Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Radiolexikon Gesundheit
Rotaviren - besondere Gefahr für Säuglinge und Kinder

Rotaviren sind die häufigsten Erreger für Magen-Darm-Infektionen - vor allem bei Kindern unter fünf Jahren. Bei Säuglingen ist die Gefahr einer gefährlichen Dehydration besonders groß. Auf die leichte Schulter sollte man eine Rotavirusinfektion in keinem Fall nehmen.

Von Justin Westhoff | 21.10.2014
    Unter dem Mikroskop sieht das Rotavirus wie eine stachelige Kugel aus. Als weltweiter Erreger von Durchfallerkrankungen wurde es erst 1979 entdeckt. Für Kinder in armen Länder ist das Virus ein riesiges, oft todbringendes Problem. In unseren Breitengraden mit der guten medizinischen Versorgung verläuft die Infektion meist harmlos. Aber sie sind sehr ansteckend, berichtet Dr. Ole Wichmann vom Robert-Koch-Institut:
    "Rotaviren sind die häufigsten Erreger für Magen-Darm-Infektionen - vor allem bei Kindern unter fünf Jahren. Das sind sogenannte Schmierinfektionen, also typischerweise zum Beispiel beim Wickeln von Säuglingen, da kann man das dann an den Händen behalten, und wenn man nicht ordentlich die Hände danach wäscht, kann es dann zu Übertragungen führen, häufig nach der Toilettenbenutzung kann es bei nicht optimaler Hygiene zur Übertragung kommen."
    Rotaviren können auch über verschmutztes Wasser und Lebensmittel übertragen werden. Die Erkrankung ist nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig, und zwar wegen der hohen Ansteckungsgefahr. Über 90 Prozent aller Kindern bekommen irgendwann in den ersten Lebensjahren eine Rotavirusinfektion, mit heftigen Durchfällen, Bauchschmerzen und oft mit Erbrechen. Auch immungeschwächte und ältere Menschen sind dafür anfällig. Wirklich bedrohlich allerdings kann die Infektion für Säuglinge werden, sagt der Dr. Werner Luck, Spezialist für Magen-Darm-Krankheiten bei Kindern, an der Berliner Charité.
    "Die besondere Situation bei den Säuglingen ist, dass die einen hohen Flüssigkeitsbedarf haben, das heißt, wenn die Kinder eine Gastroenteritis haben und häufig Durchfall haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in eine gefährliche Dehydratation, das heißt in einen gefährlichen Wasserverlust und vor allem Elektrolytverschiebung kommen, besonders hoch."
    Stehende Haut als Zeichen für Entwässerung
    Nun haben Kleinkinder ziemlich häufig Magen-Darm-Probleme. Eltern müssen spätestens nach zwei Tagen Andauern der Symptome handeln, vor allem aber:
    "Wenn Säuglinge und Kleinkinder nicht mehr trinken, deutlich weniger trinken als sonst, dann müssen die Eltern innerhalb von Stunden ins Krankenhaus. Ein anderes Kriterium ist, wenn die Kinder eine Haut bekommen, dass wenn man daran zieht, diese Haut stehen bleibt, ist das immer ein Zeichen, dass das Kind eine massive Entwässerung hat. Lieber einmal zu viel als einmal zu spät."
    Ins Krankenhaus wegen eines heftigen Durchfalls kommen immerhin bis zu 30.000 Kinder pro Jahr. Dort entscheiden die Ärzte dann unverzüglich, wie groß das Ausmaß des Wasserverlustes ist.
    "Und wenn die Dehydratation gering ist, dann kriegen die Kinder eine sogenannte orale Rehydratationslösung, das war der große Erfolg der Rehydratationslösung, die in den 70er-Jahren im vorigen Jahrhundert von der Weltgesundheitsorganisation entwickelt wurde. Der entscheidende Punkt ist der, dass diese Lösung Salz und Zucker beinhalten muss, weil bei diesen Durchfallerkrankungen immer noch Transportmoleküle aktiv sind im Darm, die die Wiederaufnahme aus dem Darm regeln, das ist diese berühmte Geschichte mit – was die Krankenschwestern immer sagen – Cola und Salzstangen."
    Kinder auch nach Abklingen der Symptome noch infektiös
    Das kann man Säuglingen natürlich nicht geben. Sie erhalten nur eine entsprechende Zucker-Kochsalzlösung. Wenn die Entwässerung sehr ausgeprägt ist und die Babys auch nicht mehr trinken können, bekommen sie eine Infusion, erklärt Kinderarzt Dr. Luck:
    "Also das heißt vor allen Dingen Wasser und Elektrolytsubstitution, der Magen-Darm-Trakt ist ja ein Organ, das sich jede Woche neu aufbaut, das heißt, wenn durch die Virusinfektion das Gewebe zerstört wird, ist es so, dass nach einer Woche sich das Gewebe wieder neu aufbaut, das heißt man muss eigentlich nur die Phase überbrücken, in der das Kind die Durchfallerkrankung hat, und dann wird von selbst alles gut."
    Aber auch ein paar Tage nach Abklingen der Symptome sind die Kinder noch infektiös, so dass Kontakte mit Dritten noch etwas warten sollten.
    Medikamente, mit denen man die Ursache der Infektion bekämpfen kann, gibt es nicht, auch nicht für Erwachsene. Zudem hat es keinen Sinn, Mittel, die den Durchfall stoppen, einzunehmen. Das verlängert eher den Krankheitsverlauf, weil dadurch die Erreger schwerer ausgeschieden werden.
    Auf die leichte Schulter sollte man eine Rotavirusinfektion in keinem Fall nehmen, auch wenn die Infektion hierzulande fast immer gut ausgeht. Dr. Ole Wichmann, Leiter der Abteilung Impfprävention und Impfepidemiologie beim Robert-Koch-Institut:
    "Wir haben in Deutschland im Schnitt maximal ein bis zwei Todesfälle bei kleinen Kindern aufgrund von Rotavirus und bei den Älteren fünf bis sechs Todesfälle im Jahr."
    Impfungen sind möglich
    Verglichen mit der Häufigkeit in Entwicklungsländern ist das sehr wenig. Die Rotavirus-Fälle bei Babys sind insgesamt etwas geringer geworden, seit die Möglichkeit der Vorbeugung existiert.
    "Ungefähr seit 2006/7 gibt es zwei Impfstoffe, beides sind Schluckimpfungen; das sind eigentlich sehr gut wirksame Impfstoffe, die aber nur für Säuglinge zugelassen sind."
    Bei denen ist aber – wie gesagt – die Belastung durch eine Rotavirus-Erkrankung besonders hoch. Der Impfstoff enthält abgeschwächte und daher nicht krankmachende Rotavirus-Partikel. Die offizielle Ständige Impfkommision hat im August 2013 die Schluckimpfung gegen Rotaviren in ihre Empfehlungen aufgenommen. Je nach Impfstoff sind zwei bis drei Teilimpfungen notwendig. Die erste Dosis sollte schon im Alter von sechs Wochen gegeben werden, betont Dr. Wichmann.
    "Die Rotavirus-Impfung ist eigentlich eine sehr gut verträgliche Impfung, aber bei denen, die eher zu spät geimpft werden, hat man gesehen, dass es so bei eins zu hunderttausend es zu einer Invagination kommen kann, das ist eine Einstülpung des Dünndarms, und dass das in seltenen Fällen dann mal auch sogar operativ behoben werden muss."
    Der Arzt und Impfexperte legt Wert auf diese Einschränkung: Nur sehr selten und nur wenn die Impfung nicht bis zum sechsten, spätestens zum achten Lebensmonat abgeschlossen ist, kann es zu dieser Nebenwirkung kommen.
    Wegen der potentiellen Gefährlichkeit von Rotavireninfektionen für bestimmte Gruppen sind zur Vorbeugung in Kinderkliniken, auf Säuglings- und Intensivstationen sowie in Alten- und Pflegeheimen strenge Hygienemaßnahmen besonders wichtig, auf die in der Realität zunehmend, aber womöglich noch nicht überall geachtet wird. Nicht nur hier gilt:
    "Das Einzige, was man neben der Impfung eigentlich nur sagen kann: Händewaschen!, Händewaschen, und Händewaschen!"
    Allerdings sind die Erreger sehr zäh, so dass Dr. Ole Wichmann gleich hinzufügen muss:
    "Gerade an Orten, wo viele Kinder zusammen kommen, ist es fast unmöglich, wenn dort ein Ausbruch in so einer Kita zum Beispiel ist, das wirklich nur durch Händewaschen einzudämmen."
    Bleibt allenfalls der Rat an Eltern, in dieser Zeit ihre Kleinen, wenn irgend möglich, von solchen Einrichtungen fernzuhalten.