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Dopingfamilie in der zweiten Generation

Raimondas Rumsas wurde vor über zehn Jahren wegen Dopings verurteilt. Seine Frau saß wegen Dopingdealerei im Gefängnis. Jetzt ist einer ihrer Söhne tot, der andere in einer Dopingprobe überführt. Die öffentliche Verurteilung geht schnell, vielleicht zu schnell. Eine Spurensuche.

Von Tom Mustroph | 07.10.2017
    Raimondas Rumsas nach dem Ende der Tour de France 2002. Der Litauer wurde Dritter der Gesamtwertung.
    Raimondas Rumsas (picture alliance / dpa / Joel Saget)
    Diesen Mittwoch wäre Linas Rumsas 22 Jahre geworden. Er starb jedoch im Mai im Krankenhaus, unter bislang ungeklärten Umständen. Zu seinem Geburtstag hatten seine Geschwister ein Gedenkrennen geplant. Per Crowdfunding baten sie um Unterstützung:
    "Hallo, ich bin Raimondas, Bruder von Linas, - und ich Raza, die Schwester. Wir haben uns entschieden, eine Sportveranstaltung zu seinen Ehren zu organisieren. Es ist eine Gelegenheit, beisammen zu sein, und sich an ihn zu erinnern, an diese immer frohe, immer strahlende Person. Wir hoffen, dass viele kommen und wir einen schönen Tag erleben."
    Dann wird auf einmal der Bruder positiv getestet
    Kurz vor dem Geburtstag von Linas wurde aber Raimondas positiv getestet, auf GHRP6, einen Wachstumshormonfaktor. Das Peptidhormon stärkt den Muskelaufbau und verbessert die Regeneration. In Ausdauersportarten ist es beliebt. Erst in jüngerer Zeit wurden dank verbesserter Tests einige wenige Athleten überführt, darunter auch Radprofis.
    Der positive Fall von Raimondas lässt den Tod von Linas in einem anderen Licht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft Lucca, dem Wohnort der Familie, eröffnete ein Ermittlungsverfahren. Bei einer Razzia fand sie beim Team von Linas Dopingpräparate in größeren Mengen.
    "Medikamente, die nicht für gesunde Athleten gedacht sind"
    "Das sind alles Medikamente, die nicht für gesunde Athleten von 20 Jahren gedacht sein können. Das waren Amphetamine, Insulin, Medikamente gegen Leberschäden, und dann auch etwas gegen Blutarmut, das ein Epo-Ersatz sein könnte", erzählt Paolo Pacini, Journalist der Lokalzeitung "La Nazione".
    Pikant ist, dass das Team ein Farmteam von Trek Segafredo ist. Ex-Doper Ivan Basso ist als Verbindungsmann zwischen Profi-Ebene und dem Nachwuchs tätig. Eine Kontinuität, die zornig macht.
    Bislang ist es nur ein Verdacht
    Der Leichnam von Linas wurde einer Autopsie unterzogen. Ergebnisse hat die Staatsanwaltschaft noch nicht. Daher ist unklar, ob eine Fehlbehandlung bei der Notaufnahme im Krankenhaus, für die es Anzeichen gibt, Todesursache war. Oder eine Überlastung des Körpers. Oder eben doch Doping.
    "Es ist klar, dass der Verdacht der Staatsanwaltschaft ist, dass es eine Verbindung zu Doping geben kann. Aber es ist nur Verdacht. Die Vorgeschichte des Vaters und die positive Dopingkontrolle auf Wachstumshormon des Bruders stimmen aber nachdenklich", meint Journalist Pacini.
    Die Mutter fliegt mit einer ganzen Ladung Doping auf
    Genau, der Vater. Auch er heißt Raimondas, wurde 2002 überraschend Dritter der Tour de France und ein Jahr später in Italien mit Epo überführt. Einen Tag nach Ende der Tour 2002 nahm der französische Zoll Rumsas' Frau Edita mit einer ganzen Ladung von Dopingpräparaten fest. Angeblich waren sie für deren Mutter bestimmt. Das französische Gericht glaubte das nicht und verurteilte die Eheleute Rumsas zu vier Monaten Gefängnis wegen Dopings.
    Edita Rumsas, Frau des Radsportlers musste sich 2002 wegen Dopinghandels vor Gericht verantworten.
    Edita Rumsas, Frau des Radsportlers musste sich 2002 wegen Dopinghandels vor Gericht verantworten. (picture alliance / dpa / Pascal George)
    Jetzt also die Kinder. Raimondas junior wurde nur deshalb erwischt, weil die italienischen Ermittler ihn nach dem Tod von Linas einer Zielkontrolle unterzogen. Dopingkontrollen im U23-Bereich gibt es sonst kaum. Ein Freibrief für Doper.
    Handelte Raimondas junior auf eigene Faust?
    Bei Raimondas' Team Soligo Amaru' Palazzago Sirio griffen nach der positiven Probe die üblichen Mechanismen.
    Eine Sprecherin: "Der Junge hat alles auf eigene Faust getan. Der Klub hat sich sofort davon distanziert."
    Das klingt bekannt. Und doch könnten die Verhältnisse in diesem Fall anders liegen als sonst. Denn Raimondas junior trainierte nach dem Tod des Bruders auf eigene Faust - fern vom Team aus dem norditalienischen Bergamo.
    Epo und Wachstumshormone fehlten
    "Der Klub hat ihm aus Sensibilität gegenüber dem toten Bruder das Rad und die Bekleidung gelassen. Er kam nicht einmal mehr ins Trainingslager", meint die Sprecherin.
    Als Einzelstarter gewann Raimondas im Juli ein Rennen und widmete diesen Sieg seinem toten Bruder.
    Hat er vielleicht genau deshalb gedopt? Und sonst nicht? Und ist der Tod von Linas ein Unglücksfall und kein Dopingfall? Immerhin wurden bei der Razzia zwar alle möglichen Medikamente gefunden, aber ausgerechnet die Standardpräparate Epo und Wachstumshormon fehlten.
    Dopingfamilie in der zweiten Generation
    Die Familie Rumsas fühlt sich von der Öffentlichkeit falsch behandelt. Ihre Darstellungen würden immer ignoriert, ließ Edita Rumsas dem Deutschlandfunk per SMS wissen - und lehnte mit dieser Begründung ein Gespräch ab.
    Jetzt sitzt die Familie mit der Urne mit der Asche von Sohn Linas im Haus und gilt als Dopingfamilie in der zweiten Generation. Falsche Idole und falsche Entscheidungen sorgten für großes Leid.