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Radiolexikon Gesundheit: Lymphom

Lymphozyten sind Abwehrzellen, die vermehrt bei Entzündungen entstehen und unsere Lymphknoten anschwellen lassen. Mediziner sprechen in diesem Fall von Lymphomen. In gutartiger Variante ist ein Lymphom eine natürliche Abwehrreaktion auf Krankheiten oder Verletzungen.

Von Mirko Smiljanic | 23.04.2013
    Der menschliche Organismus ist begehrt. Pausenlos versuchen Bakterien und Viren, Pilze und Parasiten Fuß zu fassen, dringen in den Körper ein, besiedeln Haut und Hirn, Blut und Organe – und scheitern doch fast immer an einer ebenso ausgeklügelten wie effizienten Immunabwehr. Zu den wichtigsten Elementen dieses Schutzsystems zählen Lymphknoten.
    Dr. Judith Neukirchen, Ärztin an der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie am Uniklinikum Düsseldorf:

    "Die Lymphknoten gibt es fast im gesamten Körper, es gibt mehrere Tausend Lymphknoten in jedem Menschen an verschiedenen Stellen, unter den Armen, am Hals, hinter dem Brustbein, im Bauch, in der Leiste, und Lymphknoten dienen als Filterstation, wo die Lymphflüssigkeit aus den Lymphgefäßen durchgeschleust wird…"

    ...und eine Armada spezieller Zellen, die Lymphozyten, sie auf ihr krankmachendes Potenzial begutachtet. Lymphozyten entstammen zwar dem Knochenmark, wandern aber...

    "...nach der Geburt in unterschiedliche Lymphatische Gewebe, wie zum Beispiel dem Thymus, wie beispielsweise auch Follikeln im Darm und in die Milz auswandern und dort eine Art Schulung bekommen, ganz gezielt, von außen kommende Eindringlinge, ich würde sogar das Spektrum erweitern, nicht nur Mikroben, nicht nur Bakterien, nicht nur Viren, sondern auch andere Schadstoffe als für den Menschen bedrohlich zu erkennen und dann über entsprechende Abwehrsysteme, durch zum Beispiel auflösende Enzyme, durch Fressen, durch Aufnahme in die Zelle und Verdauen unschädlich zu machen."

    Professor Rainer Haas, Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie an der Universität Düsseldorf.

    Nun kann dieses System, das der Gesundheit des Menschen dient, selber krank werden. Erstes Warnsignal sind geschwollene Lymphknoten, was aber zunächst einmal nur ein Hinweis auf Zweierlei ist: Die Lymphozyten gehen ihrer Arbeit nach und machen Eindringlinge unschädlich, außerdem gibt es möglicherweise irgendwo im Körper einen Krankheitsherd.

    "Es gibt Lymphknotenschwellungen ganz häufig auch im Rahmen von Entzündungen, zum Beispiel bei Zahnentzündungen ist es nicht ungewöhnlich, große Halslymphknoten zu haben, sodass man, wenn man vergrößerte Lymphknoten hat, eine Entzündung ausschließen muss."

    Geschwollene Lymphknoten – also ein Lymphom – können harmlos sein, sie müssen es aber nicht. Wenn trotz aller Untersuchungen kein äußerer Anlass für die Schwellung, eine Entzündung etwa, gefunden wird, wenn die Lymphknoten besonders groß sind und keine Schmerzen verursacht,...

    "...dann beginnt die weitere Suche nach anderen Orten möglicher vergrößerter Lymphknoten, das heißt, man beginnt eine Art Ausbreitungsdiagnostik, zunächst tastenderweise und dann natürlich auch unter Zuhilfenahme bildgebender Verfahren, wie zum Beispiel einem Ultraschall für die Bauchorgane, man kann das erweitern um die Computertomografie, die auch schwerer einsehbare Regionen im Bauch darstellt, das CT auch ausdehnen auf den Brustraum, wo ja auch eine Vielzahl unterschiedlicher Lymphknotenstationen liegen und wird dann am Ende des Tages nicht umhin kommen als Goldstandard für die Diagnosesicherung einen dieser pathologisch vergrößerten Knoten, den bestzugänglichen, von einem Chirurgen entfernen zu lassen, um daraus eine feingewebliche, eine histologische Diagnose zu stellen."

    Bei bösartigen Lymphomen unterscheiden Mediziner zwei große Gruppen, sagt Judith Neukirchen von der Universitätsklinik Düsseldorf.

    "Es gibt einmal die große Gruppe der sogenannten hochmalignen Lymphome, also eher bösartig einzustufende, schnellwachsende Lymphome, und die Gruppe der niedrigmalignen Lymphome, die weniger aggressiv sind, meistens einen sehr langsamen Verlauf haben und sich über mehrere Jahre entwickeln können."

    Bekannter und bei Medizinern durchgesetzt hat sich allerdings die Unterscheidung in Hodgkin-Lymphome und Non-Hodgkin-Lymphome – benannt nach dem englischen Arzt Thomas Hodgkin, der die Krankheit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstmals beschrieb. Kennzeichen der nach ihm benannten Lymphome sind die sogenannten Sternberg-Riesenzellen. Sie entstehen, wenn einige der erkrankten Zellen miteinander verschmelzen. Alle anderen Lymphome ohne Sternberg-Riesenzellen fallen in die Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome. Trotz aller Forschung – sagt Professor Rainer Haas – was ein bösartiges Lymphom auslöst, weiß niemand.

    "Für die meisten unserer Patienten, die aus ganz unterschiedlichen Berufswelten, ob Mann, ob Frau, kommen, lässt sich die Ursache für die individuelle Erkrankung nicht festlegen."

    Ist ein Lymphom bösartig, beginnt die Therapie, wobei auch hier zwischen Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen unterschieden wird. Bei den Hodgkin-Lymphomen hängt die Behandlung vom jeweiligen Krankheitsstadium ab. Im ersten Stadium ist nur ein Lymphknoten betroffen, im vierten Stadium fast alle.

    "Die niederen Stadien sind noch die Domäne der Strahlentherapie, weil Strahlentherapie beim Morbus Hodgkin hochsensitiv, sehr empfänglich die Zellen, es erlaubt, die Behandlung auf die befallene Region zu beschränken, während für die höhergradigen Stadien dann eine Chemotherapie zum Einsatz kommt, die aus unterschiedlich wirksamen Zytostatika, also Zellgiften, zusammengestellt ist, und die in der Regel über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten in Form von wiederkehrenden Zyklen verabreicht wird."

    85 bis 90 Prozent aller so behandelten Patienten werden geheilt – eine beachtliche Rate! Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen hängt die Form der Therapie davon ab, ob es ein aggressiver Tumor oder ein weniger aggressiver Tumor ist. Bei den weniger aggressiven Tumoren machen Ärzte zunächst gar nichts,...

    "...weil eben die Wachstumseigenschaften so indolent, so träge, so langsam sind, dass eine Behandlung oftmals erst - wenn überhaupt – nach Jahren nötig werden kann, und so dem Patienten die Behandlung, die ja auch mit Nebenwirkungen verbunden sind, ersparen will."

    Ist die Behandlung doch notwendig, kommt ein Mix aus einer Antikörper- und einer Chemotherapie zu Einsatz. Die Heilungsraten sind bei diesen Patienten nicht ganz so günstig, teilweise liegen sie bei 50 bis 60 Prozent. Egal an welchem Lymphom ein Patient erkrankt, entscheidend ist, wie bei allen Tumoren, eine rasche Diagnostik und Therapie. Wer geschwollene Lymphknoten tastet, sollte aber nicht gleich in Panik verfallen.

    "Ich glaube, es doch ein gewisses Maß an das Gehör für die innere Stimme, die ihm sagt, hier ist eine Schwelle überschritten, wo es doch darum geht, mal einen Arzt zu konsultieren."