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Tour-Start 2017 in Düsseldorf?

Am nächsten Dienstag wird die Strecke der Tour de France 2016 vorgestellt. Im deutschen Fokus steht aber die Tour in zwei Jahren. Denn gleich mehrere Städte buhlen darum, dann den Prolog ausrichten zu dürfen. Dreimal gab es das bereits in Deutschland – in Köln, Frankfurt und zuletzt 1987 in West-Berlin.

Matthias Friebe im Gespräch mit Bastian Rudde | 17.10.2015
    Das Logo der Tour de France
    Das Logo der Tour de France (picture alliance / dpa / ©francis Nicolas/Maxppp)
    Wer buhlt denn gegen wen?
    Es sind im Prinzip vier Städte oder Regionen, die gerne den Start der Tour de France ausrichten wollen. Düsseldorf, Münster, Mannheim und das Saarland. Nach Deutschlandfunk-Informationen schwelt im Saarland das Interesse weiterhin, inwieweit es aber dort noch richtig Feuer fängt, ist zurzeit unklar. Auch in Mannheim ist man aktuell allenfalls in Sondierungsgesprächen. Die beiden Regionen sind eher die Außenseiter.
    Bei Münster sieht der Fall etwas anders aus. Oberbürgermeister Markus Lewe von der CDU würde gerne den Start, den Grand Départ, ausrichten. Er hofft auf tolle Effekte für Stadt und Region, gerade weil Münster sich immer auch als die Fahrradmetropole Deutschlands sieht. Doch hat der Rat der Stadt mit den Stimmen von SPD, FDP und Grünen einer Finanzierung eine Absage erteilt. Man wäre gerne Gastgeber für die Tour de France, auch aus den Erfahrungen des Münsterland Giros, eines der wichtigsten deutschen Eintagesrennen, das immer am Tag der Deutschen Einheit ausgerichtet wird. Aber wegen der angespannten Haushaltslage darf, so will es der Stadtrat, kein Geld aus den öffentlichen Kassen in die Hand genommen werden. Oberbürgermeister Lewe wirbt daher auch bei privaten Sponsoren, insgesamt aber ist es fraglich, ob Münster ins Rennen gehen kann.
    Wie sehen die Planungen in Düsseldorf aus?
    Dazu muss man zunächst sagen, dass Düsseldorf eigentlich für 2018 ins Rennen gehen wollte. Weil aber London als Ausrichter für 2017 überraschend zurückgezogen hat, hat offenbar Tour-Direktor Christian Prudhomme bei Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel von der SPD angefragt, ob Düsseldorf nicht vielleicht schon für 2017 ins Rennen gehen möchte. Also hat man ein bisschen unter Druck in den vergangenen Wochen Konzepte überlegt und vor allem über eine Unternehmensberatung eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellt. Nach diesem Gutachten müsste Düsseldorf rund elf Millionen Euro aufbringen. Darin sind alle Ausgaben der Stadt einberechnet, man hofft aber, durch Nachverhandlungen und das Auftreiben von Sponsoren die Kosten noch drücken zu können.
    Weil man auch mit Gewerbesteuereinnahmen von 1,9 Millionen Euro kalkuliert, müssten aus dem Stadthaushalt etwa 6,2 Millionen Euro in die Hand genommen werden. Da wird Oberbürgermeister Geisel noch ordentlich Überzeugungsarbeit leisten müssen. Es gibt im Stadtrat etliche kritische Stimmen auch aus der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP. Dort ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber der Wille ist da, und eine Kalkulation liegt auch vor. Am 5. November soll eine entsprechende Vorlage in den Rat der Stadt eingebracht werden.
    Wie entstehen die Kosten? Und mit welchen Effekten kann man rechnen?
    Die Kosten entstehen im Prinzip in drei Bereichen. Einmal sind das die Lizenzgebühren, die an den Veranstalter, die ASO, gezahlt werden müssen. Man geht von rund vier Millionen Euro aus. Dazu kommen dann die Kosten für Sicherheit und Strecke. Man muss ja einen Kurs mitten in der Stadt vorbereiten, möglicherweise auch hier und da umbauen und dann für mehrere Tage sichern. Ein Großteil der Kosten machen die Organisation und das Rahmenprogramm aus. Die Ausrichtung des Tour-Starts ist ja nicht nur mit der eigentlichen Etappe verbunden. Das beginnt ja schon Tage vorher mit dem Zusammenkommen des Tour-Trosses und dem Training. Erster Höhepunkt ist die große Teampräsentation immer an einem Donnerstagabend. Der eigentliche Grand Depárt, der Start der Rundfahrt ist dann samstags - häufig ein Prolog, ein kleines Zeitfahren auf einem Stadtkurs von sechs bis acht Kilometern Länge. Das wäre auch für Düsseldorf vorgesehen. Und dann zum Abschluss am Sonntag der Start zur 1. richtigen Etappe.
    Am meisten würden die Hotels und gastronomischen Betriebe von dem Event profitieren. Man geht in der Düsseldorfer Rechnung von etwa drei Millionen Euro Einnahmen in den Hotels aus und etwa 57 Millionen Einnahmen in der Gastronomie. Das lässt sich relativ leicht erklären. Der Tour-Tross umfasst etwa 5.000 Personen durch Offizielle, die Fahrer und Teams und natürlich Journalisten. Allein die 22 Teams brauchen etwa 2500 Hotelzimmer. Und dann werden zu einem Start der Tour rund eine Million Fans erwartet, vielleicht sogar etwas mehr.
    Wie erklärt sich dieses Interesse? Hat das nur damit zu tun, dass die Tour dieses Jahr wieder live im öffentlich-rechtlichen TV zu sehen war?
    Das ist sicher einer der entscheidenden Gründe. Radsport ist spätestens seit der Tour de France in diesem Jahr, seit den Erfolgen der immer wieder beschworenen neuen Generation mit Fahrern wie Marcel Kittel, Tony Martin und John Degenkolb, wieder ruchbar in Deutschland geworden. Die ARD überträgt die Rennen täglich, und das trägt garantiert dazu bei. Es gehört aber natürlich noch mehr dazu. Der Tour-Start wird in rund 100 Länder übertragen. Mehr als 3,5 Milliarden akkumulierte Zuschauer weltweit verfolgten im vergangenen Jahr die insgesamt 6.300 Übertragungs-Stunden im Fernsehen und Internet. So ein Grand Depárt erzielt also kaum zu ermessende Werbeeffekte, die möglicherweise auch längerfristige Tourismus-Effekte nach sich ziehen.
    Düsseldorf hätte die Chance, sich als attraktive Stadt zu zeigen – in einem Jahr, dass zu einem großen Sportjahr für die Stadt am Rhein werden könnte. Denn schon fest sind 2017 die Ausrichtung der Triathlon-Europameisterschaft und der Tischtennis-Weltmeisterschaft. Düsseldorf überlegt auch nicht zum ersten Mal den Tour-Start. Schon vor sieben Jahren wollte man sich für 2010 bewerben, damals hatte man auch rund sechs Millionen Euro errechnet, die die Stadt ausgeben müsste. Der damalige Oberbürgermeister Dirk Elbers stoppte das Projekt aber aufgrund des neuerlichen Dopingsumpfs, der sich bei der Tour aufgetan hatte.
    Wer entscheidet, wo der Tour-Start letztendlich stattfindet? Und wann fällt diese Entscheidung?
    Das entscheidet ganz allein die ASO, der Veranstalter der Tour. Und da gibt es natürlich hohe Voraussetzungen. Neben den schon angesprochenen Lizenzgebühren legt man bei der ASO auch Wert darauf, dass eine Stadt sich nicht nur wegen bloßer Radbegeisterung oder der Lust am Marketing bewirbt. Man erwartet von Bewerberstädten für den Grand Depárt, dass dort nachhaltig etwas für das Fahrradfahren und den Radrennsport getan wird. Düsseldorf will, so ist zu hören, damit offenbar neue Ideen zur Förderung des Radverkehrs in der Stadt verknüpfen. Man will den Anteil des Radverkehrs am Straßenverkehr von 14 auf 25 Prozent erhöhen. Es gibt dazu ein Maßnahmenpaket, unter anderem mit dem Ausbau des Radwegenetzes. Am Ende aber ist es einzig und allein die Entscheidung der ASO. Wie man hört, hat sich Utrecht zwölf Mal beworben, ehe dann der Start in diesem Jahr dort wirklich über die Bühne ging.
    Die Entscheidung fällt wohl noch in diesem Jahr. In der Regel wird Ende November oder im Dezember bekannt gegeben, wer den übernächsten Start der Tour de France ausrichtet. Und Düsseldorf hat angekündigt, sollte es keine Zusage geben, dann würde die Bewerbung für die kommenden Jahre aufrechterhalten.
    Das vollständige Gespräch können Sie bis mindestens 17. April 2016 nachhören.