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Radiolexikon Gesundheit: Tollwut

Tollwut ist eine seit Jahrtausenden bekannte Infektion, die bei Tieren und Menschen eine lebensbedrohliche Gehirnentzündung verursacht. Weltweit sterben jährlich etwa 70.000 Menschen an der Krankheit. In Deutschland gilt die Infektion zumindest in einigen Regionen als fast ausgerottet.

Von Mirko Smiljanic | 23.01.2007
    Leverkusen, 30. September 2004, Sportflughafen Kurtekotten: Langsam schwebt ein Hubschrauber in den blauen Spätsommerhimmel. Neben der Pilotin sitzt Kurt Molitor, Amtstierarzt und zuständig für eine Impfaktion der besonderen Art: Die Füchse der Region werden ein letztes Mal gegen Tollwut immunisiert, und zwar mit Impfködern, die der Veterinär nach einem festgelegten Plan über Wälder und Wiesen, Felder und Brachland abwirft.

    " In den Ködern ist ein Lebendimpfstoff, der speziell für die Füchse entwickelt worden ist, die bei diesen dann auch eine Immunität bewirkt. Die Untersuchungen, die wir gemacht haben, haben gezeigt, dass das auch ganz gut funktioniert."

    Mit konstanter Geschwindigkeit fliegt der Helikopter Bahn um Bahn: Fünf Kilometer in die eine Richtung, dann 200 Meter versetzt, fünf Kilometer zurück. In regelmäßigen Abständen wirft eine Automatik die Köder ab, 30 pro Quadratkilometer. Allein in Leverkusen und dem angrenzenden Köln sind dies auf 5.000 Quadratkilometern 150.000 Kapseln. Ein mühevoller und ein teurer Kampf gegen die Tollwut, einer Krankheit, die auch heute noch in weiten Bereichen der Welt Angst und Schrecken auslöst.

    " Der Übertragungsweg ist eigentlich in 99 Prozent aller Fälle ein Biss durch ein infiziertes Tier, früher waren das in erster Linie Füchse, in andern Teilen der Welt sind es in erster Linie verwilderte Hunde oder in Südamerika sind es oft Fledermäuse."

    70.000 Menschen - fährt Professor Ulrike Wieland vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Köln fort - sterben jährlich an Tollwut, die meisten in Osteuropa, Asien und Afrika. In Deutschland liegt die Sterberate dank konsequenter Impfaktionen und dank guter Therapien fast bei Null. Ausgerottet ist das Virus aber nicht! Immer wieder weisen Behörden tollwutgefährdete Bezirke vor allem in Hessen und in Rheinland Pfalz aus, immer wieder greifen tollwütige Tiere Menschen an.

    " Wir hatten so einen Fall auf einem Golfplatz, wo der Fuchs wirklich hinter dem Golfer her ist und ihn tatsächlich auch in die Wade gebissen hat, bevor der Golfschläger den Fuchs erwischt hat. "

    Grundsätzlich gilt: Nicht jeder Biss führt zur Tollwut, die Rate schwankt zwischen 30 und 60 Prozent - aber jede Infektion endet unbehandelt unweigerlich mit dem Tod des Gebissenen.

    " Nach dem Biss dauert es erst einmal ein bis drei Monate, bis man die ersten Symptome bekommt, dann hat man so genannte Prodromie, das sind Vorstufen, die sind unspezifisch und weisen in den meisten Fällen noch nicht auf Tollwut hin, die Patienten können Unwohlsein haben, Durchfälle, etwas Charakteristisches sind Schmerzen, Jucken oder Brennen an der Bissstelle."

    Unerfahrene Ärzte diagnostizieren da schon mal grippale Infekte. Etwa sieben Tage später entwickeln die Patienten echte Tollwutsymptome. Dann hat sich das Rabies-Virus entlang der Nervenbahnen ins Gehirn vorgearbeitet, wo es neurologische Beschwerden auslöst.

    " Das eine ist die Wut, die "tolle" Wut, da können die Patienten Bewegungsstörungen bekommen, Sprachstörungen, ganz klassisch ist die so genannte Hydrophobie, das heißt die Angst vor Wasser, das heißt, wenn die Patienten ein Glas Wasser hingehalten bekommen oder trinken wollen, bekommen sie Schluckkrämpfe."

    Spätestens jetzt muss die Behandlung konsequent einsetzen, sonst erleiden Tollwutinfizierte einen qualvollen Tod.

    " Die sterben letztlich an einer Atemlähmung, das ganze Gehirn wird zerstört und am Ende kommt eben die Lähmung des gesamten Körpers, unter anderem die der Atmung. Unter intensivmedizinischen Bedingungen kann man die Patienten länger am Leben halten, da kann man sie künstlich beamten, und dann sterben sie letzten Endes an anderen Komplikationen, an einer Lungenentzündung oder ähnlichem. "

    Mittlerweile streifen Jäger durch die Wälder rund um Leverkusen. Sie kontrollieren Straßen und Spielplätze, klären auf und warnen die Bevölkerung. Die Köder enthalten Lebendimpfstoffe, wer sie zu sich nimmt, infiziert sich möglicherweise mit dem Virus. Vor allem Kinder sind in Gefahr! Das Problem: Viele Füchse leben in unmittelbarer Nachbarschaft zum Menschen, entsprechend werden auch die Impfköder platziert.

    " Der Fuchs ist ein so genannter Kulturfolger, der den Menschen nachfolgt in die städtischen Bereiche hinein, weil der dort Futter sucht und es ist auch nichts ungewöhnliches und schlimmes, wenn der Fuchs dann mal über die Terrasse läuft, ... "

    ... höchste Vorsicht ist in solchen Fällen aber geboten, vor allem wenn das Tier seine natürliche Scheu verliert: Möglicherweise ist es dann Träger des Tollwutvirus.

    Nach dem Biss bleiben dem Patienten 72 Stunden für eine optimale Therapie. In dieser Zeit vermehren sich die Viren in der Bisswunde, haben ihre Wanderung ins Gehirn aber noch nicht angetreten. Ulrike Wieland von der Universitätsklinik Köln.

    " Man gibt sowohl eine aktive Impfung - einen Impfstoff gegen Tollwut - den muss man fünf Mal geben an verschiedenen Tagen, und eine passive Impfung in den Po und das sind Antikörper gegen das Tollwutvirus."

    Eine frühe Behandlung drängt die Infektion komplett zurück; je später die Impfung statt findet, desto schwieriger gestaltet sich die Therapie, neurologische Folgeschäden sind die Regel. Hat der Patient eine Infektion überstanden, ist er für etwa zwei bis fünf Jahre gegen das Rabies-Virus immun. Gleiches gilt auch für Menschen, die sich vorbeugend gegen Tollwut impfen lassen. Wer während einer Reise von einem Tier gebissen wird, sollte sofort einen Arzt aufsuchen. Aber auch in Deutschland ist Vorsicht geboten! Medizinstudenten lernen zwar alles Wichtige über Tollwut, Patienten bekommen sie aber nie zu sehen.

    " Das ist natürlich gut, dass die keine Fälle mehr sehen, weil das bedeutet, dass es bei uns keine Tollwut mehr gibt, aber die müssen wissen, was muss ich machen, wenn ein von einem Tier gebissener Patient zu mir kommt, wie behandle ich das, und wo wir auch immer drauf hinweisen, ist, dass es auch in Deutschland infizierte Fledermäuse gibt, vor allem in Norddeutschland an der Grenze zu Dänemark und den Niederlanden, wir sagen den auch immer, wenn Leute Fledemausbisse haben, müssen die unbedingt danach geimpft werden."

    Leverkusen, Ende 2004. Die Impfaktion wurde mit Erfolg abgeschlossen. Seither gibt es keine mit Tollwut infizierten Füchse mehr. Eine Kontrolle steht noch aus, dann zählt Nordrhein-Westfalen offiziell zu den tollwutfreien Regionen Deutschlands. Ein Status, der sich aber rasch wieder ändern kann. In hessischen und rheinland-pfälzischen Wäldern leben infizierte Füchse, und die können - sagt Kurt Molitor - das Virus in alle Himmelsrichtungen verteilen.

    " Das ist durchaus möglich, wir versuchen aber, das zu verhindern. Derzeit machen wir keine Bekämpfung mehr durch eine Beköderung und Immunisierung der Füchse, gleichwohl nehmen wir jedes Jahr noch einige Kontrollfüchse, die dann untersucht werden auf Antikörper gegen das Tollwutvirus."

    Die Gefahr einer Tollwutinfektion in Deutschland ist gering, in Afrika, Asien und Osteuropa dagegen ist sie vergleichsweise hoch. Gleichgültig wo man sich mit der gefährlichen Krankheit ansteckt - Für Panik gibt es keinen Grund!

    " Es gibt, wenn man sich nach einem Tierbiss impfen lässt die Chance, dass man nicht Tollwut bekommt, 100 Prozent, wenn das korrekt gemacht wird und wenn man im rechtzeitigen Zeitfenster bleibt."