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Rätselhafte Elemententstehung im Weltall

Astronomie.- Der Exzellenzcluster Universum in Garching bringt seit fünf Jahren Wissenschaftler aus vielen Disziplinen zusammen, um die großen Fragen des Kosmos zu lösen. Jetzt diskutieren 100 Experten aus aller Welt in der Abgeschiedenheit von Kloster Irsee im Allgäu.

Von Dirk Lorenzen | 28.02.2012
    Die chemischen Elemente hinterlassen im Licht der Sterne eine Art Fingerabdruck. Blicken die Astronomen hinaus ins All, sehen sie, wo es wann welche Stoffe gegeben hat. Dass die verschiedenen Elemente da sind, lässt sich also recht einfach beobachten. Dagegen ist es sehr aufwendig zu erklären, wie die chemischen Elemente in den Sternen entstehen, betont Friedrich Thielemann, theoretischer Physiker an der Universität Basel.

    "Man muss modellieren, wie ein Stern sich entwickelt, wie ein Stern explodiert. Das ist eine Mischung aus Hydrodynamik, da geht die Energieerzeugung rein, die bei den Reaktionen passiert, da ist der Strahlungstransport, wenn Photonen oder Neutrinos daraus entweichen, und wenn das zentrale Objekt ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch wird, muss man Allgemeine Relativitätstheorie berücksichtigen."

    Und dennoch lassen sich die Entwicklung von Sternen und die Bildung der Elemente bis heute nicht gleichzeitig modellieren. Erst in einigen Jahren dürfte die Rechenleistung der Computer dafür ausreichen. Die chemischen Elemente machen es den Forschern so schwer, weil sie selbst nach astronomischen Maßstäben bei extremen Bedingungen entstehen. Nur wenn die positiv geladenen Kernbausteine mit enormer Geschwindigkeit aufeinander prallen, stoßen sie sich nicht mehr ab, sondern verschmelzen zu schwereren Stoffen. Neue Elemente bilden sich daher nur bei sehr hohen Temperaturen und großen Drücken.

    "Das passiert sowohl im Urknall, wo es ursprünglich natürlich sehr heiß war und in Sternen und zwar in der Sternentwicklung und in den Sternexplosionen. Was in der Sternentwicklung Millionen und Milliarden Jahren dauert, ist in Explosionen in zehn Sekunden passiert, aber die Reaktionen sind doch dieselben."

    Unsere Sonne strahlt, weil sie gemächlich Wasserstoff zu Helium verschmilzt. Das lässt sich ganz gut nachvollziehen. Aber Elemente, die schwerer sind als Eisen, etwa Gold oder Uran, bilden sich nur während gewaltiger Sternexplosionen. Dort laufen die Prozesse rasend schnell ab und bei Temperaturen, mit denen verglichen unsere Sonne mit ihren 15 Millionen Grad im Innern geradezu ein Kühlschrank ist. Was immer da im Kosmos vor sich geht: Beobachtungen und Theorie passen oft noch nicht zusammen, erklärt Friedrich Thielemann.

    "Eine wirklich offene Frage ist, dass wir zum Teil von der Kernphysik verstanden haben, wie man die schwersten Elemente im Universum erklären kann, aber dass wir momentan kein wirklich überzeugendes astrophysikalisches Modell haben. Beziehungsweise wir haben eines, ein sogenanntes Neutonensterne-in-einem-Doppelsternsystem, das sind zwei Sterne, die erst einmal einen Neutronenstern machen müssen, das heißt eine Supernova-Explosion, dann müssen die noch zusammenspiralieren, was Milliarden Jahre oder so dauert, das heißt, die kommen erst relativ spät in der galaktischen Entwicklung dazu."

    Und das dürfte zu spät sein, um den hohen Anteil sehr schwerer Elemente in ganz jungen Galaxien zu erklären. Offenbar haben die Astronomen bisher die Brutstätten der schweren Elemente im Kosmos übersehen – oder in manchen der bekannten Objekte laufen andere Prozesse ab als bisher angenommen. So brauchen die Forscher auch weiterhin Computerrechnungen, Labormessungen und Teleskopdaten, um gemeinsam zu enträtseln, wie die Bausteine der Welt entstanden sind.