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Radiolexikon: Umgeknicktes Sprunggelenk

Es gibt Leiden, die für viele mit ganz bestimmten Begriffen verbunden sind. Zum Beispiel wurden bis in die 60er- und 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts umgeknickte Sprunggelenke gerne mit essigsaurer Tonerde behandelt - wer damals Kind war, kann ein Lied davon singen. Essigsaure Tonerde sollte die zwangsläufig auftretende Schwellung mildern. Heute nutzen Mediziner zwar andere Mittel, erforderlich sind sie aber allemal. Denn das umgeknickte Sprunggelenk ist die häufigste aller Sportverletzungen.

Von Mirko Smiljanic | 14.04.2009
    Köln, Deutsche Sporthochschule, in einer der vielen Trainingshallen.

    "In der Kurseinheit "Spielfähigkeit" haben wir Indiaca gespielt","

    ein Spiel mit südamerikanischen Wurzeln, vergleichbar mit Volleyball, bei dem zwei Mannschaften einen Ball über ein Netz schlagen. Fällt er auf den Boden, gibt es einen Punkt für den Gegner.

    ""Ich wollte zum Block hochgehen, wollte auch wieder landen und komme mit dem Fuß auf einem anderen Fuß auf, knicke nach links um, habe es knallen gehört, ja, und vermutlich waren das die Bänder. Im ersten Moment hat es noch nicht weh getan, als ich dann auftreten wollte, habe ich gemerkt, der Fuß ist instabil, habe mich dann erst mal zur Seite gesetzt und habe dann gemerkt, dass da wohl was gerissen ist."

    Das umgeknickte Fußgelenk ist die mit Abstand häufigste Sportverletzung. Sie ist schmerzhaft, allerdings auch gut behandelbar. Trotzdem erfordert sie eine genaue Diagnose.

    "Ja, das ist augenscheinlich. Schauen Sie einmal auf die Füße drauf, wir sehen auf der linken Fußaußenseite eine massive Schwellung, wohingegen auf der rechten Seite ein normaler Knöchel zu sehen ist. Des Weiteren, Timo beweg doch mal Deinen Fuß, ja drück mal so weit es geht, das geht nicht so gut, Sie sehen, die Bewegung ist im Vergleich zum gesunden Fuß deutlich eingeschränkt, auch hier erkennt man, dass eine Funktionsstörung vorliegt."

    Vorsichtig tastet Dr. Thorsten Schiffer, Leiter der Sporttraumatologischen Ambulanz der Deutschen Sporthochschule Köln, über das geschwollene Kniegelenk: "Supinationstrauma" sagt er, Alltag in seiner Praxis. Doch damit ist die Diagnose noch lange nicht beendet.

    "Es gilt jetzt herauszubekommen, gibt es hier eine knöcherne Verletzung, ein knöcherne Beteiligung, oder ist das eine klassische Bänderverletzung an der Fußaußenseite."

    Sprunggelenke können nach innen und nach außen umknicken, häufiger ist allerdings die "Innenvariante". Diese Verletzungen treten immer dann auf, wenn der Fuß für einen Augenblick instabil wird, etwa weil er irgendwo auftritt.

    "In dieser Position müssen die Bänder hohe Kräfte auffangen, da der Talus, also das Sprungbein, etwas aus seiner knöchernen Führung, der sogenannten Maleolengabel nach vorne rausrückt. Das ist ein Instabilitätsmoment, und in dem Moment, wo die Kraft seines Körpergewichts auf den Fuß wirkt, kann das Band sich verletzen oder reißen."

    Wie die Knöchel und Bänder genau aussehen, ob es "nur" Risse sind oder ob es Brüche gibt, die eine weit aufwändigere Behandlung bedürfen, das weiß der Sportarzt erst nach dem Röntgen des Gelenks. Bis dahin, und das hat der Kölner Sportstudent richtig gemacht, hilft nur eines.

    "Mein Dozent kam sofort zu mir und hat gemerkt, dass da was nicht in Ordnung ist, sofort hochlegen, hat dann noch etwas zu kühlen gesucht, und dann so schnell es geht einen Arzt aufsuchen, um eine Diagnose zu stellen."

    Früher, in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, kam an dieser Stelle Essigsaure Tonerde ins Spiel. In Tüchern getränkt, wurde das betroffene Gelenk umwickelt in der Hoffnung, dass die Schwellung zurückgeht. Essigsaure Tonerde ist heute kaum noch in Gebrauch, die Schwellung muss aber immer noch behandelt werden.

    "Dazu legen wir einen Zink-Leimverband um, den wir ein bis zwei Tage am Fuß belassen. Der bewirkt eine gewisse Kompression und eine Kühlung, was wir auch eh immer als Ziel haben in der akuten Behandlung von Verletzungen, und zusätzlich zur Kompression und zum Kühlen den Fuß hoch lagern und eben entlasten."

    Fuß hoch lagern, kühlen und entlasten - sind keine knöchernen Strukturen betroffen, ist das die Behandlung umgeknickter Sprunggelenke. Nach etwa sechs Wochen kann sich der Patient das erste Mal wieder in der Halle sehen lassen. Möglichst mit einem Schutz des Sprunggelenks und möglichst nach einem Aufbautraining. Denn ein Grundsatz der Biologie lautet:

    "Wenn etwas nicht benutzt wird, dann wird es klein und schwach, und wenn Sie Ihre Muskeln eben nicht benutzen konnten, müssen Sie sie wieder aufbauen, um eine suffiziente Funktion zu bekommen, und das gleiche gilt auch für Patienten, die sich ein Sprunggelenk verdrehen, da muss wochenlang richtig trainiert werden, gekräftigt werden, da wäre es auch nicht schlecht, wenn man mal Physiotherapie machen könnte, manuelle Therapie machen könnte, verklebte Sehnen zu lösen, zu lockern voneinander, die Gelenke von Blockierungen zu befreien, und das ist tatsächlich etwas, was es über die normale gesetzliche Krankenkassen heute kaum noch gibt, da wäre aus sportmedizinischer Sicht sicher ein Nachholbedarf zu sehen. Man muss ja bedenken, der Fuß ist die Basis auf der wir laufen, und es kommt zum Beispiel häufig vor, dass Leute häufig nach so einer Fehlfunktion im Sprunggelenk plötzlich Rückenschmerzen bekommen, weil sie sich ein falsches Bewegungsmuster angeeignet haben."

    Schon deshalb gilt: umgeknickte Sprunggelenke müssen unbedingt sorgfältig behandelt werden, auch wenn es länger dauert. Der "rasche Erfolg" kann mittelfristig großen Schaden anrichten. Wer häufig mit den Gelenken umknickt, sollte es zudem gezielt stabilisieren. Die Übungen dauern nicht lange, sollte aber regelmäßig durchführt werden.

    "Es gibt große Untersuchungen, die gezeigt haben, dass Leute, die ein Stabilisationstraining am Sprunggelenk, das sind Gleichgewichtsübungen, wenn die das durchführen ein bis zwei Mal pro Woche, wenn die das durchführen für vier, fünf Minuten, dass man dadurch die Verletzungshäufigkeit deutlich eingrenzen kann."

    Wer sich ganz unsicher fühlt, kann sich natürlich noch seine Sprunggelenke mit Bandagen stabilisieren. Dadurch sinkt die Wahrscheinlich einer Verletzung erheblich, wirklich begeistert ist der Kölner Sportarzt aber trotzdem nicht.

    "Zum einen weiß man aus gut geführten Studien, dass man weniger Verletzungen hat, wenn man sich das Sprunggelenk stabilisiert, andererseits entnehme ich natürlich meine Bänder aus der Pflicht von ihrer Stützfunktion, die dann wieder schwächer werden. Man muss das sehen und situationsgerecht anpassen."

    Für den Sportstudenten ist aktiver Sport für die kommenden Wochen erst einmal tabu, lesen kann man ja auch mit hoch gelagertem Fuß.

    "Man hat natürlich noch das gewisse Kopfproblem, dass man auf dem Spielfeld steht und sich denkt, hoffentlich passiert es nicht nochmal, aber ich denke, das wird mit jedem Training auch weniger, und dann sollte es auch normal weitergehen."