich solche, die im Zellinneren wirken.
    "Der Patient mit schwerer ambulant erworbener Pneumonie kriegt zwei Antibiotika, einmal ein Penicillin-Derivat, um die Pneumokokken zu treffen, und dann ein weiteres Präparat, das kann ein Chinolon sein oder ein Makrolit sein, welches die Legionellen trifft. Man wird nie einen schwer kranken Patienten mit Pneumonie ohne eine Legionellen-Therapie lassen."
    Denn bis klar ist, was die schwere Pneumonie, die Lungenentzündung, ausgelöst hat, können die Ärzte ja nicht abwarten. Andererseits sollten Antibiotika wegen der Gefahr von Resistenzen ja nur bei klarer Indikation eingesetzt werden. Zur genauen Diagnostik gibt es mehrere Verfahren.
    Vollständigen Schutz vor Legionellen-Quellen gibt es nicht
    "Alle Tests haben so ihre Stärken und Schwächen. Breit angewendet wird der Urintest, er ist recht einfach und er ist auch ein Schnelltest, und wenn der positiv ist, dann sagt man "Hallo", und dann kriegt der Patient auch eine entsprechende Therapie."
    Einen vollständigen Schutz vor Legionellen-Quellen gibt es nicht, man kann das Risiko nur begrenzen, sagt der Infektionsepidemiologe Udo Buchholz. "Man kann eigentlich grundsätzlich dem Zusammentreffen mit Legionellen sehr schwer entgehen, natürlich kann man - und das wird ja auch getan - die baulichen Bedingungen verbessern, also das Legionellen-Wachstum erschweren."
    In öffentlichen Einrichtungen müssen die Wasserversorgungssysteme seit 2011 regelmäßig auf Erreger untersucht und bei einer gefährlichen Anzahl auch gesperrt werden. Besonders unter Beobachtung stehen etwa Pflegeheime, Kindertagesstätten sowie Krankenhäuser - letztere haben inzwischen meist einen eigenen Hygienebeauftragten. Zum persönlichen Schutz werden im Internet jede Menge - selbstverständlich kostenpflichtige - Maßnahmen angeboten, Filter aller Art und diverse Wasseranalyseverfahren - das meiste davon mit eher zweifelhaftem Nutzen.
    Selbst kann man vor allem eins tun, um sich vor Legionellen möglichst zu schützen: Möglichst vor der Benutzung das Warmwasser laufen lassen - auf jeden Fall in einer Ferienwohnung, sicherheitshalber im Hotel oder in der Badeanstalt und nach dem Urlaub auch zu Hause. Hier geht Hygiene vor Sparen.