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Radsport in Goma
Schlaglöcher und das Hoffen auf Erfolg

Seit 20 Jahren herrscht im Kongo Bürgerkrieg. Dennoch gibt es Orte der Hoffnung. Einer davon: Goma im Ostkongo. Hier trainieren täglich junge Menschen auf ihren Rennrädern, um der Armut und dem Krieg zu entkommen - und gehen dabei weit an ihre körperlichen Grenzen.

Von Bettina Rühl | 25.03.2017
    Strassenszenen in Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo.
    In Goma im Kongo für viele Menschen unbezahlbar: ein Fahrrad. (picture alliance / dpa )
    Ein kaum hörbares Surren von gut geölten Ketten – dann ist der Pulk Radfahrer auch schon wieder vorbei gefahren, verschwindet im Verkehr der ostkongolesischen Metropole Goma. Es ist sonntags morgens kurz nach sechs, zu dieser frühen Stunde sind die Straßen noch halbwegs befahrbar. Später bricht ein solches Gedränge aus zwischen Motorradtaxen, Kleinbussen, hölzernen Lastfahrrädern und Händlern mit Handkarren, dass an Sprint-Einlagen mit einem Rennrad nicht mehr zu denken ist. Geschweige denn an geordnetes Training mit zwei Dutzend Fahrern.
    Wenig später kommt einer der Radsportler zu Fuß zurück zum Treffpunkt an einem Kreisverkehr. Sein Rennrad muss er schieben.
    "Ich habe eine Panne, der Umwerfer an der Schaltung ist kaputt. Deshalb kann ich leider nicht mit den anderen weiter trainieren."
    Auf sein Rennrad ist Martin Kasereka Mahamba sichtlich stolz: Das sei ein Profi-Rad, sagt der 26-Jährige. Er hat es gebraucht gekauft, für immer noch 335 Dollar.
    "Ich habe das Geld dafür bei einem Rennen in Kisangani gewonnen, das war die Nationalausscheidung. Die Teilnahmegebühr dafür haben wir bezahlt bekommen."
    Mahamba selbst könnte sich so etwas niemals leisten, er lebt davon, dass er in seinem Stadtviertel Fahrräder repariert oder Kindern das Radfahren zeigt. Damit verdient er zwischen 1.000 und 3.000 kongolesische Francs am Tag, umgerechnet zwischen einem und drei Euro. Das findet er schon einen Fortschritt zu früher - der Radsport habe sein Leben verändert.
    "Ich hätte mir früher nicht mal ein Rad für 25 Dollar leisten können, nicht mal eins für zehn Dollar. Im Vergleich dazu habe ich heute mehr Geld. Nicht nur für Räder, sondern auch für das Leben. Ich wohne mit meinem jüngeren Bruder zusammen. Alles, was ich zum Leben beitragen kann, verdanke ich dem Radfahren."
    "Radeln um zu Helfen, das steht im Zentrum dessen, was wir machen."
    Soll heißen: Radeln, um den Radsport im Kongo weiterzubringen. Vor allem aber, um den jungen Leuten dabei zu helfen, dass sie sich in eine andere Richtung weiterentwickeln.
    Radsport als Prävention gegen Kriminalität
    Charles-Guy Makongo hat mit seinem Motorrad am Rande des Kreisverkehrs neben Mahamba gehalten. Makongo begleitet die Radsportler bei ihren Runden durch die Stadt, sichert sie ab gegen den Verkehr, gibt ihnen Tipps. Er ist es, der Mahamba und anderen das Startgeld in Kisangani und anderswo bezahlt hat. Er gibt den Sportlern Geld für Radkleidung und Reparaturen, kauft Räder. Makongo ist Kameruner und selbst begeistert vom Radsport.
    "Seit rund einem Jahr gibt es einige Straßen, und als ich mal gefahren bin, stieß ich hier am Kreisverkehr auf eine Gruppe junger Kongolese, die ebenfalls mit Rädern unterwegs waren. Wir haben uns gut verstanden und ich habe ihnen vorgeschlagen, dass wir einen Verein für Radsport gründen."
    Makongo ist Jurist, er arbeitet für die US-amerikanische Anwaltskammer in Goma. Als ausländischer Experte verdient er gutes Geld, zumal in Goma: Weil die Stadt als gefährlich gilt, es gibt Zulagen.
    Seine Familie musste Makongo aus Sicherheitsgründen in Kamerun lassen. Also hat er nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Von beidem investiert er einiges in den Klub.
    "Je mehr junge Leute wir hier binden, desto weniger können sich kriminellen Gruppen anschließen. Wir weisen keinen Interessenten ab. So viele wie möglich sollen zu uns kommen, damit sie nicht keine dummen Ideen haben. Wenn man Fahrrad gefahren ist, ist man danach müde und will nur noch schlafen."
    Statt sich kriminellen Banden oder Milzen anzuschließen. Dabei haben sich die Klubmitglieder noch gar nichts zuschulden kommen lassen, Makonogo will vorbeugen. Tatsache ist: Es gibt in Goma vor allem für junge Menschen kaum Arbeit. Die Kriminalität ist hoch, und in der Provinz Nord-Kivu gibt es etliche bewaffnete Gruppen. Auch die Klubmitglieder haben jede Menge freie Zeit, bis auf die wenigen Schüler und Studenten. Die meisten sind aber arbeitslos. So wie der 29-jährige Jacob Kawasua, der ein Management-Diplom hat.
    "Das große Problem ist, dass meist nichts zu Essen da ist, wenn ich nach Hause komme. Gar nichts, womit ich wieder zu Kräften kommen könnte."
    Das macht ihm Sorge, denn wenn er gewinnen will, braucht er Kraft. Ohnehin verlieren seine Eltern, bei denen er noch wohnt, langsam die Geduld mit seinem Sport, auch wenn sie ihn anfangs unterstützt haben. Denn dass er vor drei Jahren 500 Dollar an Preisgeld gewann, das hat sie sehr beeindruckt. 500 Dollar innerhalb weniger Stunden! Der Vater ist Koch und bekommt im Monat 150 Dollar, die Mutter verdient als Händlerin etwas dazu. Die 70 oder 80 Dollar, die eine Reparatur am Rad schnell kostet, sind für sie eine atemberaubende Summe. Und auf den schlechten Straßen von Goma geht ständig etwas kaputt.
    "Meine Eltern haben irgendwann gesagt: Du fährst jetzt seit zwölf Jahren Rad, ohne jedes Ergebnis. Hör auf damit! Mein Vater wollte sogar, dass ich das Rad verkaufen soll. Aber ich habe zu ihm gesagt: Selbst wenn ich hungers sterben sollte, verkaufe ich mein Fahrrad nicht."
    Hoffe nauf den Erfolg
    Der Erfolg einiger Vereinsmitglieder lässt ihn weiter hoffen: Jimmy Mohindo, einst einer von ihnen, wurde im vergangenen Jahr sogar kongolesischer Meister.
    Martin Mahamba spricht für diejenigen, die jetzt noch nicht erfolgreich sind:
    "Wir haben bloß die Hoffnung, oder wie wir in Suaheli sagen: imani. Morgen oder übermorgen werden wir auch so gut sein. Der Glaube ist daran ist da."