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Radschnellweg Ruhr
Weltweites Vorbild

Im Jahr 2010 wurde der erste Radschnellweg Deutschlands eröffnet. Er verbindet die Städte Mühlheim an der Ruhr und Essen und soll in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden. Sogar international stößt der Radschnellweg Ruhr auf Interesse.

Von Moritz Küpper | 22.08.2016
    Radweg zwischen Essen und Mülheim an der Ruhr, ehemalige Bahntrasse. Herzstück des zukünftigen Radschnellwegs Ruhr.
    Durch den Radschnellweg Ruhr sollen Autofahrer motiviert werden, zukünftig das Fahrrad zu nutzen. (imago stock&people/Jochen Tack)
    Martin Tönnes lässt langsam ausrollen.
    "So, und wenn wir jetzt geradeaus gucken: Wir sind jetzt hier sozusagen am Ausbau-Ende oder am Ausbau-Anfang, je nach Definition."
    Der 57-Jährige, Anzug, blau-weiß kariertes Hemd, Sonnenbrille, sitzt auf seinem weißen Pedelec, einem Elektrofahrrad, bei dem der Fahrer beim Treten unterstützt wird. Tönnes ist Bereichsleiter Planung beim RVR, dem Regionalverband Ruhr, und zuständig für den Radschnellweg durch die Region. Die ersten elf fertiggestellten Kilometer vom Hauptbahnhof Mühlheim an der Ruhr bis hier, nach Essen, ist er in der letzten knapp 60 Minuten gefahren. Nun rollt er auf eine verwilderte Wiese zu – und blickt in die Zukunft:
    Blick in die Zukunft
    "Würde es jetzt hier weitergehen. Geradeaus Richtung Gelsenkirchen, das wäre dann die nächste Stadt. Und dann käme Bochum, und dann käme Dortmund und dann käme Unna, Bergkamen und dann käme die Stadt Hamm."
    Einmal quer durchs Ruhrgebiet – auf dem Fahrrad. Auf insgesamt 102 Kilometern. Das ist die Idee des Radschnellwegs, mit einem klaren Ziel, so Tönnes:
    "Dass wir 50.000 PKWs täglich von der Autobahn runterholen und die zukünftig das Fahrrad benutzen werden."
    Gut eine Stunde vor der Ankunft an der Wiese ist Tönnes gestartet. Am Mühlheimer Bahnhof fährt er auf das bisher befahrbare Stück der Trasse – parallel zu den Schienen. Tönnes tritt in die Pedale – schaut über den Lenker:
    "Das ist ein vier Meter breiter Radweg in einer wunderschön geteerten Decke und daneben parallel noch ein zwei Meter Fußweg, weil wir als Regionalverband Ruhr wissen genau, dass wir in diesem dichten Ballungsraum, solche Wege auch Abends gerne zum Spaziergehen genutzt werden."
    Aber nun ist der Weg frei. Tönnes unterquert die A40, eben die Autobahn, die entlastet werden soll. Ein Zug rauscht vorbei. Die Anbindung an die Gleise ist ein großer Vorteil:
    Anbindung an die Gleise
    "Es ist eine gerade Fahrbahn, orientiert hier an den Schienengleisen. Nachher werden wir ein bisschen hier die Schienengleise verlassen. Hier ist parallel die Hauptverkehrsachse der Bahn, die Ost-West-Hauptverkehrsachse, und da fahren wir gerade parallel daneben her."
    180 Millionen Euro soll das gesamte Projekt kosten. Bis 2020, so Tönnes, könnte es klappen. Dann wird der Verband 100 Jahre alt. Optimistisch stimmt ihn vor allem eine geplante Gesetzesänderung in NRW. Die ersten elf Kilometer wurden durch diverse Förderprogramme finanziert, das soll sich nun ändern:
    "Zukünftig werden dies – wie Landesstraßen – in der Trägerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, durch Straßen.NRW, wird dieser Radschnellweg Ruhr dann gebaut und vor allem, für die Kommunen viel bedeutsamer, auch unterhalten. Also auch der Winterdienst, der hier realisiert, das wird alles über Landesbetrieb Straßen.NRW zukünftig laufen."
    Wer die Strecke jetzt – um die Mittagszeit – fährt, bekommt viel zu sehen: Am Rand pflücken Menschen Brombeeren, manch einer geht mit dem Hund spazieren. Mitunter lockt ein Schild vom Radweg weg – lädt in einen Biergarten ein. Aber auch so machen Menschen Pause: Am Rande stehen zwei Frauen, lehnen an ihren Rädern. Sie sind aus Münster gekommen, mit der Bahn nach Essen, dann weiter auf dem Fahrrad:
    "Klasse, als wir auf der Bahn drauf waren, super. Am Anfang so ein bisschen durch Essen. Wir sind verwöhnt durch Münster. In Essen, so straßenbegleitend, aber auch supergut zu schaffen."
    "Alle gucken zurzeit ins Ruhrgebiet"
    Der Vergleich mit der Fahrradhauptstadt Münster zeigt: Man ist auf dem richtigen Weg. Insgesamt 60 größere und mittlere Konzernzentralen haben ihren Sitz nahe dem Radschnellweg, als Größte wohl "ThyssenKrupp". Widerstand gab es nirgends, alle Kommunen zogen mit. Auch in Dortmund und Bochum, wo die Streckenführung mitunter auf normalen Straßen geplant ist. Das Ganze hat Vorbild-Charakter – und zwar weltweit: In der "Indian Times" erschien ein Bericht, die englische Zeitung der "Guardian" stellte das Projekt vor, berichtet Tönnes stolz - und:
    "Besonders die großen Städte in Deutschland, die gucken zurzeit sehr intensiv ins Ruhrgebiet: Berlin, München, Hamburg, Nürnberg, Frankfurt. Alle sind in Planung für Radschnellweg-Projekte, alle gucken zurzeit ins Ruhrgebiet."
    Und das ist eine Entwicklung, die wirklich nicht alltäglich ist.