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Rätsel um Nofretetes Grab
Das Geheimnis hinter der bemalten Wand

Dieser Fund wäre eine Sensation: Der britische Archäologe Nicholas Reeves vermutet, das unentdeckte Grab der ägyptischen Königin Nofretete entdeckt zu haben. Doch seit der Veröffentlichung dieser gewagten These vor zwei Monaten sorgt sie für heftige Diskussionen.

Von Barbara Weber | 01.10.2015
    Büste der ägyptischen Königin Nofretete, die ca. 3000 Jahre alt ist, im Neuen Museum in Berlin
    Nicholas Reeves Vermutung, das Grab der Nofretete entdeckt zu haben, wird nicht von allen Wissenschaftlern geteilt. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Es war die Entdeckung seines Lebens und ein großer Fortschritt für die Archäologie als Howard Carter 1922 - eher durch einen Zufall - auf das Grab des Tutanchamun stieß. Er ließ die Räume und über 2.000 Objekte sorgfältig fotografieren und dokumentieren. Bis heute haben unzählige Wissenschaftler das Grab besucht und erforscht.
    Darunter auch Dr. Nicholas Reeves von der Universität Arizona, der als ausgewiesener Experte gilt. Der könnte jetzt in die Fußstapfen seines populären Vorgängers treten. Der Beginn seiner Entdeckung hängt mit einem Auftrag der ägyptischen Altertümerverwaltung zusammen, die mit Hilfe eines Laser-Scans ein exaktes Abbild der Grabwände schaffen wollte.
    Ziel dieses Auftrags: der Bau einer originalgetreuen Replik des Grabes. So sollten die Millionen Besucher umgeleitet werden, um das Original zu schützen.
    "When it was published I decided to take a close look."
    Bei dem kurzen Blick auf die hochauflösenden Bilder sollte es nicht bleiben, denn was der Wissenschaftler entdeckte, kam einer Sensation gleich.
    "I discovered traces in the surfaces that suggest the outlines of doorways."
    Diese Linien könnten übermalte Umrandungen von zwei Türen sein, womöglich Zugänge zu anderen Kammern. Die Spuren an der Westwand glichen der zugemauerten Öffnung, die Howard Carter fand. Wenn sich Reeves Vermutung bezüglich der Linien an der Nordwand bestätigen würde, wäre das eine Sensation.
    Tutanchamuns Ruhestätte: Ein Korridor zum Grab Nofretetes?
    Die Spuren unter der Malerei interpretiert Reeves dahingehend, dass dahinter ein weiteres Grab verborgen sein könnte. Zudem unterscheidet sich die Wandbemalung in Nuancen von der der anderen Wände – das erbrachte schon vor drei Jahren eine Analyse des Getty Conservation Instituts. Reeves Schlussfolgerung: Die letzte Ruhestätte Tutanchamuns sei eigentlich ein Korridor, ein Korridor, der nach rechts führt. Gräber von Königen wiesen aber nach links, so der Archäologe. Also müsste es sich um das Grab einer Königin handeln.
    "The more I thought about it, the more evidence that came to light seem to point towards that queen being Nefertiti."
    Nofretetes Grab hinter dem des Tutanchamun? Eine gewagte These, die seit ihrer Veröffentlichung vor rund zwei Monaten für heftige Diskussionen sorgt.
    Nofretete - hierzulande eher durch ihre Schönheit bekannt - war die Gattin des sogenannten Ketzerkönigs Echnaton.
    Dr. Christian Loeben, Leiter der ägyptischen und islamischen Sammlungen im Museum August Kästner in Hannover:
    "Der kreiert jetzt aus den Göttern, die zu der Zeit wichtig waren, auch für das ägyptischer Herrschertum, einen Sondergott, der dann in der Kurzform einfach Aton heißt, und Echnaton bindet sich in das System ein, indem er sich zu dem direkten Nachkommen dieses Gottes setzt und seine Frau zu einem Pendant macht und damit, man muss es sagen, die bestehende ägyptische Religion ziemlich auf den Kopf stellt."
    Echnaton verlegt die mit dem alten Gott Amun verbundene Hauptstadt Theben an einen neuen Ort, dem heutigen Amarna.
    "Nofretete als Gattin Echnatons spielt da eine Königinnenrolle, wie wir sie in der ägyptischen Geschichte vorher überhaupt nicht gekannt haben."
    Das ist insbesondere für die letzten Regierungsjahre Echnatons belegt, in denen Nofretete eine weitgehend gleichberechtigte Position einnahm.
    "Aus diesem Grund erscheint Nofretete plötzlich bei fast allen Kulthandlungen, die Echnaton vor seinem Gott Aton ausführt, erscheint sie auch. Das gab es vorher quasi nicht."
    Das geht sogar so weit, "dass es Darstellungen gibt, wo Nofretete ganz alleine, ohne das königliche Pendant ihres Gatten, Opferhandlungen vollzieht."
    Ob Nofretete die Mutter von Tutanchamun war, ist umstritten. Der damalige Chef der ägyptischen Antikenverwaltung Zahi Hawass ließ zahlreiche Genanalysen an Mumien durchführen und kommt zu dem Ergebnis, dass Echnaton Tutanchamun mit seiner Schwester zeugte.
    Der französische Ägyptologe Marc Gabolde von der Université Paul Valery - Monpellier III widerspricht und bringt doch wieder Nofretete als Mutter ins Spiel. Seine Begründung: Die über Generationen gepflegten engen sexuellen Verwandtschaftsbeziehungen und das Alter der untersuchten Knochen ließen gar keine exakte Genanalyse zu:
    "Echnaton stirbt im Jahr 17 seiner Regierungszeit und Kurzem dachte die ägyptologische Forschung, dass Nofretete sehr viel früher verschwunden sein muss. Seit neuestem wissen wir, dass sie sicher bis zum Ende der Herrschaft Echnatons da war, präsent war."
    Verworrene Informationen
    Im 16. Regierungsjahr taucht ein neuer Name an der Seite des Königs auf: Neferneferuaten. Reeves Theorie geht nun so: Neferneferuaten war eigentlich Nofretete, sodass sie nicht verschwunden war, sondern sich nur unbenannt hatte und so zur Mitregentin aufstieg. Nach dem Ableben ihres Gatten könnte sie dann für kurze Zeit Alleinherrscherin geworden sein, und zwar unter dem Namen Semenchkare.
    Die Sache ist deshalb so verworren, weil "in dem Moment, wo eine Person als König oder Königin zu regieren begann, dass sie eigentlich ihren alten Namen gänzlich ablegt. Sie bekommt einen Pharaonennamen. Das bereitet für uns die Schwierigkeit, dass wir aus diesem Grund die historische Persönlichkeit, die hinter diesem Pharaonennamen steht, nicht fassen können."
    Falls das Grab der Nofretete wirklich hinter dem des Tutanchamun sein sollte, könnte das bedeuten, dass sich schon Nofretete vom Atonglauben ihres Gatten losgesagt hat und in die alte Hauptstadt zurückgekehrt ist. Bislang gehen wohl die meisten Ägyptologen davon aus, dass das erst Tutanchamun tat.
    Nicholas Reeves hat wohl inzwischen ob seiner Theorie selbst kalte Füße bekommen. Seinem Freund Professor Dietrich Wildung, dem ehemaligen Direktor des Ägyptischen Museums Berlin, mailte er kürzlich:
    "Ich war mir nicht klar, was ich mit dieser Theorie an Medienreaktion auslösen würde, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich zurückhaltender gewesen."