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Radiolexikon: Pfeiffersches Drüsenfieber

Das Pfeiffersche Drüsenfieber ist eine Virusinfektion, die nur einmal im Leben durchgemacht wird. Die Infektion findet vor allem bei Kindern statt und ist relativ gut zu diagnostizieren.

Von Andrea J. Westhoff | 18.08.2009
    "Roger Federer setzte sich in einem hochdramatischen Endspiel in fünf Sätzen durch, gewann sage und schreibe 16 zu 14."

    Seit Juli 2009 ist Roger Federer wieder die Nummer 1 im Tennis mit seinem Sieg im Wimbledon-Finale. Dabei sah es ein Jahr zuvor schon fast so aus, als gehe seine Ausnahmekarriere zu Ende: bei den Australian Open im Halbfinale gescheitert, beim ATP-Turnier in Dubai sogar in der ersten Runde ausgeschieden. Aber dann meldete unter anderem die Schweizer Tagesschau:

    "Pfeiffersches Drüsenfieber, das ist der Grund, warum Roger Federer, der weltbeste Tennisspieler, einfach nicht auf Touren kam."

    Wieder einmal eine Krankheit, die durch prominente Betroffene stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist.

    "Das Pfeiffersche Drüsenfieber ist eine Virusinfektion, die nur einmal im Leben durchgemacht wird, und in der Regel ist es so, dass die Häufigkeit der Infektionen im Kindesalter stattfindet."

    Weshalb sich zum Beispiel Dr. Ulrich Fegeler, Sprecher des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte, damit beschäftigt. Allerdings treten bei kleinen Kindern meist gar keine Symptome auf. Das volle Krankheitsbild zeigt sich erst bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Den Namen "Drüsenfieber" bekam die "infektiöse Mononukleose" durch den deutschen Kinderarzt Emil Pfeiffer, der sich an den Hauptsymptomen orientierte:

    "Wenn wir einen einigermaßen gut erkennbaren Verlauf haben, sehen wir es meistens daran, dass die Kinder Fieber haben, Halsbeschwerden und vergrößerte Mandeln, aber auch eben deutlich vergrößerte Lymphknoten im Bereich des Kieferwinkels, auch an anderen Stellen des Körpers, zum Beispiel in dem Leistenbereich, und was eben typisch ist, auch ein Anschwellen der Milz, aber auch die Leber wird groß. Und wenn man dann noch Blutwerte abnimmt, stellt man auch fest, Leberzellen werden zerstört; also insgesamt eine komplexe Erkrankung insbesondere des lymphatischen Systems, in der Regel recht gutartig verlaufend und nach einer Weile, etwa nach 14 Tagen spätestens wieder abklingend, es gibt aber auch ganz dramatische Verläufe mit höchstem Fieber und das kann richtig mal dramatische Ausnahmesituationen erreichen, sind aber wie gesagt selten."

    Hervorgerufen wird das Pfeiffersche Drüsenfieber durch das Epstein-Barr-Virus, von zwei englischen Virologen 1964 entdeckt. Professor Heinz Zeichhardt vom Institut für Virologie der Charité:

    "Das Epstein-Barr-Virus gehört zur Familie der Herpesviren, zu den Herpesviren zählen die Erreger des Herpes labiales oder Herpes genitales auch, dann der Erreger der Windpocken und des Zoster, dann ein Krebsvirus, das vor allem bei HIV-Patienten Kaposisarkom hervorruft. Es wird durch engen körperlichen Kontakt, vor allem über Speichelaustausch übertragen und es ist damit auch die Erkrankung der Heranwachsenden, im englischen gibt's dafür auch den Ausdruck, es ist die Kissing disease."

    Das Epstein-Barr-Virus ist sehr weit verbreitet, wegen der verhältnismäßig langen Inkubationszeit: Weltweit sind über 90 Prozent aller unter 25-Jährigen damit infiziert. Im Allgemeinen aber hat diese Infektion - wie gesagt - keine gefährlichen Folgen,

    "Nur - das gilt für alle Viren der Herpesfamilie - einmal infiziert, lebenslang infiziert. Wir haben nach der Ausheilung, wenn wir eine primäre Infektion mit Krankheitszeichen hatten, dann den latenten Infektionszustand. Es kann dann aber zu einer Reaktivierung kommen, und die sind dann ja gefährlich: bei HIV-Aids-Patienten zum Beispiel, bei Patienten, die eine künstliche Immunsuppression haben nach Transplantation, und auch unter anderem bei Kindern und Jugendlichen, die angeborene Immundefekte haben."

    Oft wird das Epstein-Barr-Virus auch für das sogenannte Chronic-Fatique- oder Müdigkeitssyndrom verantwortlich gemacht. Dazu meint der Virologe:

    "Man findet sehr wohl bei Patienten, die dieses Krankheitsbild haben, Antikörper, manchmal sogar erhöhte Antikörper, aber es ist letztendlich nicht bewiesen. Es kann was damit zu tun haben, dass das Chronic-Fatique-Syndrom was mit einem Herabsetzen des Immunsystems zu tun hat, und dass das ein indirekter Effekt ist."

    Die allgemeine Schwächung des Immunsystems durch das Epstein-Barr-Virus könnte auch der Grund sein, warum das Pfeiffersche Drüsenfieber so häufig bei Leistungssportlern auftritt: Außer Roger Federer erkrankten zum Beispiel auch der 400-Meter-Europameister Ingo Schultz, der Skiläufer Ronny Ackermann oder die Kanutin Birgit Fischer. Aus Angst vor einem Karriereknick gönnen sich viele gerade bei Infekten zu wenig Erholungszeit und schwächen damit ihr Immunsystem.

    Vielleicht wird das Pfeiffersche Drüsenfieber aber auch nur häufiger bei Sportlern entdeckt, weil bei ihnen im Falle einer Leistungsschwäche schneller Blutuntersuchungen gemacht werden.

    "Man kann heute sehr dezidiert den Antikörper bestimmen auf das Epstein-Barr-Virus, und dann hat man eigentlich die Diagnose.""

    Sagt Ulrich Fegeler, und diese genaue Diagnose des Pfeifferschen Drüsenfiebers ist wichtig, denn Verwechslungen können unangenehme Folgen haben.

    "Man stellt einfach fest, hier hat der- oder diejenige eher grippale Zeichen, Halsbeschwerden, und wenn man dann reinguckt, dann sieht man deutlich vergrößerte Mandeln und die haben einen klassischen Belag, und der vielleicht etwas Unerfahrene wird das dann mit einer schweren eitrigen Tonsilitis verwechseln und da auch noch möglicherweise ein Antibiotikum indizieren, was nicht so gut ist, denn wir wissen, wenn diese Patienten antibiotisch behandelt werden, dann neigen die dazu, im Abklingen der Erkrankung einen furchtbaren Ausschlag zu entwickeln, der über den Körper rüber geht. Also diese Komplikation, die auch nicht dramatisch oder schlimm ist, aber sie muss nicht sein. "

    Antibiotika sind also - wie im Prinzip bei allen Viruserkrankungen - keine Therapie gegen das Pfeiffersche Drüsenfieber. Ursächlich ist diese Krankheit überhaupt nicht zu behandeln, gegen die Symptome kann man höchstens noch fiebersenkende und schmerzstillende Medikamente einsetzen. Ansonsten rät Kinderarzt Dr. Ulrich Fegeler bei kleinen und erwachsenen Patienten:

    "Im Prinzip sollte man den Patienten in Ruhe genesen lassen, und ihn wirklich erstmal 14 Tage oder drei Wochen, je nachdem, wie es anhält, in aller Ruhe wieder zu Kräften kommen lassen."

    Und wie sieht es mit der Vorbeugung, zum Beispiel durch eine Impfung aus? Mit dem Thema befassen sich Virologen wie Professor Heinz Zeichhardt von der Charité:

    "Wir haben leider keine Impfung gegen Epstein-Barr-Virus und das ist letztendlich auch gar nicht untypisch bei Viren, die latente Infektionen machen. In eine bereits bekannte Infektion einzuimpfen, ist immer ein Problem. Punkt eins. Zweitens: Wie muss der Impfstoff beschaffen sein? Ist es eine Lebensimpfung, eine Totimpfung, das muss unterschieden werden, und wir haben erst seit wenigen Jahren gegen einen Herpesvirus, das Windpockenvirus, eine Lebendvakzine, die zu einem Schutz vor Infektionen führt. Das ist aber beim EBV nicht der Fall, aber Sie müssen sich vorstellen: Wir haben ganz andere Probleme, da ist Epstein-Barr-Virus wirklich nicht unser Ziel Nummer eins. Im Allgemeinen sind Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus ungefährlich."