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Spitzwegerich hilft nicht nur bei Husten

Der Spitzwegerich ist die Arzneipflanze des Jahres 2014, hat der "Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" an der Universität Würzburg entschieden. Schon in der Antike schworen die Menschen auf die heilende Wirkung bei Erkältungen und Verletzungen.

Von Renate Rutta | 31.12.2013
    "Der Spitzwegerich ist in ganz Europa lange verbreitet. Die Anwendungen finden wir auch bei Hildegard von Bingen. Die hat sich auch mit der auch in der Volkskunde früher sehr beliebten Arzneipflanze auseinandergesetzt."
    Dr. Johannes Mayer vom Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg.
    "Der Spitzwegerich kommt schon in den wichtigsten antiken Arzneibüchern vor, etwa bei Dioskurides, das war die wichtigste Arzneimittellehre der Antike."
    Der behandelt ihn schon ausführlich. Und im Mittelpunkt standen da früher die Wunden, aber auch die Probleme mit den Atemwegen, daneben auch Darmprobleme und übermäßige Menstruationsblutungen waren die wichtigsten Anwendungen.
    "Wir finden ihn auch bei Leonhard Fuchs. Das war eines der wichtigsten Kräuterbücher im 16. Jahrhundert. Man kann sagen, es gibt eigentlich kaum ein Kräuterbuch, wo der Spitzwegerich und auch der Breitwegerich nicht vorkommen."
    Und nicht nur in den Kräuterbüchern, sondern auch in der Literatur - sogar beim berühmtesten aller englischen Dichter.
    "Der Shakespeare erwähnt ihn sogar mehrfach als ein Mittel gegen Hautverletzungen, das ist der ganz klassische Anwendungsbereich früher gewesen."
    Heute fast vergessen
    Erstaunlich, dass nach dieser "Erfolgsstory" der Spitzwegerich heutzutage fast vergessen ist. Damit das nicht so bleibt, hat der "Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" an der Universität Würzburg den Spitzwegerich zur Arzneipflanze des Jahres 2014 gewählt.
    "Der Name kommt von diesen sehr langen lanzettförmigen spitzen Blättern, die fast wie eine Lanzenspitze aussehen und daher hat er den Namen. Wegerich selber, das ist ein bisschen umstritten, wo der Name herkommt. Wahrscheinlich ist es so, dass es von Weg kommt und rich, rich heißt König - und es hieße dann König der Wege. Die Wegericharten sind ja häufig auf Wegen zu finden, sind also extrem robust und insofern macht der Name König des Weges durchaus Sinn."
    Verwendet werden ausschließlich die Blätter des Spitzwegerichs und zwar, bevor die Pflanze blüht. Sie werden frisch gepflückt und dann getrocknet.
    "Der Spitzwegerich ist durch seine sehr langen lanzettförmigen Blätter gut erkennbar, die auch markante Sehnen, drei bis fünf Blattnerven, Sehnen haben. Und die wachsen aus einer Blattrosette heraus und der Blütenstand ist ein recht hoher Stängel."
    Ob als Tee, Saft oder äußerlich angewandt, hängt davon ab, welche Krankheit der Spitzwegerich lindern soll. Seine zahlreichen Inhaltsstoffe stehen für eine positive Wirkung bei Katarrhen der Atemwege und Entzündungen von Mund und Rachenschleimhaut sowie bei Wunden. Inzwischen belegen auch pharmakologische Laboruntersuchungen diese Effekte, so Prof. Karin Kraft vom Lehrstuhl für Naturheilkunde am Zentrum für Innere Medizin der Universität Rostock.
    "Die innerliche Anwendung ist anerkannt mittlerweile EU-weit durch die europäische Arzneimittelagentur und es geht darum, dass Spitzwegerich eine sogenannte ‚Schleimdroge‘ ist. Man kann damit Hustenreiz lindern im Rahmen von Erkältungen zum Beispiel."
    Bei einer Erkältung sind häufig die Schleimhäute angegriffen, was leicht einen Hustenreiz auslöst.
    "Und dann legt sich der Spitzwegerich, also die Inhaltsstoffe, diese Schleimstoffe legen sich direkt auf die Schleimhaut auf und verhindern so diesen Reiz, sodass man dann nicht mehr so leicht husten muss."
    Der schützende Film legt sich dann über die Schleimhaut in Mund und Rachen und lindert so nicht nur den lästigen Hustenreiz.
    "Die Pharyngitis, die Entzündung der Rachenschleimhaut, ist durch Spitzwegerichzubereitung sehr gut zu behandeln, weil Spitzwegerich eben nicht nur diese Schleimstoffe, sondern auch antientzündlich wirksame Inhaltsstoffe enthält, das sind die sogenannten Iridoidglykoside, als bekanntester Vertreter das Aucubin.
    In Spitzwegerichzubereitungen sind enthalten die Schleimstoffe als wichtigste Inhaltsstoffe, dann die Iridoidglykoside, die anti-entzündlich wirken, und schließlich die Gerbstoffe, die auch eine anti-entzündliche und vielleicht sogar eine leichte antibakterielle Wirkung haben."
    Linderung bei Husten
    Geeignet sind Tees und ein Frischpflanzenpresssaft, den man dreimal täglich gibt. Die Wirkung der Inhaltsstoffe ist bei Erwachsenen, aber auch bei Kindern belegt.
    "Wir haben Ende der 90er-Jahre eine Studie bei fast 600 Erwachsenen und Kindern durchgeführt, eine sogenannte Anwendungsbeobachtung. Hier wurden bei akuten Erkältungen diesen Erwachsenen und Kindern eine Spitzwegerichzubereitung verabreicht."
    Verwendet wurde bei dieser Anwendungsbeobachtung ein Flüssigextrakt.
    "Und man hat dann geprüft, wie sich die Symptome verbessert haben. Man hat in fast 70 Prozent der Fälle nach bereits drei Tagen, maximale Behandlungszeit waren 14 Tage, eine starke Besserung des Hustens festgestellt. Und damit ist auch in Europa diese Indikation im Rahmen des ‚traditional use‘ akzeptiert worden.
    Besonders wichtig ist mir, dass sie auch für Kinder akzeptiert ist. Man kann also mit Spitzwegerichzubereitung Kinder ab dem dritten Lebensjahr behandeln, wenn sie unter dem unangenehmen quälenden trockenen Husten im Rahmen von Erkältungen oder auch nach einer Erkältung leiden."
    Selber sammeln sollte man die Spitzwegerichblätter eher nicht. Es kann zu Verwechslungen kommen oder der Boden kann verunreinigt sein.
    "Ich würde immer versuchen, die Zubereitung in der Apotheke zu bekommen. Da gibt es eine Hustenmischung, in der auch Spitzwegerichblätter normalerweise enthalten sind. Ansonsten gibt es Fertigarzneimittel, in einigen Ländern Europas gibt es sogar Lutschpastillen mit Spitzwegerichextrakt."
    Zur innerlichen Anwendung von Spitzwegerich gibt es verschiedene Mittel zu kaufen. Aber auch die äußerliche Anwendung der Blätter hat eine lange Tradition, ist allerdings in Vergessenheit geraten.
    "Das ist mehr ein Hausmittel. Im Sommer, wenn der Spitzwegerich auf der Wiese wächst, dann kann man ihn gut mitnehmen und wenn dann die Mücken kommen und einen stechen, dann kann er frisch gekaut auf die entsprechenden Stiche aufgebracht werden. Dann entzündet sich das Ganze nicht so, weil der Spitzwegerich anti-entzündliche Substanzen enthält."
    Wenn man sich einen Tee aus Spitzwegerichblättern zubereitet, sollte man kein heißes Wasser verwenden, rät Dr. Johannes Mayer:
    "Man nimmt zwei Teelöffel von dem Kraut und setzt es aber in kaltem Wasser an und lässt es eine Weile ziehen. Das kann gut zwei Stunden sein. Und dann erwärmt man das auf eine gute Trinktemperatur und trinkt den abgeseihten Tee. Dabei ist übrigens wichtig, dass man den Tee sehr langsam trinkt, so quasi etwas gurgelt, damit es möglichst lange in der Mundhöhle bleibt."
    Wem der Geschmack des Tees zu "streng" ist, der kann einen Löffel Honig in den Tee geben. Nebenwirkungen, so Dr. Mayer, sind keine bekannt.